Süddeutsche Zeitung

Kreditfonds:Zu mehr Risiko bereit

Der Markt für alternative Finanzierungen wächst in Europa. Die Investoren bieten Kredite an, die meist teurer sind, aber auch flexibler.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Ihre Kassen sind prall gefüllt. Sie sind in der Niedrigzinsphase auf der Suche nach renditeträchtigen Anlagen und vergeben Darlehen an den Mittelstand: Finanzinvestoren. Während Private-Equity-Gesellschaften Eigenkapital zur Verfügung stellen, vergeben Private-Debt-Investoren über einen Fonds Kredite direkt an Unternehmen. Geldgeber sind meist Pensionskassen, Versicherungen sowie finanzstarke Family Offices. "Private-Debt-Investoren erhalten im Gegensatz zu Private Equity regelmäßige Auszahlungen in Form von Zins und Tilgung. Diese Liquidität ist besonders für jene Investoren interessant, die selbst Auszahlungsverpflichtungen wie Renten leisten müssen", erklärt Sofia Harrschar, Expertin bei Universal Investment.

Hierzulande hat die Bafin den Kreditfonds Auftrieb beschert

In Europa wurden laut der Ratingagentur Creditreform seit 2006 Fonds im Umfang von 56,2 Milliarden Euro platziert. Zum Vergleich: In den USA, wo Fremdkapital der Investoren bei Wachstumsfinanzierungen und Firmenübernahmen im Mittelstand längst etabliert ist, waren es 132,3 Milliarden Euro. Deutlichen Auftrieb hat die Bankenaufsicht Bafin dem Markt hierzulande beschert, als sie im Mai 2015 im Zuge der EU-Rechtsvereinheitlichung endgültig den Weg für Kreditfonds in Deutschland frei machte. Für 2017 zeigen die Zahlen in Europa stark nach oben. Im ersten Quartal betrug der Mittelzufluss im Private-Debt-Markt laut der Fondsgesellschaft Proventus neun Milliarden Dollar.

Unternehmen sind die alternativen Finanzinstrumente willkommen. Die strengeren Regeln nach Basel III erschweren zunehmend die Finanzierung über Banken und Sparkassen. "Banken sind aufgrund der verschärften Regularien immer weniger bereit, risikoreiche Finanzierungen im Mittelstand zu übernehmen. Private-Debt-Fonds haben mehr Appetit auf Risiko und springen als Kreditgeber ein", sagt Tobias Berg, Associate Professor für Finance an der Frankfurt School.

Beispiele für Refinanzierungen mit Private Debt in Deutschland sind der Glasherstellers Duran, der Motorradzubehörhändler Polo Motorrad und die Textilkette NKD. Besonders häufig wird zu mit Private Equity finanzierten Transaktionen Kapital von Private-Debt-Investoren hinzugezogen. So sind beim kriselnden Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin die heutigen Eigentümer (Hedgefonds) zunächst auch als Fremdkapitalgeber beim Ex-Besitzer Blackstone eingestiegen. "Unsere Investoren sind in vielen Fällen durch das Versicherungsaufsichtsrecht reguliert, das klare Vorgaben gibt, in welche Kredite überhaupt investiert werden darf. Ein Rating unterhalb Investment Grade machen wir daher in der Regel nicht", sagt Harrschar. Für die institutionellen Investoren sei die Finanzierung von Immobilien, Infrastruktur und erneuerbaren Energien besonders interessant. Aktuell hat Universal Investment, eine der größten Fondsgesellschaften im deutschsprachigen Raum, 4,6 Milliarden Euro in verschiedenen Darlehensfonds investiert, weit über die Hälfte stammt von deutschen Anlegern. Um für Debt Fonds interessant zu sein, muss das Kreditvolumen eines Unternehmens zwischen zehn und 100 Millionen Euro liegen. "Bei höheren Beträgen sind in der Praxis meist mehrere Investoren mit an Bord oder es wird direkt eine Anleihe emittiert", sagt Berg.

Läuft es schlecht, sind die Fremdkapitalgeber meist kompromisslos

Der größte Vorteil von Private Debt gegenüber dem klassischen Bankenkredit liegt für Unternehmen in der höheren Flexibilität hinsichtlich der Gestaltung der Finanzierung sowie dem Kreditvergabeprozess. Fondsmanager entscheiden meist rasch und unbürokratisch, auf eine detaillierte Überprüfung ihrer Geschäftslage müssen sich Finanzvorstände und Geschäftsführer allerdings - auch bei guter Bonität und vollen Auftragsbüchern - einstellen. Bestimmte Kreditklauseln (Covenants) wie Finanzkennzahlen, Mitspracherechte und Berichtspflichten sind verhandelbar, hier ist das Geschick des Managements gefragt, um den Spielraum für das Unternehmen zu maximieren. "Es muss den Unternehmen klar sein, dass es kein 'Free Lunch' gibt. Mehr Freiheiten bei der Vertragsgestaltung wie ein höherer Verschuldungsgrad wird in der Regel entweder über einen höheren Zinssatz kompensiert oder aber durch eine kompromisslosere Haltung im Falle von späteren finanziellen Problemen", sagt Berg. Kredite von Private-Debt-Investoren sind also teurer. Bei klassischen Unternehmensfinanzierungen liegen die Laufzeiten bei guter Bonität zwischen zwei und fünf Jahren, im Infrastrukturmarkt durchaus bei mehr als zehn Jahren. Das Kapitalverlustrisiko wird in den meisten Fällen mit Sicherheiten unterlegt. "Als Sicherheiten können Grundschulden dienen, aber auch beispielsweise Maschinenparks oder Liquiditätskonten. Die Wahl der Sicherheiten hängt ganz konkret davon ab, um welche Fremdkapital-Arten es sich handelt", sagt Harrschar. Um den passenden Partner zu finden, ist eine Due Diligence, eine genaue Prüfung, mit mehreren Investoren ratsam. Das Kapital der Investoren ist nicht billig. Höheres Risiko schlägt sich in höheren Zinsen und Sicherheiten nieder. Bis zu zehn Prozent Zinsen sind bei Transaktionen üblich. Wird Private Debt - wie in der Praxis häufig - zur Finanzierung eines Leveraged Buy-outs durch Private-Equity-Investoren genutzt, also einer fremdfinanzierten Firmenübernahme, liegen die Kreditkosten darunter.

"Private-Debt-Finanzierungen sind maßgeschneiderte Lösungen und daher verglichen mit Anleihen recht illiquide. Dafür müssen die Unternehmen in der Regel einen höheren Zinssatz als bei Anleihen bezahlen", sagt Berg. Läuft es schlecht, sind die Debt Fonds meist kompromisslos und pochen auf die vereinbarten Kreditklauseln. Das kann für Unternehmen deutlich unangenehmer ausgehen als bei einer Finanzierung durch die Hausbank, die stets auch die gesamte Kundenbeziehung im Auge hat. Schlimmstenfalls steht, falls eine Wandlungsoption für ausstehende Kredite in Eigenkapital vereinbart wurde, am Ende die feindliche Übernahme.

Weiteren Schub kann der Private-Debt-Markt europaweit durch die Zinswende erfahren. Sind die Banken aufgrund der steigenden Kreditkosten mit Kreditausfällen belastet, müssen Unternehmen verstärkt auf alternative Finanzpartner ausweichen. "Private Debt ist kein kurzfristiger Markttrend, sondern eine stabile Finanzierungsalternative, die gekommen ist, um zu bleiben. Die Nachfrage ist weiterhin groß und sollte auch nicht verschwinden, wenn die Zinsen steigen", sagt Harrschar.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2017
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