Süddeutsche Zeitung

Steuerpolitik der OECD-Länder:Deutschland gewinnt, Irland verliert

  • Bei der OECD in Paris wird darüber verhandelt, wie die Steuern internationaler Konzerne fairer aufgeteilt werden können.
  • Die Reform zielt vor allem auf Internetfirmen wie Facebook und Amazon. Der deutsche Staat würde wohl profitieren.
  • Zum einen sollen Konzerne in Zukunft einen Teil ihrer Gewinne auch in jenen Ländern versteuern, in denen sie keine Niederlassung haben, dafür jedoch viele Kunden und Nutzer.
  • Zum anderen wollen sich die Regierungen auf eine Mindeststeuer für Konzerne einigen.

Von Björn Finke, Brüssel

Es wäre eine Jahrhundertreform der Unternehmensbesteuerung, und 137 Staaten sind daran beteiligt: Bei der Industrieländer-Organisation OECD in Paris verhandeln Regierungen darüber, wie die Besteuerung von Gewinnen multinationaler Konzerne fairer zwischen Staaten aufgeteilt werden kann.

Das zielt vor allem auf Internetfirmen wie Facebook und Amazon ab, die weltweit Kunden und Nutzer haben, aber ihre Gewinne bislang ganz überwiegend in den USA versteuern. Eine vertrauliche Analyse der EU-Kommission kommt zum Schluss, dass Europa bei Änderungen des Systems insgesamt zu den Gewinnern zählen würde. Doch gibt es auf dem Kontinent größere und kleinere Gewinner - sowie manche Verlierer. Deutschland würde mit am meisten profitieren.

Die Steuereinnahmen der Bundesrepublik könnten um bis zu 0,25 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen - das sind fast neun Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich. Diese Zahlen ergeben sich aus einer Präsentation von Fachleuten der Kommission, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Der 16-seitige Foliensatz der Generaldirektion Steuern und Zollunion stammt vom Oktober und beleuchtet die Folgen verschiedener Reformmodelle. Die neun Milliarden Euro wären Resultat jenes Modells, über das bei der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gerade verhandelt wird. Die beteiligten Regierungen trafen sich Ende Januar in Paris und zurrten einen Zeitplan fest. Bis zu einer Zusammenkunft in Berlin im Juli wollen sie eine politische Einigung bei den strittigen Details erreichen. Bis Jahresende soll die Reform endgültig stehen.

Gesprochen wird über zwei Bereiche. Zum einen sollen Konzerne in Zukunft einen Teil ihrer Gewinne auch in jenen Ländern versteuern, in denen sie keine Niederlassung haben, dafür jedoch viele Kunden und Nutzer. US-Internet-Unternehmen würden dann mehr Profite in Europa versteuern und weniger in ihrer Heimat. Umgekehrt würde der amerikanische Fiskus mehr Steuern von europäischen Exportfirmen kassieren, die dort viele Kunden, aber keinen nennenswerten Standort haben. Die Analyse der EU-Kommission widmet sich diesem ersten Reformstrang.

Die USA haben die Gespräche verkompliziert. Die EU droht mit einem Alleingang

Zum anderen wollen sich die Regierungen auf eine Mindeststeuer für Konzerne einigen: Verschiebt ein Unternehmen Gewinne in eine Steueroase und unterschreitet seine Abgabenlast daher ein bestimmtes Niveau, soll der geschädigte Staat die Differenz bei der Firma eintreiben dürfen. Bei dieser zweiten Säule sind die Verhandlungen allerdings weniger weit gediehen.

Die Kalkulationen der EU-Kommission ergeben, dass fast alle Mitgliedstaaten von der diskutierten Umverteilung der Steuerrechte profitieren würden. In Frankreich, Portugal, Malta und Slowenien wäre der Effekt - bezogen auf die Wirtschaftsleistung - am größten. Ein Verlierer wäre Irland: Auf der Insel haben Facebook, Google und Apple ihre Europazentralen, angelockt unter anderem vom niedrigen Steuersatz auf Gewinne. Doch viele Kunden haben die Konzerne nicht in der Republik mit ihren weniger als fünf Millionen Einwohnern.

Die US-Regierung hat die Verhandlungen jüngst verkompliziert, indem sie forderte, dass Firmen die Wahl zwischen alten und neuen Regeln haben sollten: Ein Unding, klagen Kritiker. Frankreich wollte das Ergebnis der Gespräche nicht abwarten und hat bereits eine Digitalsteuer eingeführt, eine Sonderabgabe, um Gewinne von Webkonzernen besser abzuschöpfen.

Dies erregte den Zorn von Donald Trump. Der US-Präsident fürchtete um seine Steuereinnahmen von Onlinefirmen und drohte deswegen mit Strafzöllen auf französische Produkte. Schließlich einigte er sich aber mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron darauf, still zu halten und zu schauen, ob bei der OECD bis Jahresende eine Lösung gefunden wird. Wenn ja, wird Paris die Digitalsteuer wieder abschaffen.

Auch die EU-Kommission beobachtet gespannt die Debatten bei der OECD. Scheitert die Reform, wird die Brüsseler Behörde als Ersatz eine europaweite Digitalsteuer vorschlagen - allein schon deshalb, weil ansonsten Regierungen geneigt sein könnten, eigene Steuern einzuführen. Dann entstünde ein Flickenteppich: "Es ist wichtig, eine Verbreitung unterschiedlicher Systeme in den Mitgliedstaaten zu verhindern", sagt Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. Seine Behörde regte allerdings bereits vor zwei Jahren eine Digitalsteuer an. Das scheiterte damals am Widerstand von Irland und den skandinavischen Staaten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gehörte ebenfalls zu den Bremsern.

Sven Giegold, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, fordert von der Bundesregierung mehr Einsatz für eine faire Besteuerung von Internetkonzernen. Die Analyse der Kommission zeige doch, dass sich "internationale Steuerkooperation für fast alle und ganz besonders für Deutschland" lohne, sagt er. "Wer Milliarden an gerechten Steuern international ernten will, muss bereit sein, in Europa voranzugehen."

Die Reformbemühungen der OECD finden sogar Beifall von unerwarteter Seite: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg am Wochenende, er hoffe auf einen Erfolg, "damit wir in Zukunft ein stabiles und verlässliches System haben". Und er akzeptiere, "dass dies heißen könnte, dass wir mehr Steuern zahlen müssen".

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SZ vom 17.02.2020/olkl
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