Krankenkasse BKK IHV kooperiert mit Abtreibungsgegnern:300 Euro Prämie für ein Baby

Eigentlich müssen Krankenkassen legale Schwangerschaftsabbrüche finanzieren. Ein Versicherer aus Wiesbaden arbeitet allerdings mit Abtreibungsgegnern zusammen. Die zahlen Frauen sogar eine Prämie fürs Kinderkriegen - wenn sie sich verpflichtet haben, nicht abzutreiben. Jetzt könnte der Versicherungschef Ärger bekommen.

Alina Fichter

Heinz-Werner Stumpf, grauer Kurzhaarschnitt, goldener Ring am linken Ohrläppchen, penibel gestutzter Schnurrbart, steht - zumindest sagt er das in einem Amateurvideo, in dem er für sich selbst als künftiger Oberbürgermeister von Mainz wirbt, und auch sonst eher redselig ist - für: "Ehrlichkeit und Transparenz".

Deutlich zurückhaltender reagiert der 58-Jährige plötzlich, wenn man ihn auf die Machenschaften der Betriebskrankenkasse für Industrie, Handel und Versicherungen (BKK IHV) anspricht, deren Chef er ist. Nein, keinerlei Auskünfte am Telefon, er antworte grundsätzlich nur per E-Mail. Ehrlichkeit und Transparenz? Das mag so recht nicht passen zu Stumpf und seiner BKK.

Auf der Internetseite der Wiesbadener Krankenkasse fällt als erstes der hellblaue Schriftzug "ProLife Deutschland" auf. Ein Klick öffnet den Blick auf ein in Deutschland einmaliges Angebot: ProLife zahlt seinen Kunden eine Art Mutter-Prämie, "Baby-Willkommens-Geld" genannt, 300 Euro pro Neugeborenem. Deutlich bedenklicher ist allerdings, dass Mitglieder unterschreiben müssen, freiwillig auf Abtreibungen verzichten. Von den 16.000 Versicherten der BKK IHV ließen sich offenbar rund 1000 darauf ein.

Kein Wunder, wenn man bedenkt, wer für ProLife wirbt. Da ist etwa die Marianische Liga, eine katholische Frauenvereinigung. Und die umstrittene Piusbruderschaft, eine Vereinigung katholischer Traditionalisten, die auf lateinische Messen beharrt und die, selbstverständlich, Abtreibungen ablehnt. Durch die Mitgliedschaft bei ProLife, so schreiben die Brüder im Netz, könne jeder seine "Stimme gegen Abtreibung erheben"; alle, die sich fürs Leben einsetzen, könnten sich sammeln; direkter Link zum Aufnahmeantrag.

Kein Wunder, wenn man sich die Verbindungen von ProLife ansieht: Das Unternehmen ist ein Ableger der gleichnamigen Schweizer Organisation, die sich gegen Abtreibung einsetzt. Und sie ist laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel Nachfolgerin einer Sekte namens "Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis".

Das Bundesversicherungsamt, das über die deutschen Krankenkassen wacht, sieht all das "kritisch" und überprüft Stumpfs Kasse daher seit 2011. Wichtiger Grund: Kassen sind zur Neutralität verpflichtet, es ist ihnen also untersagt, mit weltanschaulichen Zielen zu werben. Und es ist ihre gesetzliche Pflicht, legale Schwangerschaftsabbrüche zu finanzieren. Man erbringe alle gesetzlichen Leistungen, mailt Stumpf, der in Mainz übrigens für eine Bürgerbewegung ehemaliger Mitglieder der Republikaner antritt. Mehr will er nicht sagen.

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