Süddeutsche Zeitung

Krankenkassen:Sich regen bringt Geld

Viele Krankenkassen fördern gesundheitsbewusstes Verhalten ihrer Mitglieder mit Bonuszahlungen oder Zusatzleistungen. Das System hat aber Schwächen.

Von Catrin Gesellensetter

Krankenkassen, die Geschenke verteilen? Das gibt es, allerdings nicht ohne Hintergedanken. Die Idee: Versicherte, die gesund leben, werden seltener krank - und kosten weniger. Deshalb sollten die 110 gesetzlichen Kassen in Deutschland laut Gesetz bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Mitglieder belohnt werden können - und das haben sie auch getan. Allerdings fehlt dabei eine klare Linie. Jede Kasse müsse eben selbst bewerten, mit welchen Anreizen sie ihre Versicherten motiviert, heißt es dazu beim GKV-Spitzenverband. Wenn Versicherte die Programme sinnvoll nutzen wollen, müssen sie einiges beachten.

Wer kann die Programme nutzen?

Viele Angebote stehen allen Mitglieder einer Kasse offen, andere richten sich dagegen nur an Kinder und Jugendliche, Erwachsene oder Senioren. Sonderregeln gibt es zum Teil auch für Familienversicherte. Je nach Kasse und Bonusmodell gelten für sie oft andere Regeln als für die zahlende Klientel. So können die Boni für beitragsfrei Mitversicherte begrenzt sein, warnt Regina Behrendt, Gesundheitsreferentin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Zum Teil wählen die Kassen auch nach gesundheitlichen Kriterien aus. So definierten einige Anbieter für bestimmte Programme einen körperlichen Idealzustand, etwa einen Body Mass Index im Normalbereich oder einen niedrigen Blutdruck, sagt Viviane Scherenberg, von der Apollon Hochschule für Gesundheitswirtschaft. Mit Prävention habe das aber nur noch wenig zu tun. "Mit einer solchen Vorauswahl sprechen die Kassen vor allem gesunde Menschen an und erzeugen Mitnahmeeffekte", kritisiert die Expertin. "Diejenigen, die es wirklich nötig hätten, etwas für ihre Gesundheit zu tun, bleiben außen vor."

Was müssen Versicherte tun, um die Prämie zu erhalten?

Typischerweise honorieren die Kassen regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, Blutspenden oder empfohlene Impfungen und zertifizierten Sportkurse. Auch wer nachweist, dass er ein Seminar zu bewusster Ernährung oder Stressbewältigung besucht hat, wird häufig belohnt. Die Details variieren aber. Einige Anbieter zahlen beispielsweise schon, wenn das Mitglied belegt, ein einziges geführtes Lauftraining absolviert zu haben, andere arbeiten mit Punkten und schütten den Bonus erst aus, wenn ein bestimmter Wert erreicht ist. "Ein wichtiger Trend ist es zudem, die eigenen Anstrengungen nicht mehr nur analog, sondern auch digital, per App zu dokumentieren", sagt Scherenberg. "Das kann gerade bei jungen Versicherten die Schwelle für ein gesundheitliches Engagement senken - wirft aber leider oft datenschutzrechtliche Probleme auf."

Welche Prämien gibt es?

Auch hier gilt: Erlaubt ist, was gefällt. Viele Kassen bieten Barzahlungen von 50 bis zu mehreren Hundert Euro an. Teils gibt es sogar Einkaufsgutscheine im Wert von bis zu 720 Euro. Verbreitet gibt es zudem Sachprämien: von der Körperfettwaage über den Fitnesstracker bis hin zu Kaffeemaschinen und Akkubohrern.

Häufig können die gesammelten Punkte auch in zusätzliche Gesundheitsleistungen umgewandelt werden. Dieses System bietet unter anderem die derzeit mitgliederstärkste Krankenkasse, die Techniker, an: Hier sind die Zuschüsse zu Gesundheitsleistungen stets doppelt so hoch wie die entsprechende Barprämie. Wer beispielsweise neue Brillengläser braucht oder eine professionelle Zahnreinigung möchte, fährt so oft deutlich besser als mit einer schnöden Überweisung.

Kann eine Kasse Boni verweigern?

Ja. Etliche Anbieter knüpfen ihre Bonuszahlungen an eine ungekündigte Mitgliedschaft. "Wer seine gesammelten Punkte und Prämien nicht verlieren möchte, sollte seiner Kasse erst den Rücken kehren, wenn er die Belohnung schon hat", rät Verbraucherschützerin Behrendt. Liegt hingegen das Kündigungsschreiben zur Zeit der Ausschüttung schon bei der Kasse vor, erlischt oft der Anspruch auf die vereinbarte Prämie.

Fallen auf Barprämien Steuern an?

Grundsätzlich gilt: Beiträge für den Basisschutz im gesetzlichen System lassen sich in der Steuererklärung als Sonderausgaben geltend machen und mindern so die Steuerlast. "Wer sich von der Kasse eine Barprämie auszahlen lässt, erleidet also möglicherweise einen Steuernachteil, weil er dadurch seine Sonderausgaben mindert", warnt Daniel Fries, Steuerberater aus Landsberg am Lech. Zwar hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Bonusleistungen der Kassen in bestimmten Fällen steuerneutral sein müssen (Az. X R 17/15) - das gilt aber nur, wenn das Geld in eine Gesundheitsmaßnahme fließt, die nicht im regulären Versicherungsumfang der Kassen enthalten ist und für die der Versicherte erst einmal Geld vorstrecken muss. Anders ausgedrückt: "Nur wer seinen Bonus reinvestiert, etwa um günstiger an neue Brillengläser oder eine Akupunktur zu kommen, für den ist die Maßnahme steuerneutral", sagt Fries.

Einige Kassen, zum Beispiel die Barmer GEK oder die Siemens Betriebskrankenkasse, bieten ihren Mitgliedern zudem die Möglichkeit, ihre Prämie zu spenden. Wer sich für diese Option entscheidet, muss keine Probleme mit dem Fiskus befürchten. Steuerberater Fries: "Zwar mindert die Auszahlung den Sonderausgabenabzug. Die Spende erhöht ihn aber direkt wieder um den gleichen Betrag, sodass die Bilanz am Ende ausgeglichen ist."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4106241
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.08.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.