Finanzierung im Mittelstand:Kurs halten

Bavaria Imposes Lockdown In Berchtesgaden Region As Coronavirus Infections Skyrocket

In einigen Regionen Bayerns wie etwa im Berchtesgadener Land am Königssee wurde ein Lockdown verhängt. Firmen drohen erneut Totalausfälle.

(Foto: Lennart Preiss/Getty Images)

Lieferengpässe, Lockdowns und steigende Preise: Viele Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück - dabei haben einige hohe finanziellen Reserven.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die Aussichten sind trübe. Mit Blick auf die stark steigenden Infektionszahlen prognostizieren Ökonomen für die kommenden Monate ein deutliches Abflauen der Konjunktur. Die staatliche Förderbank KfW hat Ende November ihre Bruttoinlandsprodukt-Prognose für das laufende Jahr von drei Prozent auf 2,6 Prozent nach unten revidiert. Im Winterhalbjahr 2021/2022 rechnet die Förderbank mit einer Stagnation der Wirtschaft. "Auch, wenn es wieder zu einem flächendeckenden Lockdown kommt, gehe ich davon aus, dass die Liquiditätsversorgung der Unternehmen in der Breite gesichert ist. Dazu trägt auch die beschlossene Verlängerung der Corona-Hilfen des Bundes bis März 2022 bei", sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.

Die Kreditnachfrage ist stark eingebrochen

Händlern, Dienstleistern und Produzenten drohen erneut Totalausfälle, davon bereits betroffen sind Gastronomie und Fitnessstudios, die beispielsweise in bayerischen Hotspots schließen mussten. Wie sich diese Entwicklungen auf die Finanzierungslage im Mittelstand auswirkt, ist noch unklar. Experten erwarten eine Verfestigung der bestehenden Verhältnisse, und diese sind je nach Betroffenheit durch die Pandemie sehr unterschiedlich.

Zuletzt ist die Kreditnachfrage der Unternehmen stark eingebrochen. Laut aktuellem Mittelstandspanel der Förderbank fiel der Anteil der Unternehmen, die bei Banken um ein Darlehen ansuchen, auf ein Rekordtief von unter 18 Prozent. "Der Kreditkanal ist nicht zu, sondern die Unternehmen fragen wenig Fremdkapital nach. Das gilt insbesondere für den Mittelstand, aber auch für Großunternehmen", sagt Köhler-Geib.

Auch die Nachfrage nach staatlichen Corona-Hilfen ging zurück. In den ersten neun Monaten vergab die KfW Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Im Vorjahresvergleich waren es mit 26,1 Milliarden Euro mehr als fünfmal so viel. Trotz sinkender Fremdkapitalnachfrage steigen gleichzeitig die Kreditbarrieren für mittelständische Firmen wieder an. "Konjunkturrisiken und Lieferprobleme schlagen auf bestimmte Geschäftsmodelle voll durch, davon sind die klassischen Problembranchen Hotellerie und Gastgewerbe sowie alle tourismusnahen Betriebe und auch die verarbeitende Industrie betroffen", sagt Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt.

Finanzierung im Mittelstand: Auftragsstau: Maschinenbauunternehmer leiden mehr denn je unter Materialmangel und Lieferengpässen.

Auftragsstau: Maschinenbauunternehmer leiden mehr denn je unter Materialmangel und Lieferengpässen.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Den Banken sei das Risiko häufig zu groß. In einer KfW-Umfrage gab jeder vierte Betrieb an, Probleme mit dem Zugang zu Krediten zu haben - mehr als doppelt so viele als im Vorjahr. Insbesondere die Dienstleistungsbranche und der Einzelhandel melden Probleme. Dass die Banken ihre Vergaberichtlinien für Firmenkredite anziehen, belegt die aktuelle Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank unter 146 europäischen Banken. Nach leichten Verschärfungen im dritten Quartal planen die Geldhäuser auch im vierten Quartal ein rigideres Vorgehen. Davon sind Klein- und Mittelbetriebe besonders betroffen.

"Großunternehmen hatten mehr Möglichkeiten auf Umsatzrückgänge zu reagieren, zum Beispiel durch Anpassung der Kostenstruktur oder Umstieg auf digitale Vertriebskanäle, und haben diese auch genutzt", so Köhler-Geib. Härtere Bankenregeln für kleine und mittlere Unternehmen werden sich auch nach der Pandemie fortsetzen. Denn die jüngst von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge zu strengeren Eigenkapitalregeln bei der Basel-III-Reform, werden insbesondere für Betriebe ohne externes Rating strengere Vorgaben bringen.

Die Zinsen für lange Laufzeiten steigen

Angesichts der jahrelangen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Fremdkapital seit Jahren günstig. Ihr gegen den Pandemie-Schock aufgelegtes 1,85 Billionen Euro Anleiheprogramm sichert Unternehmen die günstige Kreditvergabe und hält das Zinsniveau niedrig.

