Korruptionsskandal: Heinrich von Pierer:Mr. Siemens soll büßen

Heinrich von Pierer soll für den Korruptionsskandal zahlen: Dem langjährigen Siemens-Chef droht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ein Bußgeldbescheid in Millionenhöhe.

Klaus Ott

Heinrich von Pierer sagt, er habe ein reines Gewissen. Zwölf Jahre lang stand der Jurist, Volkswirt und Ingenieur an der Spitze des Weltkonzerns Siemens. Dass es damals, und schon vorher, ein kriminelles Geflecht im Unternehmen gab, ist nicht seine Schuld, findet er. Der frühere Vorstandschef weist weiter "mit Nachdruck" alle Vorwürfe zurück, er sei mitverantwortlich für den Korruptionsskandal bei Siemens.

Heinrich von Pierer, Siemens, ddp

Heinrich von Pierer, langjähriger Siemens-Vorstandschef und anschließend Aufsichtsratsvorsitzender, weist alle Vorwürfe zurück - "mit Nachdruck".

(Foto: Foto: ddp)

Die Staatsanwaltschaft in München, die das Schmiergeldsystem aufgedeckt hat, sieht das anders. Die Ermittlungsbehörde will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung einen Bußgeldbescheid gegen Pierer erlassen, der bis zu eine Million Euro betragen kann.

Amtspflichten verletzt, Prüfung vernachlässigt

Der einstige "Mr. Siemens" soll zahlen, weil er seine Amtspflichten verletzt und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen habe. Pierer habe die Geschäfte des Konzerns nicht genau genug geprüft, lautet der Vorwurf. Dadurch sei es möglich gewesen, dass Regierungen und Geschäftspartner in fast allen Erdteilen bestochen wurden, um auf diese Weise an lukrative Aufträge für den Bau von Kraftwerken und für andere Projekte zu gelangen. Von 2000 bis 2006 versickerten 1,4 Milliarden Euro in dunklen Kanälen. Den durch diese Machenschaften angerichteten Schaden beziffert Siemens auf mehrere Milliarden Euro. Allein an Bußgeld musste das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro zahlen.

Bislang wurden nur Manager aus dem mittleren Management und einfache Angestellte, etwa Geldboten, zur Rechenschaft gezogen. Nun soll auch Pierer büßen. Nach Angaben aus Konzernkreisen und dem Aufsichtsrat hat Siemens von der Staatsanwaltschaft "eindeutige Signale" über den Stand der Bußgeldverfahren gegen sieben frühere Vorstandsmitglieder erhalten. Pierer soll zahlen. Das Verfahren gegen Pierers Nachfolger Klaus Kleinfeld soll dagegen mangels Schuld eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft äußert sich dazu nicht.

Im Gespräch mit der Justiz

Kleinfeld leitet heute den US-Stahlkonzern Alcoa. Er soll diese Woche mit der Staatsanwaltschaft über den Stand des Verfahrens gesprochen haben. Kleinfeld hatte Anfang 2005 den Vorstandsvorsitz bei Siemens von Pierer übernommen und war Mitte 2007 vorzeitig ausgeschieden, da der Aufsichtsrat wegen des Korruptionsfalles mit einer damals anstehenden Vertragsverlängerung gezögert hatte.

Die Schmiergeldpraxis war Ende 2006 aufgedeckt worden. Aus dem Aufsichtsrat heißt es jetzt, Kleinfeld sei "von der alten Garde bei Siemens teilweise getäuscht worden". Er habe das Ausmaß krimineller Praktiken nicht erkennen können. Die Konzernspitze geht davon aus, sich nun mit Kleinfeld auf einen Schadenersatz einigen zu können. Siemens verlangt von zehn ehemaligen Vorstandsmitgliedern eine symbolische Wiedergutmachung, weil sie versagt hätten. Bei Kleinfeld geht es um zwei Millionen Euro. Seine Anwälte sollen eine Zahlung davon abhängig gemacht haben, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen ihn vorgehe, da das sonst das "Ende seiner beruflichen Karriere bedeuten würde". So hat es Siemens notiert.

Das meiste Geld fordert der Konzern von Pierer: sechs Millionen Euro. Pierers Anwälte sollen es als "wünschenswert" bezeichnet haben, dass die Staatsanwaltschaft das Ordnungswidrigkeiten-Verfahren gegen den Ex-Vorstandschef einstelle, sofern dieser Schadenersatz an Siemens zahle. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Lenkt Pierer nicht bis Mitte November ein, dann will Siemens ihn verklagen - auf Schadenersatz in unbegrenzter Höhe.

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