Süddeutsche Zeitung

Korruptionsfall in Korea:Verhaftung im Samsung-Fall

Der Skandal um Südkoreas Präsidentin Park zieht immer weitere Kreise. Jetzt wurde ein hoher Manager verhaftet, dem im Zusammenhang mit einer Fusion bei Samsung massive Vorwürfe gemacht werden.

Von Christoph Neidhart, Tokio

In Seoul hat der außerordentliche Staatsanwalt, der im Skandal um Präsidentin Park Geun-hye und ihre Vertraute Choi Soon-sil ermittelt, am Mittwoch den Chef der nationalen Rentenkasse Moon Hyung-pyo verhaften lassen. Der frühere Gesundheitsminister wird des Machtmissbrauchs verdächtigt. Sein Haus wurde durchsucht.

Die Ermittler haben nun 48 Stunden Zeit, formell Anklage gegen Moon zu erheben. Er wird verdächtigt, die im Konflikt um die Fusion zweier Samsung-Töchter Aktionärsstimmen zugunsten der Gründerfamilie Lee manipuliert zu haben. Damit hätte er die Einleger der nationalen Rentenkasse geschädigt, also fast alle Koreaner. Obwohl die Familie Lee nur geringe Anteile an Samsung hält, kontrolliert sie die Gruppe von fast hundert Firmen über Kreuzbeteiligungen und Holding-Konstruktionen bis heute.

Samsung ist Südkoreas größter Chaebol, wie man die von Familien beherrschten Mischkonzerne nennt. Die Gruppe generiert fast ein Fünftel der Wirtschaftsleistung Südkoreas. Im Jahre 2005 wollte sie zwei Tochterfirmen, Samsung Construction and Trading, und Cheil fusionieren, um die Macht des Kronprinzen Lee Jae-yong über die Gruppe zu sichern. Kleinaktionäre und Elliot, ein amerikanischer Hedge-Fond, wehrten sich heftig, sie würden damit massiv benachteiligt. Unabhängige Experten gaben ihnen recht.

Gleichwohl stimmte die nationale Rentenkasse mit der Besitzerfamilie Lee; angeblich unter dem direkten Druck Moons, wie einer seiner Manager im Verhör zugegeben haben soll. Der Rentenfonds war mit 11,6 Prozent an Samsung C&T und mit fünf Prozent an Cheil beteiligt und damit nach den Lees einer der größten Aktionäre beider Firmen. Südkoreas nationale Rentenkasse ist die drittgrößte der Welt, sie hält große Anteile vieler koreanischer Firmen, vor allem der Chaebol. Mit ihren Stimmen verhalf sie auf der Aktionärsversammlung den Lees zur knappen Stimmenmehrheit für die Fusion. Kurz danach bezahlte Samsung der Tochter von Choi Soon-sil das Dressurpferd Vitana V, das mehr als zwei Millionen Euro gekostet haben soll. Der Sonderstaatsanwalt wirft Choi und Park vor, sie oder ihre Helfer hätten Moon gedrängt, zugunsten der Familie stimmen zu lassen. Das Dressurpferd sei eine direkte Gegenleistung des Konzerns. Moon hätte sich somit von der Präsidentin instrumentieren lassen.

Samsung ist nur einer von elf Chaebol, die Choi nach einem Schlüssel des koreanischen Unternehmerverbandes finanziell unterstützten und von denen man vermutet, sie seien von der Vertrauten Parks und allenfalls der Präsidentin unter Druck gesetzt worden. Aber Samsung ist der größte, reichste und sichtbarste Chaebol, und deshalb auch der meistgehasste. Zudem wirkt der 48-jährige Lee Jae-yong, der das Konglomerat im Namen seines schwerkranken Vaters führt, eher naiv, während die meisten andern Chaebol-Bosse mit steinerner Miene alle Vorwürfe an sich abtropfen lassen. Damit zieht der junge Lee Attacken geradezu an.

In Seoul bezweifelt niemand, dass die Chaebol und die Politik sich gegenseitig in die Hand spielen. Samsung-Kronprinz Lee hat vor einer Parlamentskommission kürzlich eingeräumt, er habe die Präsidentin zweimal unter vier Augen gesprochen. Aber sie sei ihn nie um Geld angegangen, sondern habe Hilfe für Projekte erbeten, die ihr wichtig seien. Choi Soon-sil führte zwei angebliche Sporthilfe-Stiftungen, die in Wirklichkeit Deck-Adressen für ihre eigene Bereicherung waren.

Dass die Korruption in Südkorea so weit geht, dass die Staatsanwaltschaft selbst der Präsidentin nachweisen könnte, ein verdächtiges Geschäft sei mit einem korrupten Gegengeschäft verknüpft, überrascht die Korea-Experten. Bisher hatten sie angenommen, Park sei vorsichtig genug gewesen und hätte solche Reziprozitäten vermieden. Moons Verhaftung ist deshalb ein Schlag gegen die Präsidentin.

Ebenfalls am Mittwoch ließ der Sonderstaatsanwalt mehrere Krankenhäuser durchsuchen. Er fahndet nach Indizien, wo die Präsidentin sich aufhielt, als am 16. April 2014 die Fähre Sewol unterging und mehr als 300 Schulkinder in den Tod riss. Park war damals sieben Stunden lang unauffindbar, sie verweigert dazu jede Auskunft. Das Parlament hat ihr das als Pflichtversäumnis ausgelegt und in die Begründung für ihre Amtsenthebung aufgenommen. Ihre persönliche Krankenpflegerin, die damals im Blauen Haus, ihrem Amtssitz, Dienst hatte, wurde nach Texas in ein amerikanisches Militärspital verlegt und wird dort von der US-Armee gegen die Medien abgeschirmt. Immerhin soll ein von Choi vermittelter Nobel-Friseur Park sie in der fraglichen Zeit anderthalb Stunden frisiert haben. Soviel ist jüngst bekannt geworden. Angeblich hat sich Park zuvor einer kosmetischen Operation unterzogen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3312246
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.12.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.