Krawall bei Eurotunnel:Der starke Arm der Kleinaktionäre

Dem politisch gewollten Prestigeprojekt Eurotunnel droht die Pleite — der Konzern erstickt an seiner Schuldenlast von 9 Milliarden Euro. Jetzt hat ein Zusammenschluß vieler Kleinaktionäre die Führungsmannschaft gestürzt.

Zehn Jahre nach Eröffnung des Tunnels unter dem Ärmelkanal versuchen Kleinaktionäre die Betreibergesellschaft Eurotunnel mit allen Mitteln vor der Pleite zu retten. In einer beispiellosen Aktion betrieben die Aktionärsrebellen am Mittwoch auf einer Hauptversammlung den Sturz des Vorstands und die Einsetzung einer neuen Führung. Die Börse feierte den Machtwechsel vorab mit einem Kursanstieg der Aktie um 9 Prozent auf 0,61 Euro.

Eurotunnel

Der Eurotunnel ist durchaus rentabel — wenn nur die grotesk hohe Schuldenlast nicht wäre. Foto: AP

Die alte Führung gibt auf

Die Eurotunnel France-Manche SA räumte ein, dass angesichts der Mehrheitsverhältnisse die alte Führung nicht zu halten sei. Entnervt gab ihr Kandidat für die Eurotunnel-Präsidentschaft, Philippe Bourguignon, vor Begin der Tagung auf. Der frühere Chef von Euro Disney und Club Méditerranée beklagte im Rundfunk den "Putsch" einer "Minderheit", der die Kleinaktionäre teuer zu stehen kommen werde.

Die Aktionärsrebellen um Nicolas Miguet sind empört über den Absturz der Eurotunnel-Aktie. Das Papier wurde 1987 für 5,33 Euro (35 Franc) ausgegeben und stieg bis auf 19,36 Euro, bevor es steil auf 0,50 Euro abstürzte. Eurotunnel hat mehr als eine Million Aktionäre, darunter 900.000 in Frankreich.

Alleine auf dem Schuldenberg

Das Unternehmen mit 3000 Mitarbeitern arbeitet rentabel, erstickt aber unter 9 Milliarden Euro Schulden. Bei 873 Millionen Euro Umsatz wies Eurotunnel 2003 wegen der horrenden Zinskosten einen Fehlbetrag von 1,89 Milliarden Euro aus. Wenn 2006 die Kredite fällig werden, droht die Insolvenz. Das Unternehmen könnte danach entschuldet wieder auferstehen, aber die Aktionäre hätten ihre Einlagen verloren.

An die Konzernspitze wollen die Rebellen den früheren Chef des Reiseunternehmens Nouvelles Frontières, Jacques Maillot, setzen. Die operative Führung soll der Sanierungsexperte Jean-Louis Raymond übernehmen, der sich bei Konzernen wie Lesieur und Beghin-Say einen Namen gemacht hat. Sie sollen das Unternehmen vor der Insolvenz retten, Staatsmittel besorgen und die Aktie wieder auf Höhenflug bringen.

Der Staat hält sich raus

Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens machten jedoch am Mittwoch klar, dass Eurotunnel wie bisher keine öffentliche Finanzhilfe erhalten wird. Im britisch-französischen Vertrag von Canterbury 1986 hatte Premierministerin Margaret Thatcher gegen den französischen Staatschef François Mitterrand durchgesetzt, dass das Jahrhundertprojekt ausschließlich privat finanziert wird.

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