Wer sich zu krank fühlt, um arbeiten zu gehen, muss nicht mehr in die Praxis, sondern kann sich auch per Videosprechstunde von der Ärztin oder dem Arzt krankschreiben lassen. Möglich ist das seit Oktober 2020. Es war der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der die Videosprechstunde als Reaktion auf die Pandemie auf den Weg brachte.
Dem GBA kommt im Gesundheitswesen eine zentrale Rolle zu. In dem Gremium sitzen Vertreter von Krankenkassen, Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern. Sie entscheiden, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Dabei gibt es oft harte Auseinandersetzungen. Patienten werden angehört, dürfen aber nicht mitentscheiden. Unparteiischer Vorsitzender ist seit Juli 2012 Josef Hecken, einst saarländischer Gesundheitsminister (CDU).
Kritiker - nicht zuletzt Gesundheitsminister Jens Spahn - werfen dem GBA vor, zu langsam zu arbeiten. Nun wehrt sich das Gremium gegen die Vorwürfe. Nach Ansicht des Vorsitzenden Hecken zeige die Pandemie gerade das Gegenteil.
79 Corona-bedingte Sonderregelungen habe man bislang beschlossen, schreibt er im aktuellen Bericht an den Gesundheitsausschuss des Bundestages. Der GBA muss einmal pro Jahr darlegen, dass er die gesetzlichen Fristen bei seinen Beratungsverfahren eingehalten hat. "Im aktuellen Bericht zeigt sich, dass der GBA nicht nur den beständig zunehmenden Arbeitsaufwand seiner 'Routineaufgaben' zügig und fachlich-hochkompetent bewältigt, sondern auch, dass er in Ausnahme- und Krisensituationen schnell handlungsfähig ist", schreibt er.
Von April 2020 bis März 2021 hat der GBA mit 96,8 Prozent nahezu alle 985 Verfahren in den gesetzlich vorgesehenen Fristen erledigt. Arbeitsschwerpunkte sind Arzneimittel, die Qualitätssicherung und neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Der GBA prüft etwa, ob Innovationen einen Nutzen für die Patienten haben, medizinisch notwendig sowie wirtschaftlich sind. Nur bei sechs der insgesamt 183 bearbeiteten Verfahren wurde die gesetzliche Frist überschritten.
"Damit widerlegt der GBA die Behauptung, seine Beratungen zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden würden grundsätzlich zu lange dauern und Innovationen ausbremsen", betont Hecken. Er bezieht sich dabei auch auf eine kürzlich veröffentlichte Studie von Duisburger Gesundheitsökonomen. Demnach erhalten Privatpatienten neue Leistungen in der Regel deutlich schneller als gesetzlich Versicherte. Die Studie bezog sich allerdings auf GBA-Beschlüsse zwischen Anfang 2010 bis Ende 2019. Damals galten andere Fristen.
Zu den Verfahren, die noch nicht abgeschlossen sind, gehören vorgeburtliche molekulare Tests zur Feststellung einer möglichen Behinderung des Kindes. Damit kann eine Fruchtwasserpunktion bei der Schwangeren vermieden werden. Der GBA hat die Erstattungsfähigkeit im September 2019 beschlossen. Es fehlt aber noch die verpflichtend vorgesehene Information für die Versicherten. Zu Verzögerungen kam es nicht zuletzt durch die Pandemie. Hecken rechnet mit einem Abschluss des Verfahrens im dritten Quartal 2021.