Krebstherapie-Projekt von Siemens:Gerade erst aufgebaut - und fast schon wieder weg

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"Da haben wir uns überschätzt": Siemens will sich aus einem Krebstherapie-Projekt zurückziehen, weil sich die Anlage nicht rechnet. Dabei ist sie für manche die letzte Hoffnung - und für Krebsmediziner ein Traum. Es gibt eine Alternative, doch Siemens verweigert die Zustimmung.

Karl-Heinz Büschemann

Die Anlage ist riesig. Sie kostet mehr als 100 Millionen Euro und kann Leben retten. Gerade erst ist sie fertig geworden und soll doch schon wieder abgerissen werden. Es geht um eine Großanlage zur Behandlung von Krebspatienten an der Uniklinik in Kiel . Das Millionenmonstrum für die "Partikeltherapie" kann millimeterkleine Tumore im Körper zerstören, etwa im Gehirn. Die Technologie hat weniger Nebenwirkungen als konventionelle Methoden. Sie ist für manchen die letzte Hoffnung und für Krebsmediziner ist sie ein Traum. Für die Behandlung mit einer solchen Maschine müssen Patienten im Ausland bisher oft 100.000 Euro und mehr zahlen.

Ärger hinterm Bauzaun. Die Baustelle der Siemens-Anlage in Kiel. (Foto: dpa)

Doch der Siemens-Konzern, der die Anlage gebaut hat, will sie wieder abbauen. Man sei gescheitert, sagt der Konzern demütig. Das Unternehmen, das an ähnlichen Anlagen in Marburg und in Shanghai arbeitet, hatte versprochen, man könne damit 2500 Patienten im Jahr behandeln. Das wird nicht gehen. Die Technik ist komplizierter als gedacht.

"So was gibt es nicht einmal in Amerika"

Die Kieler Anlage würde nur 1000 Patienten im Jahr schaffen. Zu wenig für einen wirtschaftlichen Betrieb. "Da haben wir uns überschätzt", heißt es bei Siemens. Konzern und Klinikleitung einigten sich inzwischen darauf, das Projekt zu stoppen und die Anlage an Siemens zurückzugeben. Doch die Uni-Mediziner würde die große Maschine gerne retten. "Die ist einzigartig", sagt Jürgen Dunst, Professor für Radioonkologie in Kiel. "Sowas gibt es nicht einmal in Amerika".

Dunst und seine Kollegen würden die Anlage gerne nutzen. Man könnte in Kiel, so der Professor, jedes Jahr 1000 Patienten "auf sehr gutem Niveau behandeln." In ein bis zwei Jahren könne es losgehen. Die Uniklinik würde das Monstrum mit Hilfe von zwei kleineren Firmen aus Korea und Dänemark gerne von Siemens übernehmen und in eigener Regie betreiben. "Der kurzfristige Abbau der Anlage durch die Firma Siemens muss verhindert werden", sagt Dunst.

Doch der Konzern, der zu den führenden Medizintechnik-Anbietern der Welt gehört, will nicht mitspielen. Siemens hat mit der komplizierten Technik schon mehrere hundert Millionen Euro Verlust gemacht. Es kommt deswegen sogar zu Entlassungen. Die Angst, dass die Kieler Maschine dem Konzern weitere Horrorverluste einbringt, ist groß. Siemens traut den Professoren und ihren Partnern den Betrieb des Apparates nicht zu. "Die Anlage ist nicht fertiggestellt", sagt ein Siemens-Sprecher. "Es wäre noch ein erheblicher technischer Entwicklungsaufwand notwendig". Die hochkomplexe Anlage brauche umfangreiche technische Betreuung. Der Sprecher: "Wir sehen kein Konzept das diesen Anforderungen genügt". Die Erfolgwahrscheinlichkeit sei sehr gering. Der Konzernvertreter lässt keine Kompromissbereitschaft erkennen. "Siemens wird keinem Konzept zustimmen, das nicht einen dauerhaften Betrieb sicherstellt." Das Kieler Projekt werde scheitern.

Dunst sieht das anders. Die Maschinen müssten nicht ungedingt ständig weiterentwickelt werden. Sie reichten auf dem heutigen Stand "für eine effektive Behandlung der Patienten über mehr als zehn Jahre sicher aus". Siemens müsse nur die Unterstützung liefern, die er auch für ähnliche Anlagen in Heidelberg und Shanghai bereitstelle. Auch in Zukunft sei die Mitarbeit des Konzerns nötig - "und etwas guter Wille".

© SZ vom 16.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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