Korruptionsskandal:Der Landschaftspfleger

Hellmut Trienekens war einer der größten Müllunternehmer des Landes - bis er unter Betrugsverdacht geriet. Nun steht er wieder vor Gericht: Millionenbeträge sollen verschwunden sein.

Hans Leyendecker

Mehrere Dutzend Verfahren hat Hellmut Trienekens überstanden und das Schlimmste, was dem heute 71-Jährigen bei Gericht bislang widerfahren ist, war eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung - zwei Jahre Haft auf Bewährung. Auch fiel es ihm nicht wirklich schwer, die Geldbuße in Höhe von zehn Millionen Euro zu bezahlen.

An diesem Freitag wird der Mann, den sie einst den "Müllpaten vom Niederrhein" nannten, wieder vor dem Kölner Landgericht als Angeklagter erscheinen müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue vor.

Trienekens soll in der Schweiz eine mit Millionen Euro gefüllte schwarze Kriegskasse angelegt haben. Vier seiner Firmen hatten Scheinrechnungen eines Schweizer Unternehmens beglichen. Die Verschiebung von Geldern in eine schwarze Kasse kann den Tatbestand der Untreue erfüllen, wenn durch die "pflichtwidrige Vorenthaltung der Geldmittel und ihre Verwaltung in einem verdeckten Kontensystem" dem Unternehmen ein Vermögensnachteil zugefügt wird. So urteilte 2008 der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall von zwei Siemens-Managern. Gilt das auch, wenn der Chef und Teilhaber des Unternehmens eine solche Kasse angelegt hat?

Die Kölner Wirtschaftsstrafkammer hat zunächst 66 Verhandlungstage angesetzt, aber der Prozess wird vermutlich eine Fahrt ins Ungewisse: Trienekens ist schwer herzkrank, und auch sein Kreislauf macht Sorgen. Drei Stunden am Tag kann höchstens verhandelt werden. Sein Anwalt Norbert Gatzweiler peilt auch diesmal wieder - unter Verweis auf den Gesundheitszustand seines Mandanten - eine Einstellung des Verfahrens an.

Der frühere Müllunternehmer galt einst als Pionier seiner Branche. Der gelernte Großhandelskaufmann mit dem seltenen Gespür für lukrative Nischen, große Chancen und treue Helfer war 1961 in dem Dorf Süchteln bei Viersen in den Heu- und Strohgroßhandel der Eltern eingestiegen. Nach dem Tod des Vaters sieben Jahre später übernahm er den Betrieb. Zum Inventar gehörte damals auch ein gebrauchter Müllwagen.

Trienekens machte aus Müll Geld wie Heu

Trienekens nutzte ihn und machte bald schon aus Müll Geld wie Heu. Zunächst stellte er Altpapiercontainer auf, dann legte er sich zwei Müllsortierungsanlagen zu und Mitte der neunziger Jahre, als das Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft trat, war er bereits Mitbesitzer einer Müllverbrennungsanlage in Krefeld. Später beteiligte er sich an weiteren Anlagen und hatte Verbrennungskontingente in diversen Städten. Der Essener Energiekonzern RWE AG stieg bei Trienekens ein.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht herrschte der Müll-Mogul über ein Imperium von 32 Unternehmen mit 4754 Mitarbeitern und war darüber hinaus an 260 Firmen beteiligt. Trienekens war Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft, und in den Verwaltungen der Kommunen wurde er wegen seines Fachwissens und auch aus anderen Gründen geschätzt.Denn Trienekens hielt auch die politische Landschaft am Rhein vorbildlich in Schuss.

Das CDU-Mitglied spendete den Christ- ebenso wie den Sozialdemokraten. Er war ein Meister des Gebens und Nehmens. Seiner Heimatgemeinde Süchteln schenkte er eine Musikschule. Den Schulanfängern spendierte er reflektierende Schärpen, und berühmt war der von Trienekens und dem Fußball-Verband Mittelrhein veranstaltete "Fair-Play-Cup". Sportlich faires Verhalten wurde belohnt, denn die "ethischen Werte des Spiels", so stand es in der Ausschreibung, dürften "nicht dem kurzfristigen Erfolg geopfert werden".

Er verstand es, sich Gegner gewogen zu machen

Er verstand es, sich Gegner gewogen zu machen

Zwar haben auch andere Große der Wirtschaft gern gepredigt, dass der kurzfristige Erfolg, also die schnelle Bestechung, am Ende ein Unternehmen ruinieren könne, aber möglicherweise hat Trienekens seinen eigenen Schwindeleien geglaubt. Er spannte ein Netz über das Land, bezahlte en masse Berater und verstand es, sich Gegner gewogen zu machen.

Dann schlug ein bis heute unbekannter "Whistleblower" Alarm. Im Juni 2000 meldete sich der Anonymus bei dem Kölner Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung und teilte mit, beim Bau der 792 Millionen Euro teuren Kölner Müllverbrennungsanlage, an der Trienekens beteiligt war, seien Schmiergelder in Millionenhöhe geflossen.

Die Ermittlungen kamen im Jahr der Bundestagswahl 2002 in Fahrt und elektrisierten wegen der Verwicklung Kölner Politiker die Öffentlichkeit bundesweit. Der damalige Fraktionsführer der SPD im Kölner Rat meldete sich bei der Staatsanwaltschaft und berichtete von heimlichen und später gestückelten Großspenden des Wohltäters vom Niederrhein.

Ein Drama von shakespearescher Wucht

Es entwickelte sich ein Drama von shakespearescher Wucht: Fünf Verdächtige, darunter Trienekens, kamen damals in Untersuchungshaft. Nach rund vier Wochen im Gefängniskrankenhaus Fröndenberg kam der Unternehmer gegen Zahlung einer gewaltigen Kaution in Höhe von 100 Millionen Euro frei. Noch im selben Jahr verkaufte er sein Entsorgungsgeschäft an den Konzern RWE.

Sein Vermögen wurde einmal auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Das mag übertrieben sein - oder nicht. Der tiefe Sturz hat Hellmut Trienekens jedenfalls viel gekostet. So verpflichtete er sich beispielsweise in einem außergerichtlichen Vergleich, der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH (RSAG) 19 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen - weil er dem früheren Geschäftsführer Bestechungsgelder in Höhe von 1,1 Millionen Euro gezahlt haben soll. Im Gegenzug soll er seinerzeit für eines seiner Unternehmen den Zuschlag für eine Kompostierung von Bio- und Grünabfällen erhalten haben. Das Geschäft hatte ein Volumen von 140 Millionen Euro.

Es geht im Müll-Krimi allerorten um große Zahlen: Insgesamt hat der kranke Trienekens für die finanzielle Bewältigung des Skandals, einschließlich seiner Anwaltskosten, schätzungsweise 45 Millionen Euro ausgegeben. Vermutlich bereut der Landschaftspfleger keinen Euro, wenn er nur weiterhin in Freiheit bleibt. Immerhin ist ein Manager einer Abfallwirtschaftsgesellschaft, dem er umgerechnet rund 2,3 Millionen Euro in die Schweiz überwiesen haben soll, zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.

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