Kredite:In Schwung bleiben

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Unternehmen sollten die noch guten Konditionen von Finanzierungen nutzen, raten die Experten. Denn bei einem Abschwung könnten sich die Kredite verteuern.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die konjunkturelle Abkühlung wirkt sich auch auf den Kreditmarkt aus. So sind die Zinsen für Firmenkredite bereits gestiegen. Experten raten Unternehmen derzeit, das aktuell noch günstige Finanzierungsumfeld zu nutzen.

"Die Unternehmen sollten spätestens jetzt dringend refinanzieren, sonst handeln sie fahrlässig", sagt Arno Fuchs. Der Geschäftsführer des Münchner Finanzierungsspezialisten FCF ist sich sicher: "Die geradlinigen Boomjahre sind vorbei, ab sofort wird die Geschäftslage deutlich volatiler und nach vorne unklarer." In den Auftragsbüchern vieler Unternehmen ist der Konjunkturabschwung schon spürbar. Die Wachstumskurve der deutschen Wirtschaft hat im laufenden Jahr ins Minus gedreht und zeigt weiterhin nach unten.

Nach 0,1 Prozent BIP-Rückgang im zweiten Quartal rechnen Experten weiterhin mit Einbußen. Während die Binnennachfrage das Wachstum weiter stützt, steckt die stark exportorientierte Industrie in der Rezession. "Vor dem Hintergrund der flauen Weltkonjunktur und der zahlreichen globalen Unwägbarkeiten bleiben ihre Geschäfts- und Exporterwartungen außerordentlich pessimistisch. Wir gehen für 2019 von einem Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent und für 2020 von 0,6 Prozent aus", sagt Michael Schwartz, Ökonom der KfW Bankengruppe. Um nicht später kräftig draufzuzahlen, sollten Unternehmen deshalb das sich bietende Zeitfenster nutzen, um sich zu wappnen.

Denn noch sind die Finanzierungsbedingungen sehr gut. "Wir leben am Kreditmarkt im Moment in einer risikofreien Welt. Das ist natürlich kein nachhaltiger Zustand und hat mit dem tatsächlichen Ausfallrisiko an sich nichts zu tun, sondern ist den niedrigen Zinsen geschuldet", sagt Peter Barkow, Geschäftsführer von Barkow Consulting. Konkret lägen die Wachstumsraten bei Unternehmenskrediten so hoch wie nie seit der Finanzkrise und würden sogar jene von Baufinanzierungen übersteigen. "Kredite waren und sind noch immer sehr gefragt. Es ist allerdings abzusehen, dass die Spitze erreicht ist", sagt Schwartz.

Banken werden vorsichtiger und heben die Margen an

Die jüngsten Daten des KfW-Mittelstandspanels zeigen noch keine Abkühlungserscheinungen am Kreditmarkt. Positiv sind auch die Daten zum Zugang zu Finanzmitteln. "Ähnlich wenige Unternehmen, die Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme anführen, hatten wir in den vergangenen Jahren selten", sagt der KfW-Ökonom. Längst werden nicht alle Mittel auch investiert. "Vor allem in der andauernden Niedrigzinsphase übersteigt der geäußerte den tatsächlichen Kreditbedarf. Einerseits gehen wir davon aus, dass die Unternehmen aufgrund der günstigen Konditionen noch Volumen vor einer möglichen Zinswende mitnehmen", sagt Schwartz. Andererseits werde der Umfang von Investitionsprojekten meist zu hoch angesetzt.

Ist die Zeit des billigen Geldes vorbei, sollten Firmen allerdings wieder mit spitzem Bleistift kalkulieren, um Kosten zu sparen. Sobald die Konjunktur deutlich wegbricht, werden die Banken reagieren, Kredite verteuern und auch beim Risiko genauer hinschauen. Eine höhere Zinsbelastung spüren Firmen mit schlechter Bonität bereits jetzt. "Die Banken sind, was die Margen angeht, aufgrund der konjunkturellen Aussichten etwas vorsichtiger geworden und haben sie angehoben", sagt Berater Barkow. Was eben besonders jene Betriebe zu spüren bekämen, die nicht so gut aufgestellt seien.

