Telekom und VW:Und trotzdem kann's Bestechung sein

"Beim Mord braucht man eine Leiche, bei der Bestechung muss kein Geld geflossen sein": Der Fall rund um die Großkonzerne Telekom und VW ist kompliziert. Wie die Staatsanwaltschaft wegen eines geplanten Deals im Sportsponsoring ermittelt.

H. Leyendecker und K. Ott

Die Befindlichkeit des Fußballvereins VfL Wolfsburg ist momentan weit entfernt von jener legendären Win-win-Formel, die in den siebziger Jahren Wissenschaftler der Harvard-Universität entwickelten. Das Konzept soll helfen, Streitfragen so zu verhandeln, dass am Ende beide Parteien profitieren. Doch der Verein kämpft gegen den Abstieg - mit "win" ist derzeit überhaupt nichts.

Ermittlungen wegen Bestechungsverdachts bei Telekom und VW

Korruption durch Sponsoring? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

(Foto: dpa)

Angesichts des fußballerischen Alltags zwischen Morgen und Grauen nahmen es die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Vereins eher gelassen hin, dass sie vorige Woche schon sehr früh von der Staatsanwaltschaft heimgesucht wurden. Die Strafverfolger sammelten in der Geschäftsstelle allerlei Unterlagen über einen Sponsorenvertrag mit der Telekom-Tochter T-Systems ein.

Seit einiger Zeit ermitteln Stuttgarter Strafverfolger gegen zwei frühere Manager und einen ehemaligen Berater von T-Systems sowie gegen zwei Mitarbeiter von VW wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

Es gibt in diesem Fall zwei Theorien, denen die Ermittler nachgehen.

Theorie eins: T-Systems-Manager sollen versucht haben, durch eine Verlängerung des Mitte 2010 ausgelaufenen Sponsor-Vertrages beim VfL Wolfsburg im Gegenzug von Volkswagen Aufträge über mehrere hundert Millionen Euro zu erhalten. VW ist Hauptgeldgeber des spielerisch notleidenden Fußballvereins.

Theorie zwei: Weil die Mitarbeiter von VW, die ein großes Herz für den Heimatverein haben, unbedingt den Sponsorenvertrag mit der Telekom-Tochter retten wollten, sollen sie den Leuten von T-Systems große Aufträge des Wolfsburger Autokonzerns angeboten haben. Beide Mitarbeiter, gegen die ermittelt wird, gehören der Einkaufsabteilung von Volkswagen an. Die ersten Gespräche über die geplante Verlängerung des Vertrages fanden Anfang vergangenen Jahres statt.

Wenn Zwei sich freuen, leidet der Dritte

Eigentlich peilten alle eine Win-win-Situation an, von der alle Beteiligten profitieren sollten. Früher hieß so etwas Mischkalkulation und galt schlimmstenfalls als raffiniert. Eine Hand wäscht die andere, sagen besonders Rheinländer gern und häufig und vergessen meist den Zusatz, dass die Waschaktion in der Regel zuungunsten eines Dritten ist.

Genau da liegt auch das Problem des Falles. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat bei ihren Ermittlungen den Paragraphen 299 des Strafgesetzbuches besonders im Blick. Der soll unter anderem den lauteren und fairen Wettbewerb schützen. Geld muss hier nicht geflossen sein. Strafbar kann sich schon machen, wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für sich fordert, sich versprechen lässt oder annimmt und dann im Wettbewerb den Gönner in "unlauterer Weise" bevorzugt.

Nach der im Jahr 2007 eingeleiteten Reform des Paragraphen 299 kommt es mittlerweile sogar nur noch darauf an, dass die andere Seite den Vorteil als Gegenleistung für die Bevorzugung begreift. Hier der angekündigte Sponsorenvertrag, dort der angekündigte Großauftrag. Lateinkundige Juristen sprechen bei solchen Konstellationen vom "dolus directus ersten Grades".

Bestechung geht auch ohne Geld

Das versteht kaum jemand auf dem Fußballplatz, und das hat auch mit dem üblichen Bild der Korruption wenig zu tun. Da muss immerzu jemand geschmiert und bestochen worden sein. Bestechung kann aber auch ohne direkte Zuwendung funktionieren.

"Beim Mord braucht man eine Leiche, bei der Bestechung muss kein Geld geflossen sein", sagt die Stuttgarter Staatsanwältin Claudia Krauth, deren Behörde den Fall untersucht. Der neue Sponsorvertrag zwischen Telekom und VfL soll fast schon unterschriftsreif gewesen sein.

Erschwerend kommt für die Beschuldigten hinzu, dass die Stuttgarter Ermittler auch den Paragraphen 300 des Strafgesetzbuches im Blick haben. Der regelt alle "besonders schweren Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr". Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die "Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht".

Das könnte wegen der enormen Höhe erhoffter VW-Aufträge für die Telekom der Fall sein. Es ging um mehrere hundert Millionen Euro. Die Entstehungsgeschichte der Affäre ist eher banal. Mitte der neunziger Jahre hatte VW seine IT-Tochter Gedas an die Deutsche Telekom AG verkauft. Gedas unterhielt einen Sponsorenvertrag mit dem VfL Wolfsburg, und der wurde dann von T-Systems übernommen.

Jährlich sollen etwa vier Millionen Euro an den Verein gezahlt worden sein. Bevor der Vertrag auslief, sollen die Beschuldigten den dolus directus versucht haben. Das ging schief, wie so vieles beim VfL Wolfsburg in diesen Tagen.

Neue Telekom-Philosophie missachtet

Ein anonymer Informant soll die Telekom darauf aufmerksam gemacht haben, mit welchen Methoden angeblich T-Systems-Mitarbeiter gearbeitet hätten. Die strikte Trennung von Sponsoring und Kundenwerbung, die zur neuen Philosophie des affärengeschüttelten Telefon-Konzerns gehört, sei missachtet worden.

Die Telekom schaltete die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein; und die prüft nun, ob sich der Verdacht bewahrheitet oder nicht. Im Zeitalter der alten Mischkalkulation wäre ein Mitarbeiter für ein solches Gegengeschäft wohl noch belohnt worden. In späteren Zeiten wäre er bei einer Tochterfirma untergebracht worden, um Aufsehen zu vermeiden. Oder er wäre geräuschlos ausgeschieden und hätte einen hochdotierten Beratervertrag erhalten.

Heutzutage ruft ein Unternehmen den Staatsanwalt ins Haus. Der Fall zeigt auch, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Weiße-Kragen-Kriminalität nur am Rande interessierte. Bundesweit kümmern sich rund zwanzig Schwerpunktstaatsanwaltschaften um Fälle vermuteter Wirtschaftskriminalität.

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