Süddeutsche Zeitung

Korruptionsverdacht bei Media-Saturn:Zoff ist geil!

Merkwürdige Geldflüsse, teure Einladungen und eine Razzia: Vordergründig geht es beim Streit rund um die Metro-Tochter Media-Saturn um Korruption. Doch in Wahrheit kämpfen die Akteure um die Macht im Hause. Bald kommt es in Ingolstadt zum Showdown.

Uwe Ritzer

Die eigenen Slogans heißen "Geiz ist geil" oder "Geil ist geil". Doch die sind bei weitem nicht so originell wie die Vorgänge im Ingolstädter Konzern Media-Saturn. Da ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Korruption und kam neulich zur Razzia. Und da kämpfen die Eigentümer von Europas größtem Elektronikhändler - der Düsseldorfer Handelsriese Metro und der Firmengründer Erich Kellerhals - vor Gericht um die Macht. Bislang hatte das eine mit dem anderen nichts zu tun, doch das hat sich nun geändert. Zwischen der großen Metro AG und Kellerhals ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob ein unter Korruptionsverdacht stehender Top-Manager von Media-Saturn zumindest vorläufig seinen Hut nehmen muss.

Wie die SZ aus Firmenkreisen erfuhr, wollte die Metro vor wenigen Tagen per Gesellschafterbeschluss im Umlaufverfahren dem Beschuldigten nahelegen, sich bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aus der neunköpfigen Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding zurückzuziehen. Damit er sich ganz auf seine Verteidigung vorbereiten könne. Bei Weigerung sollte der Mann vorläufig suspendiert werden. So dachte die Metro offenbar, ein klares Zeichen nach außen senden zu können. Doch dazu kam es nicht.

Die beiden Altgesellschafter Erich Kellerhals und Leopold Stiefel legten ihr Veto ein. Die Beweislage gegen den Manager sei zu dünn, meinten sie, "Außer einem anonymen Schreiben liegt Herrn Kellerhals keine Information vor, die belegt, dass der Manager etwas falsch gemacht hat", bestätigt ein Kellerhals-Sprecher auf SZ-Anfrage. Formal gehören der Metro zwar rund 75 Prozent an Media-Saturn, doch Gesellschafterbeschlüsse müssen laut Satzung mit mindestens 80 prozentiger Mehrheit der Anteilseigner gefällt werden. Kellerhals verfügt mit seinen 22 Prozent über eine Sperrminorität. Er kann wichtige Entscheidungen blockieren - entsprechend aufgeheizt ist die Stimmung.

Längst ist das Ganze auch ein persönliches Duell: Hier Metro-Chef Eckhard Cordes, 60, der Konzernmanager, der einst großer Stratege an der Seite von Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp war. Er will endlich nicht nur auf dem Papier, sondern auch tatsächlich das Sagen in Ingolstadt haben. Auf der anderen Seite der Gegenspieler Erich Kellerhals, 71, der dank Media-Saturn zum Milliardär wurde. Im Streit um die Sperrminorität scheint er juristisch die besseren Karten zu haben.

Es geht um Macht und Einfluss. Kellerhals will zum Beispiel das sogenannte "Cash-Pooling", die Gemeinschaftskasse mit den Metro-Töchtern Real, Kaufhof sowie Cash & Carry abschaffen. Dabei wird der Überschuss aus den Tageseinnahmen aller Teilnehmer zentral verwaltet - und den Firmen zur Verfügung gestellt. Dazu kommt nun noch die jüngste Korruptions-Causa.

Die Geschichte mit der Bestechlichkeit weitet sich zum Leidwesen der Metro-Leute aus. Ausgerechnet in der Elektronikkette, dem lange Zeit profitabelsten Unternehmen im Metro-Verbund. Und die Vorwürfe gegen den einen Geschäftsführer und zwei weitere leitende Mitarbeiter von Media-Saturn sind offenbar schwerwiegender als bekannt.

