Korruptionsskandal:Gütesiegel für Siemens

Siemens kommt glimpflich davon: Statt mehreren Milliarden Euro Strafe sind nur 600 Millionen fällig - dank rückhaltloser Aufklärung.

Marc Beise

Das wünscht sich jeder, dass es gelingen möge, aus einer selbstverschuldeten, katastrophalen Lage am Ende einigermaßen glimpflich herauszukommen. So geschieht es jetzt der Siemens AG. An diesem Montag wird ein amerikanisches Gericht mit einem überaus milden Schuldspruch das Korruptionsverfahren beenden, das den größten europäischen Technologiekonzern seit bald zwei Jahren in Angst und Schrecken versetzt hatte.

Korruptionsskandal: Siemens muss 600 Millionen Euro Strafe in den USA zahlen - ein Erfolg.

Siemens muss 600 Millionen Euro Strafe in den USA zahlen - ein Erfolg.

(Foto: Foto: ddp)

Das Unternehmen muss in den USA umgerechnet 600 Millionen Euro Strafe zahlen (plus mehrere hundert Millionen in Deutschland) - und sieht wieder einer weitgehend unbelasteten Zukunft entgegen. Die amerikanische Justiz bescheinigt dem neuen Management unter Vorstandschef Peter Löscher und Aufsichtsratschef Gerhard Cromme ausdrücklich einen guten Leumund.

Der Vergleich in den USA ist, wie immer man Details beurteilen mag, ein Erfolg für die beiden Männer, die anfangs viel Widerstand spürten, als sie versprachen, aus der verkrusteten, in Korruption verstrickten und von Seilschaften beherrschten Traditionsfirma einen modernen, transparenten und effizienten Konzern zu machen. Gewonnen hat jetzt die Siemens AG insgesamt. Nach bisherigen Erfahrungen war ein Bußgeld in mehrfacher Höhe der Schmiergeld-Zahlungen wahrscheinlich. Statt fünf, sechs, zehn Milliarden Euro Strafe sind jetzt also nur 600 Millionen fällig.

Totale Unterwerfung

Damit hat Siemens vermutlich Rechtsgeschichte geschrieben. Noch nie, soweit ersichtlich, ist eine Firma in einem vergleichbaren Fall finanziell so gut weggekommen. Dies ist offensichtlich vor allem der totalen Unterwerfung geschuldet, die Löscher und Cromme angeordnet hatten. Bedingungslose Kooperation mit den Ermittlungsbehörden, rücksichtslose Aufklärung, kein Pardon für die früheren Vorstandsmitglieder - diese von manchem Siemens-Manager als entwürdigend kritisierte Strategie zahlt sich jetzt aus.

Gewonnen hat auch die Rechtskultur in Deutschland. Der Fall Siemens wird Wirkung auf andere Firmen haben, die rechtliche Aufarbeitung birgt Stoff für Lehrbücher. Die Gerichtsunterlagen belegen ein bedrückendes System von Intransparenz, Trickserei und kriminellem Verhalten - Dinge, über die seit langem berichtet wird, die nun aber das amtliche Siegel der schärfsten Justiz der Welt haben. Es zeigt sich, wie richtig es war, dass die Medien bei der Aufklärung der skandalösen Vorgänge nicht nachgelassen haben - obwohl in Wirtschaft und Politik die Berichterstattung immer wieder als "Nestbeschmutzung" denunziert und vor Schaden für den Standort Deutschland gewarnt wurde.

Niemand darf sich über die Gesetze stellen, kein Unternehmen und kein Manager. Spätestens seit dem Siemens-Skandal muss dies nun wirklich jedem Geschäftsmann klar sein. Und das Schöne: Gutes Wirtschaften zahlt sich offenbar sogar aus - Siemens registriert einen rapide steigenden Auftragseingang.

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