Kopfpauschale:73 Prozent Steuer - Horrorrechnung von Schäuble

Die Kosten für die von der FDP gewünschte Kopfpauschale könnten immens sein: Auf 73 Prozent müsste die Einkommensteuer steigen. Die Union ist alarmiert.

G. Bohsem

Wollte man die Kosten der von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geplanten Kopfpauschale über die Einkommensteuer ausgleichen, drohen Firmen und Arbeitnehmern laut Finanzministerium enorme Belastungen.

Schäuble, dpa

Die Beamten von Finanzminister Schäuble haben durchgerechnet, wie hoch die Einkommensteuer steigen müsste, um die langfristigen Kosten der Kopfpauschale zu finanzieren.

(Foto: Foto: dpa)

Die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben untersucht, wie hoch die Einkommensteuer steigen müsste, um die langfristigen Kosten der Kopfpauschale zu finanzieren. Diese liegen nach unterschiedlichen Berechnungen zwischen 20 und 35 Milliarden Euro.

Alleine um den unteren Wert zusätzlich einzunehmen, müsste der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer auf 73 Prozent steigen und ab einem Einkommen von 120.664 Euro gelten, heißt es in einem Antwortschreiben von Staatssekretär Hartmut Koschyk auf eine Anfrage der Grünen. Wollte man 33 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen, müsste der Spitzensteuersatz ab 179.664 Euro bei 100 Prozent liegen.

Bei einer Kopfpauschale würde der Bankdirektor den gleichen Betrag an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zahlen wie seine Putzfrau. Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen, will Rösler einen automatischen Sozialausgleich verankern.

Mit dem Zuschuss aus Steuergeldern soll also dafür gesorgt werden, dass die Putzfrau durch ihren Beitrag nicht überfordert wird.

Schäubles Beamte haben zudem durchgerechnet, wie es aussähe, wenn man die Kopfpauschale über das von der FDP geforderte dreistufige Einkommensteuersystem finanzieren wollte.

Statt den von den Liberalen angestrebten Steuersätzen von zehn, 25 und 35 Prozent müssten 24, 39 und 49 Prozent erhoben werden, um zusätzliche Steuereinnahmen von 32 Milliarden Euro zu erzielen.

Steuererhöhungen befürchtet

Koschyk verweist in dem Schreiben auf die geplante Regierungskommission, die Einzelheiten der Gesundheitsreform erst festlegen werde. Wirklich belastbare Aussagen könnten erst dann getroffen werden. Nach Röslers Worten soll die Kopfpauschale stufenweise eingeführt werden, sodass am Anfang weitaus geringere Kosten anfallen würden.

Dennoch sprach die Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender von einem Luftschloss. Statt der von der Koalition versprochenen Steuersenkungen würden höhere Steuern notwendig sein, um die Gesundheitsreform umzusetzen.

In der Unionsfraktion wächst derweil der Widerstand gegen eine Kopfpauschale. Der stellvertretende Vorsitzende Johannes Singhammer (CSU) stellte das Vorhaben im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung in Frage. "Eine Reform der GKV zu Lasten Dritter, nämlich zu Lasten des Steuerzahlers, wird nicht ohne weiteres durchsetzbar sein."

Es sei notwendig, sich an den Realitäten zu orientieren, und es sei äußerst unwahrscheinlich, mittelfristig 20 Milliarden Euro für den Sozialausgleich der Gesundheitsprämie zur Verfügung zu haben. "Eine Systemumstellung darf kein Selbstzweck sein, sondern muss nachprüfbare Vorteile mit sich bringen", betonte Singhammer. Solidarischer werde der Sozialausgleich nur, wenn er über direkte Steuern, also über die Einkommensteuer finanziert werde.

"Das ist aber nicht möglich", sagte er. Im Endeffekt werde der Ausgleich auch von den unteren und mittleren Einkommensschichten getragen, etwa über die Mehrwertsteuer. "Die Zielgruppe des Zuschusses finanziert den Transfer also in großen Teilen selbst." Der größte Teil dieser potentiellen Zuschussempfänger zahle keine Lohn- oder Einkommensteuer und werde deshalb vom Finanzamt nicht erfasst. Der stellvertretende Fraktionschef sieht deshalb große Probleme dabei, das Vorhaben organisatorisch umzusetzen: "Es müsste also für Millionen von Bürgern ein neuer Behördenweg etabliert werden."

Die gesetzlichen Krankenkassen haben Rösler unterdessen Vorschläge unterbreitet, wie das Defizit im Gesundheitsfonds in Höhe von etwa vier Milliarden Euro gestopft werden kann. Sie plädierten dabei für höhere Zahlungen von Apothekern und Arzneimittelherstellern. Zudem solle der Staat die Mehrwertsteuer auf Medikamente von 19 auf sieben Prozent senken. Rösler kündigte an, die Anregungen prüfen zu wollen.

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