Krankenbetreuung:So geht Urlaub von der Pflege

Wohngemeinschaft für Demenzkranke

In Pflegeheimen können auch zeitweise Menschen unterkommen, die sonst zu Hause gepflegt werden.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Wer täglich einen Angehörigen versorgt, hat Anspruch auf freie Zeit und Geld. Ein Überblick.

Von Berrit Gräber

Viele Menschen in Deutschland kommen gerade aus dem Urlaub oder sind noch in Ferien. Es gibt aber auch Menschen, die durcharbeiten, Jahr für Jahr: 1,5 Millionen Frauen und Männer betreuen täglich ein krankes Familienmitglied. Nicht alle pflegenden Angehörigen wissen, dass auch sie einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Urlaub haben. Andere scheuen ganz davor zurück, ihren Mann oder die Großmutter in die Obhut einer Ersatzpflege zu geben, berichtet Gisela Rohmann, Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Dem Kranken ist aber nicht geholfen, wenn sein Betreuer selbst am Ende der Kräfte ist oder wegen Krankheit ausfällt. "Holen Sie sich Hilfe bei der Pflegekasse", sagt Belinda Hernig, Pflegespezialistin beim Verband der Ersatzkassen (VDEK) in Berlin. Wenn nötig, auch auf die Schnelle. Aber: Die Sache ist kompliziert. Die Leistungen aus der Pflegeversicherung sind zwar mittlerweile verbessert, aber kein Rundum-sorglos-Paket. Mit echtem Urlaubsgeld hat das Ganze schon nichts zu tun. Wer überlastet ist und dringend eine Auszeit von der Pflege braucht, bekommt damit aber eine Chance auf Erholung.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Grundsätzlich gibt es für pflegende Angehörige zwei Möglichkeiten, Urlaub von der Pflege zu machen: Die Verhinderungspflege, bei der der Kranke zu Hause von einem Ersatz versorgt wird - vorausgesetzt, der Patient wurde zuvor schon mindestens sechs Monate lang zu Hause betreut. Zweitens die Kurzzeitpflege: Dann kommt der Patient vorübergehend in ein Heim.

Bei der ersten Variante daheim stehen den Pflegenden sechs Wochen Auszeit im Kalenderjahr zu, bei der vorübergehenden Unterbringung des Kranken im Heim maximal acht Wochen. So ist es im Sozialgesetzbuch (SGB XI, Paragraf 39 und 42) festgeschrieben. Der Urlaub muss nicht an einem Stück genommen werden. Er kann auf mehrere Kurzurlaube und Auszeiten verteilt werden.

Eine dritte Variante ist die sogenannte niedrigschwellige Betreuungsleistung. Damit lassen sich ein paar Stunden Vertretung bei anerkannten Betreuungsdiensten organisieren. Jede Form von Unterstützung muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Die Varianten lassen sich auch noch kombinieren, sagt Fachfrau Hernig: "Es gibt viele Möglichkeiten, die Pflege flexibel zu gestalten, gute Beratung ist wichtig."

Welche Kosten werden übernommen?

Genau rechnen lohnt. Die Kosten für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege übernehmen die Pflegekassen der Krankenkassen bis zur Grenze von jeweils 1612 Euro im Jahr, unabhängig von der Pflegestufe des Patienten. Was an Mehrkosten anfällt, muss in der Regel selbst bezahlt werden. Finanzielle Entlastung bringt zudem, dass die Hälfte des regulären Pflegegeldes während der Verhinderungs- sowie während der Kurzzeitpflege weitergezahlt wird. Wichtig: Ist die vorübergehende Unterbringung des Kranken in einem Heim erforderlich, kann außerdem noch der volle Betrag für die Verhinderungspflege dazu kommen. So stehen dann bestenfalls insgesamt 3224 Euro für den Heimplatz zur Verfügung. Für die Variante der Verhinderungspflege, also die Ersatzlösung daheim, darf nur die Hälfte der 1612 Euro für die Kurzzeitpflege noch dazugerechnet werden. Das macht insgesamt dann 2418 Euro.

Außerdem haben alle Betroffenen noch die Chance auf zusätzlich 104 Euro an Betreuungsleistung im Monat, in besonderen Fällen auf 208 Euro.

Was fällt zusätzlich fürs Heim an?

Eine vorübergehende Heimunterbringung, also die Kurzzeitpflege, ist in der Regel die teuerste Lösung. Wer ein, zwei Wochen verreisen und den Pflegebedürftigen in dieser Zeit stationär rund um die Uhr versorgt wissen will, sollte sich frühzeitig um einen Heimplatz bemühen, sagt Rohmann. Zur Hauptreisezeit kann es Engpässe geben, je nach Region und Nachfrage. Wichtig: Die Pflegekasse zahlt nur die Kosten für die Pflege. Je höher die Pflegestufe des Kranken und je teurer das Heim, desto schneller sind die zur Verfügung stehenden Mittel erschöpft. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung müssen selbst getragen werden. Das Pflegegeld fließt zwar zur Hälfte weiter und das Betreuungsgeld von 104, beziehungsweise 208 Euro darf eingesetzt. Das kann die Finanzierungslücke aber oft nicht stopfen. Reichen Einkommen und Vermögen nicht aus, hilft das Sozialamt unter Umständen weiter.

Wer sollte einen zu Hause ersetzen?

Die Verhinderungspflege daheim, ob wochen-, tage- oder stundenweise, lässt sich häufig schneller organisieren. "Das nehmen immer mehr Pflegende in Anspruch", sagt Hernig vom Verband der Ersatzkassen. So kann ein Profi vom ambulanten Pflegedienst als Urlaubsvertretung engagiert werden. Weil das teuer ist, suchen viele Familien Ersatz aus dem Freundeskreis. Springen etwa Nachbarn oder Freunde ein, wird eine Vergütung vereinbart, die die Pflegekasse dann bis zu 1612 Euro übernimmt. Springen nahe Verwandte ersten oder zweiten Grades ein, beispielsweise die Schwester, Schwägerin oder Enkelin, fließt anteilig nur das, was dem Pflegegeld entspricht. Die Kasse zahlt höchstens noch für Verdienstausfall oder Fahrtkosten. Nur wenn nahe Verwandte erwerbsmäßig, also mehrfach im Jahr, unterschiedliche Kranken vertretungsweise pflegen, stehen ihnen die 1612 Euro zu.

Was, wenn man mit dem Kranken reist?

Dafür gibt es immer mehr Angebote, um sich die Auszeit gemeinsam mit den Kranken zu nehmen. Spezialisierte Pflegehotels oder auch Ferienhäuser von Wohlfahrtsverbänden und privaten Trägern bieten häufig Ersatz- oder Kurzzeitpflege an. Die Pflegenden können also Urlaub machen, während der Angehörige am gleichen Ort versorgt wird. Auch wenn der Pflegende auf Reha muss, besteht die Möglichkeit, den Kranken mitzunehmen, sagt Hernig. Beratung in allen Fragen bieten die Pflegekassen sowie die Pflegestützpunkte in den Bundesländern unter: pflegelotse.de oder pflegestuetzpunkte-deutschlandweit.de.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: