Korruptionsaffäre:Siemens akzeptiert 800 Millionen Dollar Strafe

Bestechungszahlungen in einer Gesamthöhe von 1,1 Milliarden Euro in fast allen Teilen der Welt - dafür akzeptiert Siemens eine 800-Millionen-Dollar-Strafe.

M. Balser und K. Ott

Die Siemens AG will den mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC und dem amerikanischen Justizministerium ausgehandelten Strafen rasch zustimmen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kommt der Siemens-Aufsichtsrat am Montag in München zu einer Sondersitzung zusammen. Ein Aufsichtsratsmitglied sagte der SZ am Samstagmorgen, man werde das Verhandlungsergebnis genehmigen.

Siemens; ddp

Siemens lässt sich auf eine 800-Millionen-Dollar-Strafe ein, intern hatte man mehr befürchtet.

(Foto: Foto: ddp)

Am Freitagabend war bekannt geworden, dass Siemens wegen mangelnder interner Kontrollen und Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften 800 Millionen Dollar an die US-Behörden zahlen, im Gegenzug aber nicht für Bestechung verurteilt werden soll.

Davon bekommt das US-Justizministerium 450 Millionen Dollar, die Börsenaufsicht SEC erhält 350 Millionen Dollar. Dies geht aus den Anklageschriften der beiden amerikanischen Behörden hervor, die das Bundesgericht in Washington auf seiner Internetseite veröffentlichte. In Unternehmenskreisen wurde diese Zahl bestätigt. Die abschließende gerichtliche Entscheidung sei den Unterlagen zufolge für den kommenden Montag, 15. Dezember, angesetzt.

Hunderte Bestechungsprojekte, Tausende illegale Zahlungen - die US-Behörden erheben in ihren Anklageschriften schwere Vorwürfe gegen den Technologiekonzern: Siemens habe in einem "weitverzweigten und systematischen System" Schmiergelder an ausländische Amtsträger gezahlt, heißt es in den Papieren der SEC, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Um die Zahlungen geheimzuhalten, habe der Konzern komplizierte Verschleierungsmethoden entwickelt. Die mangelhaften Kontrollmechanismen hätten illegale Transfers sogar begünstigt, klagt die Behörde.

Vorstand und Antikorruptionsabteilung verstrickt

Das Ausmaß der Anklage ist gewaltig. Es gehe um mindestens 4283 Zahlungen in einer Gesamthöhe von 1,4 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro) in fast allen Teilen der Welt und vielen Sparten des Konzerns. So listet das 88-seitige Papier Zahlungen in China, Mexiko, Russland, Argentinien, Bangladesch, Mexiko, Nigeria und dem Irak auf.

Brisantes Detail der Anklage: In mindestens einem Projekt sei ein Vorstand des Konzerns in den vergangenen Jahren in illegale Zahlungen an einen hochrangigen Amtsträger eingebunden gewesen, heißt es in dem Papier der mächtigen US-Börsenaufsicht. Beteiligte und den Zeitpunkt des Vorfalls nennt die Klageschrift nicht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum das Bestechungssystem so erfolgreich war.

Siemens akzeptiert 800 Millionen Dollar Strafe

Das Bestechungssystem sei so erfolgreich gewesen, weil es bis in Führungspositionen akzeptiert gewesen sei. Der Klage zufolge taten sich den Ermittlern Abgründe auf: Selbst in der Anti-Korruptionsabteilung Compliance, bei Bilanzprüfern, Controllern sowie in der Rechts- und Finanzabteilung seien die Aktivitäten akzeptiert gewesen, heißt es weiter. Nach dem Verbot der Korruption in Deutschland habe der Vorstand darin versagt, ein funktionierendes Kontrollsystem aufzubauen.

Die 800-Millionen-Dollar-Einigung der US-Behörden mit Siemens hat historische Dimensionen. Noch nie in der Geschichte der USA haben Ermittler so hohe Strafen gefordert. Die bislang höchste Strafe musste das Ölunternemen Baker Hughes im April 2007 zahlen. Die US-Firma schloss einen Vergleich über 44 Millionen Dollar mit den Behörden. Dennoch kommt Siemens mit der Einigung offenbar glimpflicher davon als befürchtet. Im Konzern hatten in den vergangenen Monaten Befürchtungen die Runde gemacht, man müsse mit einer Strafe von bis zu drei Milliarden Euro rechnen.

Ein Siemens-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht konkret zum Zeitpunkt einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung äußern, bestätigte am Freitagabend aber, man stehe "kurz vor dem Abschluss der Untersuchungen durch die SEC und das US-Justizministerium". Ähnlich äußerte sich eine Siemens-Sprecherin in den USA.

Siemens hat für die erwarteten Geldbußen der Behörden in den USA und Deutschland eine Milliarde Euro zurückgestellt. Abzüglich der US-Geldstrafe bleiben von diesem Betrag noch 400 Millionen Euro für eine Strafe der deutschen Justiz übrig.

Die Münchener Staatsanwaltschaft hat Verfahren wegen Schmiergeldzahlungen in fünf Unternehmensbereichen angestrengt. Für die schwarzen Kassen in der ehemaligen Telekommunikationssparte hat Siemens bereits eine Buße von 201 Millionen Euro bezahlt. Insgesamt sind in den Jahren 1999 bis 2006 bei Siemens 1,3 Milliarden Euro in dunkle Kanäle geflossen.

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