Topmittelstandskunden mit guter bis sehr guter Bonität und geringer Konjunkturanfälligkeit sind hingegen derzeit noch in einer äußerst komfortablen Finanzierungssituation. Sie können unter den Geldhäusern wählen. Die schlechte Ertragslage der Banken heizt den Wettbewerb noch an. Das Geschäft zahlt sich für sie angesichts niedriger Zinsen und damit einhergehenden niedrigen Margen nur über einen höheren Marktanteil aus.

"Ein typischer Weltmarktführer mit einem Umsatz unter der oder um die Milliardengrenze und mit einem soliden Investmentgrade Rating kann eine Finanzierung über fünf Jahre bei guter Besicherung mit Margen deutlich unter einem Prozent bis hin zu 60 Basispunkten erreichen", sagt FCF-Finanzierungsspezialist Fuchs. Bei Unternehmen mit einem doppelten B-Rating seien Finanzierungskosten von um die 200 Basispunkten realistisch. Unternehmen mit einem B-Rating und kleineren Betrieben bis zu 50 Millionen Euro Umsatz komme ein Kredit nochmals um 100 bis 200 Basispunkte teurer.

Viele Mittelständler können Investitionen aus eigener Tasche bezahlen

Das Gros des Kreditgeschäfts ist kleinteilig. "Die Hälfte aller Investitionsprojekte in Deutschland hat einen maximalen Wert von lediglich 30 000 Euro. Das hat natürlich auch Folgen für die Kreditaufnahme", sagt KfW-Ökonom Schwartz. Die Hälfte der Kredite, die Unternehmen für ihre Investitionen tatsächlich aufnehmen, überschreite den Wert von 20 000 Euro nicht.

Ein Signal für steigende finanzielle Risiken sind die Daten des Zahlungsverhaltens der Firmen. So nahmen laut Wirtschaftsauskunftei Creditreform im ersten Halbjahr 2019 die Zahlungsverzögerungen zu und auch die Forderungslaufzeiten verschlechterten sich. In diesem Umfeld der schwächelnden Umsätze und ausstehenden Zahlungen ist eine präzise und rollierende Finanzplanung überlebenswichtig.

Krisenfit sind Unternehmen nur dann, wenn die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist. "Die Liquidität kann künftig ein Schwachpunkt sein. Ein Weg ist, sich mit zusätzlichen Kreditlinien für den Abschwung solide aufzustellen und die Zahlungsfähigkeit durch Einsatz von Factoring und Leasing auszubauen und zu erhalten", sagt Finanzierungsexperte Fuchs. Wer diese Mittel schon genutzt hat, kann sich mit Mezzaninen, einer Mischform aus Eigen- und Fremdkapital, stillen Beteiligungen oder der Hinzunahme von Eigenkapital von Investoren Freiräume schaffen.

Dank der Vorkehrungen der vergangenen Jahre ist der Mittelstand gut gerüstet. Die Stärkung ihrer finanziellen Unabhängigkeit war besonders Familienbetrieben nach der Krise ein zentrales Anliegen. "Die Zeiten der schwächelnden Eigenkapitalquoten von zehn Prozent sind bei mittelständischen Firmen mittlerweile lange vorbei. Heute sind die Eigenmittel solide über 30 Prozent und auf dem Weg zu 35 Prozent", sagt Fuchs. Vielerorts können Investitionen aus der eigenen Tasche gestemmt werden.

Und das müssen Firmen unter Umständen schon bald, denn der Kostenanstieg ist bereits real. Just nach der umstrittenen EZB-Zinssenkung zogen die Zinsen für Unternehmenskredite an. "Unser Corporate Credit Index bei Neukrediten ist in der letzten Woche so stark gestiegen wie seit fast neun Jahren nicht mehr", sagt Berater Barkow. Der Anstieg von 16 Basispunkten auf 1,18 Prozent bei fünfjähriger Zinsbindung überraschte selbst den Experten.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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