Korruption:Athen verklagt Siemens-Mitarbeiter

Im Zusammenhang mit der Siemens-Korruptionsaffäre hat nun auch die Athener Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verdachts der Bestechung und Geldwäsche erhoben.

Klaus Ott und Christiane Schlötzer

Im Zusammenhang mit der Siemens-Korruptionsaffäre hat nun auch die Athener Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verdachts der Bestechung und Geldwäsche erhoben. Im Mittelpunkt stehen zwei staatliche Großaufträge: der Ausbau des griechischen Telefonnetzes und das aufwendige Sicherheitssystem für die Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen. Namen von Beschuldigten werden in der Anklageschrift des Staatsanwalts Panagiotis Athanassiou allerdings nicht genannt. Es handelt sich um eine Anklage "gegen alle Verantwortlichen". Das ist nach griechischem Recht möglich. Weitere Untersuchungen sollen folgen.

Zu diesem Zweck muss aber erst ein neuer Chefermittler eingesetzt werden. Das dürfte sich länger hinziehen. Dieses Vorgehen in der Siemens-Affäre, die seit Monaten die griechische Öffentlichkeit bewegt, hat am Mittwoch bereits zu kritischen Kommentaren geführt. So schrieb die Zeitung Kathimerini, der plötzliche vorläufige Abschluss der Ermittlungen durch Athanassiou erwecke den Eindruck, als sollte der Skandal erst "in die Schublade gelegt und dann vergessen werden". Das Blatt hat wiederholt berichtet, Zahlungen aus schwarzen Kassen von Siemens seien über Jahre hinweg auch an die beiden großen griechischen Parteien geflossen, die linksgerichtete Pasok und die konservative Nea Dimokratia (ND). Viele Jahre beherrschte die Pasok das Land, derzeit regiert die ND von Regierungschef Kostas Karamanlis.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung werden in einem internen Ermittlungspapier der Athener Staatsanwaltschaft 22 Namen von Verdächtigen genannt, darunter mehr als ein Dutzend Manager und Mitarbeiter, die bei der teilstaatlichen Telefongesellschaft OTE geschmiert worden sein sollen. Auch sieben Siemens-Verantwortliche stehen auf der Liste, sechs aus Griechenland, und dazu aus Deutschland der ehemalige Konzernvorstand Volker Jung. Gegen ihn wird auch in München ermittelt.

Vorwürfe bestritten

Jung hat sich nach Angaben seines Anwalts gegenüber den Staatsanwaltschaften in München und Athen zu dem Verdacht geäußert, in die Affäre verstrickt zu sein. Jung bestreite die Vorwürfe, äußerte sein Anwalt. Bislang wurden etwa 100 Personen durch den Athener Ermittler vernommen. Siemens hat auch eigene Ermittlungen in Auftrag gegeben. Anwälte der damit betrauten US-Kanzlei Debevoise & Plimpton befragten auch die ehemalige Chefsekretärin der Siemens-Niederlassung in Athen, die vor der dortigen Staatsanwaltschaft aussagte. Sie berichtete von "Zuwendungen" an griechische Politiker. Vor den Zahlungen habe sie manchmal mit den Ehefrauen der Politiker telefoniert oder mit dem Wachpersonal, schilderte die Sekretärin. Ein früherer Pasok-Kassenwart hat inzwischen zugegeben, mehr als 400.000 Euro angenommen zu haben. Das Geld sei in eine Wahlkampagne der Partei geflossen. Letzteres wird von der Parteispitze bestritten.

Zuletzt geriet der amtierende Kulturminister Michalis Liapis in die Schlagzeilen, der nun allen Medien mit Klagen droht, sollten sie ihm unterstellen, er habe sich 2005 von Siemens zu einer Berlin-Reise einladen lassen. Kathimerini bezifferte die Siemens-Gelder, die zwischen 1998 und 2005 für politische Parteien in Griechenland reserviert waren, auf zwölf Millionen Euro. Andere Medien nannten das Klima in der Regierungspartei wegen der vielen Vorwürfe "explosiv". Die ND verfügt über nur eine Stimme Mehrheit im Parlament.

Abgeordnete aus der Regierungspartei verlangten, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen, weil die Affäre dem gesamten politischen System schade. Premier Karamanlis sagte, er unterstütze eine solche Durchleuchtung, aber erst müsste die Arbeit der Justiz abgeschlossen sein.Der neue Chefermittler dürfte allerdings frühestens im September eingesetzt werden - fast zwei Jahre nach Beginn der Affäre.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: