Krankenversicherung für Beamte:Wie der Staat 60 Milliarden Euro sparen könnte

Krankenpfleger mit Bett

2014 gab der Bund für Beihilfen zur privaten Krankenversicherung 4,5 Milliarden Euro aus, die Bundesländer sogar 7,4 Milliarden Euro.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • 85 Prozent der Beamten sind Mitglied in einer privaten Krankenversicherung.
  • Nach Ansicht der Bertelsmann-Stiftung sollte sich das ändern. Dazu bräuchte es aber eine Versicherungspflicht für Beamte in der gesetzlichen Krankenkasse.
  • Bereits im ersten Jahr könnte Finanzminister Schäuble so 1,6 Milliarden Euro sparen, für die Bundesländer wären es weitere 1,7 Milliarden Euro.

Von Thomas Öchsner

Soll ich mich gesetzlich oder privat krankenversichern? Das ist für viele Gutverdiener immer noch eine knifflige Frage. Für die allermeisten Beamten ist dies nicht so: 85 Prozent der Staatsdiener sind Vollmitglied in einer privaten Krankenversicherung (PKV) - aus guten Gründen.

Der Staat trägt über die sogenannte Beihilfe in der Regel die Hälfte ihrer Krankheitskosten, bei Pensionären übernimmt der Staat sogar 70 Prozent. Die noch aktiven Beamten müssen deshalb für sich und ihre Familienangehörigen weniger in die PKV einzahlen. Im Durchschnitt waren es 2014 rund 241 Euro im Monat. Die Durchschnittsprämie aller PKV-Mitglieder lag dagegen bei 292 Euro.

Schon im ersten Jahr deutliche Ersparnis

Doch wie lange sollen Beamte davon noch profitieren können? Die Bertelsmann Stiftung fordert jetzt eine radikale Reform und schlägt vor, für die Staatsdiener so wie bereits für Arbeitnehmer eine Versicherungspflicht in einer gesetzlichen Krankenkasse einzuführen. "Wenn Beamte sich auch pflichtversichern müssten, würden nicht nur die meisten Länder finanziell profitieren, sondern auch der Bund. Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Die Stiftung hat das unabhängige und auf Gesundheitsfragen spezialisierte Iges-Institut in Berlin genau nachrechnen lassen. Das Ergebnis: Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen, würde Bund und Länder bis 2030 um insgesamt 60 Milliarden Euro entlasten, obwohl die staatlichen Arbeitgeber dann ja für die Staatsdiener die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags bezahlen müssten.

Bereits im ersten Jahr könnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) so 1,6 Milliarden Euro sparen, für die Länder wären es weitere 1,7 Milliarden Euro. Das Iges-Institut geht dabei davon aus, dass dann neun von zehn Beamten gesetzlich krankenversichert wären.

Die Berliner Forscher unterstellen bei ihrer Berechnung, dass die Ausgaben für Beihilfe in den nächsten Jahren deutlich anziehen. Bereits 2014 gab der Bund dafür 4,5 Milliarden Euro aus, die Länder mussten dafür sogar 7,4 Milliarden Euro springen lassen. Der Studie zufolge erhöhen sich diese Ausgaben für den Bund bis 2030 um 46 Prozent auf jährlich 6,6 Milliarden Euro. Für die Länder klettern die Kosten für die Beihilfe demnach sogar um mehr als 80 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro pro Jahr. Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung, sagt deshalb: "Angesichts der Schuldenbremse muss der Ausstieg aus dem Beihilfesystem für Beamte eingeleitet werden."

"Merkliche Umsatzausfälle"

Von einem solchen Systemwechsel würden auch die Krankenkassen und deren Versicherte profitieren: Nach den Berechnungen der Forscher erhöhen sich mit der zusätzlichen Versorgung der Beamten und Pensionäre die Ausgaben um knapp zwölf Milliarden Euro jährlich. Auf der anderen Seite würden aber die Krankenkassen durch die Beiträge der neuen Mitglieder gut 15 Milliarden Euro mehr einnehmen. Der Beitrag von derzeit 14,6 Prozent (ohne Zusatzbeitrag) ließe sich dann um mindestens drei Zehntel verringern.

Bei einem solchen Systemwechsel stellen sich aber mindestens drei wichtige Fragen:

Geht das juristisch so einfach? Zumindest Thorsten Kingreen, Rechtsprofessor an der Universität Regensburg, sagt dazu: "Die Beihilfe gehört nicht zu den durch die Verfassung geschützten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Sie kann daher in ein System der Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen überführt werden."

Was passiert mit den Altersrückstellungen der Beamten in der PKV? In der Studie werden diese auf immerhin 72 Milliarden Euro geschätzt. Die Forscher merken dazu an: "Sollen die Mittel weiter ihre Funktion erfüllen, Beitragsbelastungen für diese Versicherten im Alter zu mindern, wären sie an die gesetzliche Krankenversicherung zu übertragen, wobei dies sukzessive im Zeitverlauf geschehen könnte."

Welche Folgen hat dies für die Honorare im Gesundheitssystem? Hier räumen die Autoren der Studie ein, dass dies "zu merklichen Umsatzausfällen" bei niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern und den dort arbeitenden Chefärzten führen würde. Ärztliche Leistungen für Privatpatienten seien nämlich im Durchschnitt 2,6 mal so teuer wie die gleichen Leistungen für gesetzlich Versicherte. Ärzte und Krankenhäuser würden daher "in erheblichem Umfang vom System der Beamtenversorgung" profitieren. Würde man - wie von der Bertelsmann Stiftung gefordert - das System umstellen, entgingen ihnen nach den Berechnungen des Iges-Instituts jährlich gut sechs Milliarden Euro an Mehreinnahmen.

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