Nun zeigen die Zinsen jedoch einen leichten Aufwärtstrend bei langen Laufzeiten. Der auf Bundesbank-Daten beruhende Barkow-Index für Unternehmenskredite mit fünfjähriger Laufzeit legte Ende Oktober um 0,41 Prozentpunkte auf einen durchschnittlichen Zinssatz von 1,76 Prozent zu. "In schwierigen Phasen wie diesen steigen immer die Zinsen für lange Laufzeiten, und auch die Kreditaufschläge für schlechte Bonitäten gehen nach oben. Betriebe müssen sich darauf einstellen, dass in den nächsten sechs Monaten durchaus mehr als ein Prozentpunkt vor dem Komma obendrauf kommt", sagt Schiereck.

Trotz Negativzinsen halten manche Firmen hohe Reserven

Durch die Corona-Krise betroffene Unternehmen haben wichtige finanzielle Reserven eingebüßt, was sich auch in deren Ratings bemerkbar macht. Mehr als ein Drittel der an der KfW-Unternehmensbefragung 2021 teilnehmenden Firmen meldete eine Verschlechterung der Bonität, bei 39,5 Prozent der Firmen sank das Eigenkapital. "Für den Mittelstand insgesamt sehen wir, dass sich die Eigenkapitalquoten als wichtigster Indikator für die Bonität nur sehr moderat verschlechtert haben. Angesichts der tiefen Krise eigentlich geringer als erwartet. Man sieht aber auch, dass die Unternehmen mit zehn oder weniger Beschäftigten schon überproportional betroffen sind von Belastungen für das Eigenkapital", sagt Köhler-Geib. Finanzierungsinstrumente, die das Eigenkapital schonen wie Leasing, einbehaltene Gewinne und Einlagen, können hier entgegenwirken.

Wie uneinheitlich das Bild ist, zeigen die gleichzeitig gestiegenen Liquiditätsreserven, die Betriebe während der Krise aufbauten. Laut Freshfields Corporate Cash Barometer liegen 688 Milliarden Euro auf Bankkonten und als Kassenbestand auf der hohen Kante - trotz negativer Zinsen von minus 0,11 Prozent per Ende September.

Neben den Strafzinsen belastet die Inflation die Guthaben der Unternehmen. Im November kletterte die Teuerungsrate auf 5,2 Prozent. Die anhaltenden Lieferengpässe führten nun auch zu höheren Verbraucherpreisen, sagt KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib. "Davon unabhängig sehen wir deutliche Preissteigerungen am Energiemarkt. Beides wird durch den Winter hindurch wirken, und ich gehe daher zunächst nur von einem graduellen Rückgang der Inflation im neuen Jahr aus", sagt Köhler-Geib. Energie kostet im Oktober 18,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Empty Shipping Containers Stored In Suffolk

Leere Schiffcontainer in England. Die anhaltenden Lieferengpässe vielerorts sorgen für steigende Preise.

(Foto: Dan Kitwood/Getty Images)

Trotz hoher Kapitalpolster sind viele Unternehmen mit Investitionen zurückhaltend. Falls Firmen Material und Vorprodukte angesichts der Engpässe überhaupt erhalten, dann zu deutlich höheren Preisen. Auch Maschinen, Fahrzeuge und Anlagen, die zur Herstellung von Gütern benötigt werden, sind Mangelware. "Unternehmen, die auf Liquiditätsreserven sitzen, stellen sich immer auch die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, eine Investition anzugehen. Für viele sind die Rahmenbedingungen einfach ungünstig. Aber, wenn sie einen Lieferdienst betreiben und jetzt schnell zehn neue Transporter bestellen wollen, kriegen sie die gar nicht", sagt Schiereck.

Bereits im Vorjahr hatte die Pandemie die Investitionslaune des Mittelstands erheblich gedämpft. Noch nie haben laut KfW so viele kleine und mittlere Unternehmen ihre ursprünglichen Investitionspläne nicht umgesetzt. Lediglich kleine Investitionsvorhaben zur Anpassung oder Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wurden vorgenommen. Insgesamt sanken die Neuinvestitionen der Mittelständler laut aktuellem KfW-Bericht im Vorjahr um 14 Milliarden Euro auf 173 Milliarden Euro.

Die Geschäftslage bleibe im Neuen Jahr unsicher, sagt Köhler-Geib. Auch die staatlichen Rahmenbedingungen, etwa für die grüne Transformation, seien oft noch unklar. "Die Frage, was die neue Bundesregierung zum Erreichen der vorgegebenen Klimaziele zum Beispiel mit dem CO₂-Preis vorhat, ist von zentraler Bedeutung für Unternehmen", sagt Köhler-Geib. Auch in dieser Frage hoffen die Firmen auf mehr Klarheit.

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FILE PHOTO: Container ships wait off the coast of the congested Ports of Los Angeles and Long Beach in Long Beach, California

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