Süddeutsche Zeitung

Krankenversicherung:Höhere Preise für Privatversicherer

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Die Branche erwirtschaftet wegen der niedrigen Zinsen weniger Erträge. Das werden nun auch die Kunden der privaten Versicherungen zu spüren bekommen. Und zwar, warnen die Konzerne, sogar recht deutlich.

Von Ilse Schlingensiepen, Berlin

In der Privaten Krankenversicherung (PKV) naht das Ende der Phase vergleichsweise stabiler Beiträge für die meisten Versicherten. Sie müssen mit deutlich steigenden Beiträgen rechnen. Wegen der niedrigen Zinsen erzielen die Unternehmen geringere Erträge bei der Kapitalanlage der angesparten Kundengelder. Das macht höhere Beiträge notwendig.

Die Warnung kommt von der Branche selbst. "Wir werden den Rechnungszins sukzessive senken müssen", sagte der Vorsitzende des PKV-Verbands und Chef des Marktführers Debeka, Uwe Laue, auf der PKV-Jahrestagung.

Das wird teuer für die Kunden. Wer privat versichert ist, zahlt mit einem Teil der Beiträge die aktuellen Arzt-, Krankenhaus- und Medikamentenkosten. Mit einem anderen Teil spart er für das Alter - damit er dann, wenn er deutlich kränker ist, nicht von den Kosten erdrückt wird. Das Geld fließt in Alterungsrückstellungen. Sie beliefen sich Ende 2015 auf stolze 219 Milliarden Euro.

Zweistellige Beitragserhöhungen sind sehr gut möglich, glauben Experten

Die Unternehmen legen dieses Geld auf dem Kapitalmarkt an. Bei der Gutschrift für die Kunden kalkulieren sie mit dem sogenannten Rechnungszins - den sie mindestens in den kommenden Jahren gutschreiben wollen. Der Zins hat lange Jahre 3,5 Prozent betragen. Seit der Umstellung auf die geschlechtsneutralen Unisextarife kalkulieren die Anbieter seit 2009 bei Neukunden nur noch mit 2,75 Prozent, manche auch mit weniger.

Inzwischen gelingt es keinem Versicherer mehr, die 3,5 Prozent für die Bestandskunden zu erwirtschaften. Sie müssen den Rechnungszins absenken. Pro 0,1 Prozentpunkte Absenkung steigen die Beiträge um 1,0 bis 1,5 Prozent. Dazu kommen die gestiegenen Gesundheitskosten: Zweistellige Beitragserhöhungen sind sehr gut möglich, glauben Experten deshalb.

Die Folgen des niedrigeren Zinses dürfen die Versicherer aber nicht sofort an die Kunden weitergeben. Dafür hat der Gesetzgeber gesorgt. Eine PKV-Gesellschaft kann nur dann die Preise erhöhen, wenn sie einen "auslösenden Faktor" vorweisen kann. Das sind entweder starke Steigerungen der Gesundheitskosten oder eine längere Lebensdauer der Kunden. Wenn die Gesellschaften wegen höherer Gesundheitskosten als "auslösendem Faktor" ihre Preise anpassen, was jetzt ansteht, müssen sie dann aber alle Veränderungen in ihren Kalkulationen einrechnen - auch die niedrigen Zinsen. Die Folge sind besonders saftige Erhöhungen.

Die Versicherer würden gerne das Recht haben, auch dann die Preise anzupassen, wenn nur die Zinslandschaft sich verändert. "Aber der Gesetzgeber hat die Vorschläge zur Änderung der auslösenden Faktoren bisher leider nicht aufgegriffen", beklagte Laue. Offenbar hat die Regierungspartei SPD kein Interesse daran. Schließlich will sie im nächsten Bundestagswahlkampf wieder für die Bürgerversicherung werben, also ein einheitliches Krankenversicherungssystem.

Schlagzeilen zu höheren PKV-Beiträgen und Beschwerden von Kunden kämen den Anhängern der Bürgerversicherung im nächsten Jahr gerade recht. Laue ärgert sich darüber, dass die Beitragserhöhungen bei den gesetzlichen Kassen (GKV) dabei meistens unberücksichtigt bleiben.

Seit Jahren leidet die PKV unter Kundenschwund in ihrem Kerngeschäft Vollversicherung. Ihre Zahl ging 2015 um 0,5 Prozent auf 8,8 Millionen weiter zurück. Die Gründe liegen nach Ansicht von Laue aber nicht in der mangelnden Attraktivität. Zum einen sei die gute Konjunktur verantwortlich: Viele vormals Selbständige haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden und müssen wieder Mitglied einer gesetzlichen Kasse werden. Zum anderen haben viele Anbieter die Billigtarife mit schlechteren Leistungen aufgegeben. Die damit angesprochene Kundengruppe - vor allem kleine Selbständige - fehlt jetzt.

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SZ vom 24.06.2016
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