Süddeutsche Zeitung

Korruption bei Siemens:Orangen aus Griechenland

Bangen bei Siemens: Nach dem Korruptionsfall könnte der Konzern von der griechischen Regierung für Staatsaufträge gesperrt werden. Doch geschmiert haben auch andere Firmen - und die DDR.

Klaus Ott

Die Münchner Staatsanwaltschaft bekam kürzlich Besuch von einigen Abgesandten der Siemens AG, und was die Herren vortrugen, war von einiger Brisanz. Es ging um den Korruptionsskandal, der den Industriekonzern schon mehrere Milliarden Euro gekostet hat, unter anderem an Bußgeldern.

Die weltweit praktizierten und inzwischen abgestellten Schmiergeldzahlungen könnten noch mehr schlimme Folgen haben, sollte Siemens in diversen Ländern auf sogenannte "schwarze Listen" gesetzt und somit für öffentliche Projekte gesperrt werden. Darüber sprachen die Siemens-Emissäre mit den Ermittlern. Vorstandschef Peter Löscher setzt schließlich darauf, von den Konjunkturpaketen zu profitieren, mit denen Staaten rund um den Globus die Wirtschaftskrise bekämpfen.

Christoforakos: Auslieferung nach Athen

Die Gefahr, hier ausgeschlossen zu werden, ist groß. Das wäre hart für Siemens und wohl auch ungerecht. Denn auch andere Konzerne haben Regierungen, Behörden und Geschäftspartner bestochen, um lukrative Aufträge zu erhalten. Das belegen Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft gegen Michael Christoforakos, den früheren Siemens-Chef in Griechenland.

Der ehemalige Top-Manager hat den deutschen Strafverfolgern bei einem halben Dutzend Verhören berichtet, in seiner Heimat hätten Unternehmen an die beiden großen politischen Parteien zahlen müssen, um mit dem Staat und dessen Betrieben ins Geschäft zu kommen. Christoforakos, gegen den auch in Athen wegen des Schmiergeldskandals ein Verfahren läuft, war im Mai vor der griechischen Justiz nach Deutschland geflüchtet, im Juni hier geschnappt worden und sitzt seitdem im Gefängnis.

Am Mittwoch verfügte das Oberlandesgericht München seine Auslieferung nach Athen, wo er unter anderem wegen Korruption bei der nationalen Telefongesellschaft OTE vor Gericht gestellt werden soll. Ein kürzlich ergangener Strafbefehl der Münchner Staatsanwaltschaft gegen Christoforakos über 750.000 Euro Geldbuße und ein Jahr Haft auf Bewährung steht dem nicht im Wege.

Angst vor der schwarzen Liste

Die deutschen Ermittler werfen ihm vor, griechische Politiker bestochen zu haben. Die Anwälte von Christoforakos wollen den Strafbefehl anfechten, die Vorwürfe werden wahrscheinlich vor Gericht verhandelt. Das wiederum macht die Causa für Siemens gefährlich. Bislang hat die Münchner Justiz in den Skandal verwickelte Konzernmanager dafür zur Rechenschaft gezogen, dass sie Millionenbeträge in schwarze Kassen geschleust und auf diese Weise Unternehmensvermögen veruntreut haben. Die schwarzen Kassen wurden für Schmiergeldzahlungen genutzt. Wegen Bestechung wurde aber noch niemand verurteilt.

Sollte das bei Christoforakos geschehen, dann hätten Regierungen und Behörden einen formalen Anlass, Siemens auf schwarze Listen zu setzen und von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Auf diese Folgen machten die Abgesandten des Unternehmens aufmerksam, als sie kürzlich bei der Staatsanwaltschaft vorsprachen.

Manche Regierung wartet wohl nur darauf, gegen Siemens vorgehen zu können, und sei es nur aus Rache. Ein griechischer Minister soll kürzlich im kleinen Kreis gesagt haben, er wolle mit Siemens keine Geschäfte mehr machen.

Im zweiten Teil: Warum die Griechen Siemens gegenüber ziemlich kritisch sind - und wie die DDR versucht hat, mit Hilfe von Korruption ihren Staatsbetrieben in Griechenland Aufträge zuzuschachern.

Aber nicht deshalb, weil der Konzern bestochen hat, sondern weil er sich dabei hat erwischen lassen. "Die waren so dumm, ihre Schmiergeldunterlagen zehn Jahre aufzuheben", soll sich der Minister entrüstet haben. Korruption sei Alltag in Griechenland, und wie das System dort funktioniert, hat Christoforakos der Münchner Staatsanwaltschaft erzählt. Unternehmen, die einen bestimmten Teil ihres Umsatzes im Lande an die beiden großen Parteien spendeten, die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok, kämen unter einen Schutzschirm. Das bringe Aufträge. Wer außerhalb des Schirms stehe, gehe leer aus. Die Pasok und die Nea wechseln einander in der griechischen Regierung ab, und wer beide Parteien bedient, ist immer auf der sicheren Seite.

