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Korrelationen:Wer online flucht, stirbt eher an Herzinfarkt

  • Eine Studie der Universität von Pennsylvania hat herausgefunden, dass eine Korrelation zwischen der Verwendung bestimmter f-Wörter auf Twitter und dem Risiko von Herzinfarkten besteht.
  • Die Beziehung ist enger als zwischen Herzerkrankungen und Rauchen, Übergewicht oder Einkommen.

Von Herbert Fromme

Matthias Weber ist aufgeregt. "Das sind die neuen Datenquellen in der Risikobeurteilung", sagt der Chef der Risikobeurteilung beim Rückversicherer Swiss Re. Die Ursache der Begeisterung: Eine Studie der Universität von Pennsylvania hat eine enge Beziehung zwischen der Nutzung bestimmter Wörter auf Twitter und dem Risiko von Herzinfarkten und anderen Herzerkrankungen gezeigt. "Wer oft Wörter wie 'wunderbar', 'Freunde' oder 'gute Gelegenheit' schreibt, erkrankt seltener als jemand, der oft Schimpfwörter benutzt, die mit 'f' anfangen", sagt Weber vor Journalisten beim jährlichen Welt-Rückversicherertreffen in Monte Carlo.

Die Korrelation ist viel stärker als zwischen Herzerkrankungen und Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht oder Einkommen und Erziehung. Der Rückversicherer hat zwei Technologiezentren in London und Boston eingerichtet. "Da geht es uns genau darum, solche Beziehungen für die Versicherung nutzbar zu machen."

Twitter-Timeline als Basis für Risikoeinschätzung

Heute fragen Versicherer Kunden vor dem Verkauf einer Lebensversicherung, ob sie rauchen - künftig können sie ganz einfach die Twitter-Geschichte auswerten und so eine viel genauere Risikoeinschätzung vornehmen. Wer ein hohes Risiko hat, zahlt mehr oder wird nicht versichert.

Als Weber gefragt wird, ob es nicht unethisch sei, Tweets für Versicherungszwecke mitzulesen, merkt der Manager, wohin ihn seine Begeisterung getrieben hat. Nein, noch forsche die Swiss Re nicht selbst an einem solchen Programm. Sie werde die ethischen und rechtlichen Folgerungen genau prüfen. "Ich wollte nur die Möglichkeiten aufzeigen." Ohnehin hätten die US-Wissenschaftler die Tweets nicht individuell ausgewertet, sondern auf Landkreisebene, beruhigt Konzernchef Christian Mumenthaler. Landkreise mit vielen Schimpfwörtern hätten mehr Herzinfarkte als solche mit positiven Wörtern.

Versicherer wollen Datenmengen unbedingt nutzen

Dennoch - das ist mehr als der Übereifer eines Versicherungsmanagers. Die Branche ist verzweifelt bemüht, mit den gigantischen Datenmengen durch soziale Netzwerke und die Digitalisierung der Gesellschaft Schritt zu halten. Die Befürchtung: Wer die Daten sinnvoll nutzen kann, versichert nur die "guten" Risiken, die anderen fahren weiter blind im Risikonebel und nehmen die "schlechten".

Rückversicherer, die Versicherer der Versicherer, verlieren im Kerngeschäft Risikoübernahme an Bedeutung. Wenn sie da neue Werkzeuge entwickeln, kann das den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung bedeuten.

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SZ vom 13.09.2016/vit
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