Konzernkritiker versteigert Porträt:Schrempp auf Ebay
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Der Daimler-Kritiker Grässlin versteigert ein Gemälde des ehemaligen Daimler-Chefs Schrempp beim Onlineportal Ebay, um die juristische Auseinandersetzung mit dem Ex-Manager um die Meinungsfreiheit zu finanzieren.
Andreas Ellinger
Das dürfte sich der ehemals mächtigste Manager Deutschlands anders ausgemalt haben, als er sich entschied, gegen seinen bekanntesten Kritiker juristisch vorzugehen: In diesen Tagen kommt ein Porträt von Jürgen E. Schrempp unter den Hammer - damit sein Biograph Jürgen Grässlin in Folge der Prozess- und Anwaltskosten nicht finanziell unter die Räder kommt.
Der Automobilkonzern Daimler, sein Ex-Boss Schrempp und sein heutiger Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche wollten ihren Kritiker Jürgen Grässlin ausbremsen und haben gegen Interview-Aussagen des Buchautors geklagt, der zugleich Sprecher der "Kritischen Aktionäre Daimler" ist.
Der Kampf um seine Meinungsfreiheit hat Grässlin inzwischen mehr als 50.000 Euro gekostet. Der Kunstlehrer hat deshalb entschieden, ein selbstgemaltes Porträt Schrempps zu verkaufen. Seit kurzem kann für das Acryl-Gemälde mit dem Titel "Jürgen E. Schrempp. Daimlers größter Kapital- und Arbeitsplatzvernichter" beim Internet-Auktionhaus Ebay geboten werden. Donnerstagmittag stand das Gebot bei gut 1500 Euro, die Versteigerung endet am Freitag, 25. Januar.
Der juristische Streit geht beispielsweise darum, dass es aus Grässlins Sicht nicht ins Bild eines freiwilligen Abgangs gepasst hat, dass Daimler in seine Ad-hoc-Meldung zum Schrempp-Rückritt nicht ein einziges Wort des Dankes geschrieben hat. Grund für ein Dankeschön sah der Konzernkritiker wohl selbst nicht: Seine Bücher mit Titeln wie "Das Daimler-Desaster" sprechen Bände. Darin beschreibt Grässlin unter anderem die Verlustgeschäfte des Managers Schrempp, die sich teilweise hinter smarten Auto-Namen verbargen. Das ist juristisch unumstritten.
Auf den Spuren Schrempps
Als Grässlin in einem Interview zum Schrempp-Rücktritt jedoch meinte, dass dessen Geschäfte "nicht immer so sauber waren", beauftragten Daimler und sein Ex-Boss den Rechtsanwalt Christian Schertz - und dann wurde es ernst. Der Anwalt suchte und fand, wie Grässlin kürzlich in einem Prozess meinte, nach Fehlversuchen in Köln und München ein Gericht, das seine Rechtsauffassung teilte: das Landgericht Hamburg. Es hat den Ruf, den Schutz der Persönlichkeitsrechte auf Kosten der Meinungsfreiheit sehr hoch zu beurteilen - und es verurteilte Grässlin zur Unterlassung. In der Berufung bestätigte das Hamburger Oberlandesgericht, dass Grässlin seine Äußerung nicht wiederholen darf. Der Daimler-Kritiker will jedoch bis vor das Bundesverfassungsgericht oder gar den Europäischen Gerichtshof ziehen, weil es ihm um das Grundrecht auf Meinungsäußerung geht.
Parallel dazu schlug der neue Vorstandsvorsitzende von Daimler, Dieter Zetsche, den Weg seines Vorgängers ein. Auch er klagte wegen eines Interviews auf Unterlassung: Es geht um den Verdacht, Zetsche könnte im Jahr 2002 als Zeuge vor dem Stuttgarter Landgericht falsche Angaben gemacht haben. Berliner Gerichte akzeptierten Grässlins Argumente für seine Aussage nicht. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat hingegen mit Beweismitteln, die der Daimler-Kritiker recherchiert hat, Ermittlungen gegen Zetsche aufgenommen. Die Ermittlungsbehörde teilt den Verdacht, den Grässlin per Zivilgerichtsbeschluss nicht mehr aussprechen darf, ohne dafür mindestens ein Ordnungsgeld verhängt zu bekommen. Das kostete dreimal vierstellige Beträge. Eine Schmerzensgeldklage von Zetsche über 50.000 Euro ist in erster Instanz auf der Strecke geblieben.
Mit Fonds-Geschäften sollen die Prozesskosten Grässlins teilweise gegenfinanziert werden - allerdings nicht mit Aktien-Fonds, sondern mit einem internationalen Rechtshilfe-Fonds, den die "Kritischen Aktionäre Daimler" eingerichtet haben. Was dort einbezahlt wird, soll dazu beitragen, Anwälte im Dienste der Meinungsfreiheit in Verfahren gegen Daimler zu finanzieren - egal, wer der Beklagte ist.
Das Acryl-Gemälde Grässlins, das zu diesem Zweck versteigert wird, könnte zum "Meinungs-Bild" werden. Es zeigt den automobilen Manager mit tiefergelegten Mundwinkeln. Der fallende Aktienkurs ist Schrempp ins Gesicht geschrieben. Ein "Frech-Dax", wer bei diesem Anblick an "Das Daimler-Desaster" denkt.