Fleißig geschmiert

Siemens hat zwei Prozent gezahlt und Aufträge der Armee, der nationalen Telefongesellschaft OTE und für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen erhalten. Zwei Prozent, das war einst auch die Marge für die DDR in Athen. Der längst untergegangene zweite deutsche Staat hatte ebenfalls fleißig geschmiert, unter anderem um Siemens Aufträge abzujagen. Das belegen Akten des DDR-Geheimdienstes Staatssicherheit (Stasi). Die Sozialisten aus dem Osten bedienten sich der gleichen Methoden wie die Kapitalisten im Westen, und einer der damaligen Akteure auf griechischer Seite, ein vermögender und einflussreicher Unternehmer aus Athen, steuert dort heuer noch viele Geldflüsse. Korruption kennt keine ideologischen Grenzen.

Die DDR wollte mit ihrer Elektrofirma AHB bei der OTE auf Kosten von Siemens zum Zuge kommen. Ein bedeutender OTE-Funktionär sei "als Siemens-Mann bekannt" und versuche, "mit allen nur denkbaren Methoden auf ökonomischem Gebiet unser Angebot zu Fall zu bringen", notierte ein Stasi-Agent Anfang 1976. Um den geplanten Vertrag mit der DDR-Firma AHB durchsetzen zu können, habe man "mehr Leute als sonst" beteiligen müssen, schrieb der Agent. Er werde eine Aufstellung nachreichen, "wer im Einzelnen innerhalb der OTE, im Handels- und Koordinationsministerium beteiligt war und von unserer Vertreterfirma beeinflusst wurde".

Als Mittelsmann wurde damals schon, 1976, ein griechischer Unternehmer aufgeführt. Dieser Mann in Athen war auch zehn Jahre später wieder mit im Spiel, als es erneut darum ging, Siemens bei der OTE auszustechen. In den Stasi-Unterlagen ist von Briefumschlägen voller Bargeld die Rede und von Überweisungen über Schweizer Konten, das übliche Muster eben. Als "Empfänger von Bestechungsgeldern" ist unter anderem ein OTE-Generaldirektor genannt.

Offenbar hatte damals aber nicht alles gleich gepasst. Der Mittelsmann, der Unternehmer aus Athen, beschwerte sich schriftlich bei seinen Geschäftspartnern in Ost-Berlin, als er dort im Palasthotel weilte. Auf einem Briefbogen des Hotels notierte der Mann aus Athen, eine Firma des OTE-Generaldirektors habe für 500.000 Dollar Orangen und Grapefruitsäfte in die DDR liefern sollen. Die erste Lieferung sei abgelehnt worden. Es sei "wegen der speziellen Lage (OTE-Geschäft) wünschenswert", dass das zweite Angebot berücksichtigt werde.

Fall für die Justiz

Nach dem Zerfall der DDR ermittelte die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Unternehmer aus Athen, weil der im Verdacht stand, bei diesen Geschäften DDR-Vermögen beiseitegeschafft und später dem Zugriff des "Rechtsnachfolgers Bundesrepublik Deutschland" entzogen zu haben. Das Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt.

Die Staatsanwaltschaft sichtete auch die Schmiergeldunterlagen und hörte Zeugen, die von Zahlungen in Höhe von zwei Prozent des Jahresumsatzes an die damalige Regierungspartei Pasok berichteten, beschäftigte sich dann aber nicht weiter damit. Das Thema Korruption sei "mangels Zuständigkeit nicht Gegenstand der Ermittlungen", notierte die Staatsanwaltschaft. Das war im Mai 1997. Bestechung im Ausland war zu dieser Zeit noch kein Delikt, das in Deutschland verfolgt wurde. Das geschieht, nach einer Gesetzesänderung, erst seit dem Jahr 1999.

Die neue Rechtslage machte Siemens zum Fall für die Justiz. Die Konzernjuristen werden wohl noch öfter bei Ermittlern in aller Welt vorsprechen, um einen Eintrag in schwarze Listen zu verhindern. In Griechenland habe man sich "fundamental erneuert", sagt Siemens heute. Die alten Praktiken sind abgestellt, aber Folgen können sie immer noch haben.

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SZ vom 13.08.2009/tob
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