Süddeutsche Zeitung

Krebsstreit:Kalifornien ist sich sicher: Kaffee verursacht doch keinen Krebs

  • Die kalifornische Gesundheitsbehörde will ein Warnsiegel für Kaffeeprodukte kippen.
  • Ein Richter hatte zuvor Starbucks und Co. verpflichtet, auf die Krebsgefahr durch Kaffee hinzuweisen.
  • Die Wirkung des Stoffs Acrylamid, der beim Röstprozess entsteht, ist jedoch umstritten.

Von Johannes Kuhn, Austin

Seit einigen Tagen ist in kalifornischen Supermärkten eine Kaffeepad-Marke erhältlich, die den Namen "Death Wish Coffee" trägt. Doch der "Todeswunsch-Kaffee" mit dem Totenkopf-Logo, dessen Name sich aus seiner angeblichen Stärke ableitet, ist spät dran: Im März hatte ein kalifornischer Richter entschieden, dass Kaffeetrinken grundsätzlich eine Art Todeswunsch darstellt.

Er gab der bereits acht Jahre laufenden Klage einer gemeinnützigen Gesundheitsorganisation statt, Hunderte Kaffeeröster und Coffeeshop-Betreiber von Starbucks über McDonald's bis zu Oma-Cafés zu Krebshinweisen auf ihren Kaffeeprodukten zu verpflichten. Einige Coffeeshops hatten die Warnungen bereits länger prophylaktisch in ihren Läden platziert.

Das Urteil hatte heftige Diskussionen ausgelöst: Die entsprechende Substanz Acrylamid entsteht beim Röstprozess und hatte in hohen Dosen in Tierversuchen Krebszellen produziert. Beim Menschen konnte ein Zusammenhang nicht nachgewiesen werden, als unbedenklich gilt Acrylamid jedoch ebenfalls nicht. Weil es grundsätzlich bei der Erwärmung auf Temperaturen von mehr als 120 Grad entsteht, gibt es in Europa entsprechende Produktionsvorschriften zur Senkung des Acrylamidgehalts.

In Kalifornien hätten die Röster hohe Strafen zahlen müssen, wenn sie auf die Warnhinweise verzichtet hätten. Nun hat sich jedoch das Gesundheitsamt des Bundesstaats auf ihre Seite gestellt: Am Freitag legte die Behörde einen Vorschlag vor, Kaffee von der entsprechenden Warnliste zu streichen. Eine Prüfung von mehr als Tausend Studien, die diese Woche die Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegeben hatte, habe keinen ausreichenden Hinweis auf eine Krebsgefahr durch Kaffeegenuss ergeben. Damit korrigiert das Gesundheitsamt seine eigene Einschätzung von vor zehn Jahren.

Bekannt für seine Warnhinweise

Kalifornien ist im ganzen Land für seine Warnhinweise bekannt. 1986 hatten die Bürger in einer Volksabstimmung für eine Kennzeichnungspflicht von Produkten gestimmt, deren Bestandteile Krebs oder Geburtsdefekte auslösen können. Von anfangs 30 wuchs die Zahl der gelisteten Substanzen auf inzwischen mehr als 900.

Restaurants oder Supermärkte reagieren mit oft generischen Auszeichnungen auf Speisekarten und Regalen, die vage auf eine mögliche Gesundheitsgefahr der angebotenen Produkte hinweist, ohne Details zu nennen (zum Beispiel: "Bohren, sägen, schmirgeln oder die maschinelle Verarbeitung von Holzprodukten kann Sie Holzstaub aussetzen, einer Substanz, die dem Bundesstaat Kalifornien als Erreger von Krebs bekannt ist"). Neben Lebensmitteln sind auch Möbel, Geschirr oder Textilien häufiger mit Warnhinweisen versehen.

Hinter der Debatte um den Kaffee steckt auch die philosophische Frage, ob die Warnhinweise wirklich etwas verändern und ob der Staat nicht überreguliert. Befürworter verweisen darauf, dass Hersteller versuchen, den Warnhinweisen zu entgehen und deshalb inzwischen weniger Chemikalien einsetzen. Konsumenten ihrerseits würden bei ihrem Einkauf bewusster vorgehen.

Entscheiden die Kunden wirklich bewusster?

Gegner kritisieren, dass die Kennzeichnung keinen wissenschaftlichen Nachweis von Gesundheitsschäden für den Menschen voraussetzt und deshalb viel zu viele Produkte ein solches Label erhalten. Dies führe wiederum dazu, dass Konsumenten echte Gesundheitsgefahren und reine Pro-Forma-Kennzeichnungen nicht unterscheiden könnten - und deshalb das Label einfach ignorierten.

Der US-Kongress in Washington arbeitet im Moment an einem Gesetzentwurf , der wissenschaftsbasierte Kriterien für Warnhinweise auf Lebensmitteln oder anderen Produkten verlangt. "Wenn wir verpflichtende Krebswarnungen auf einer Tasse Kaffee haben, ist etwas völlig schief gelaufen", erklärte der demokratische Abgeordnete Kurt Schrader aus dem kalifornischen Nachbarstaat Oregon.

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