Nach SZ-Informationen geht die Augsburger Staatsanwaltschaft von einem besonders schweren Fall von Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit aus. Das sei gewerbs- und bandenmäßig organisiert gewesen. Die Justiz ermittelt gegen sechs Beschuldigte, von denen vier sehr eng kooperiert haben sollen. Der Verdacht: Der Media-Saturn-Manager und zwei weitere leitende Mitarbeiter sollen jeweils einen sechsstelligen Betrag kassiert haben. Und zwar im Gegenzug dafür, dass der hessische Geschäftsmann Peter N. in deutschen Media- und Saturn-Märkten von 2006 an Verträge für DSL, Telefon und Mobilfunk verkaufen durfte. Ein Auftrag über mehr als 50 Millionen Euro.

Vor einem Jahr waren anoyme Briefe zunächst bei Media-Saturn eingegangen. Später war die Augsburger Staatsanwaltschaft Adressat. Der Verfasser verfügt wohl über reichlich Insiderwissen, resümiert ein interner Untersuchungsbericht, den die Wirtschaftsprüfer von KPMG im Auftrag von Media-Saturn erstellten. Viele Informationen aus dem Brief würden stimmen. Ob Bestechlichkeit vorlag, dazu schweigt der Bericht.

Die Ermittler sollen auf einen merkwürdigen Geldfluss gestoßen sein. Es geht um 800.000 Euro. Sie wurden von einer der Firmen von Peter N. einer anderen Firma in Rechnung gestellt. Einer Firma, an der zum fraglichen Zeitpunkt die Ehefrau eines Media-Saturn-Managers beteiligt gewesen sein soll. Die Staatsanwaltschaft vermutet dahinter eine Scheinrechnung ohne entsprechende Gegenleistung. Peter N., der ebensowenig wie sein Anwalt für eine Stellungnahme erreichbar war, kontrollierte ein Geflecht von Promotion-Firmen wie Addvision oder Marketing Vision, die meist in Wetzlar ansässig waren. Viele der Unternehmen sind inzwischen pleite.

Die KPMG-Prüfer stießen auch auf ein merkwürdiges Kreditgeschäft. So gewährte die deutsche Landesgesellschaft von Media-Saturn einer Firma von Peter N. im Jahr 2007 einen Kredit über 300 000 Euro. Der Vertrag trägt auch die Unterschrift des nunmehr beschuldigten Mitglieds aus der Media-Saturn-Geschäftsführung. Das Geld scheint als Anschubfinanzierung für die Promotions-aktivitäten in Elektronik-Märkten gedacht gewesen zu sein. Der Kredit wurde zwar mit acht Prozent verzinst, doch wurden offenbar keinerlei Sicherheiten vereinbart, monierten die KPMG-Prüfer.

Alle Beschuldigten bestreiten jegliche Korruptionsvorwürfe. Auch Peter N. soll Zahlungen an Media-Saturn-Leute bestritten haben. Allerdings soll er eingeräumt haben, dass es Einladungen zu Reisen, teuren Essen und Veranstaltungen an die Geschäftspartner gegeben habe. Auch die Helidad AG, zu der die Firma Addvision zeitweise gehörte, hegte wohl schon früher Verdacht - als bei Addvision plötzlich unerklärlicherweise 800.000 Euro Fehlbetrag auftauchten. Im November 2010 bekam Media-Saturn offenbar von Helidad bereits einen Hinweis, dass es zu hohen Zahlungen von Addvision an Media-Saturn-Manager gekommen sein könnte. Die Rede war von zwei bis drei Millionen Euro.

Am kommenden Montag treffen sich die Media-Saturn-Gesellschafter erst einmal in Ingolstadt - es dürfte der nächste Showdown im Machtkampf zwischen Metro und Kellerhals werden. Auch der Umgang mit dem belasteten Top-Manager soll dann zur Sprache kommen. Kellerhals und Stiefel haben bereits beantragt, die Geschäftsführung von Media-Saturn solle umfassend Stellung nehmen.

Und die Metro fordert weiterhin personelle Konsequenzen. Nach einem schnellen Ende sieht das nicht aus. Der Zoff geht weiter - Krach ist geil!

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SZ vom 27.08.2011/aum
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