Konzerne versichern:Schutz für Roboter

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Unternehmen betrachten mögliche Angriffe von Hackern aus dem Netz mit großer Sorge. Die Versicherungsbranche verspricht sich dagegen bereits ein neues Geschäftsfeld mit erheblichem Potenzial.

(Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Die Industrieversicherung steht vor einer großen Herausforderung. Die Digitalisierung der Wirtschaft verändert das Geschäft und bringt neue Risiken mit sich. Die Kunden werden anspruchsvoller.

Von Patrick Hagen

Wenn Investorenlegende Warren Buffett in einen neuen Markt einsteigt, bleibt das nicht unbeobachtet. Seit Kurzem schauen die Industrieversicherer, die große Unternehmen und Konzerne versichern, genauer nach Düsseldorf. Denn dort hat Buffett im Juni mit der Berkshire Hathaway Specialty Insurance einen neuen Anbieter für dieses spezielle Geschäftsfeld gegründet.

Für Unternehmen wie Siemens, Thyssen-Krupp oder Daimler ist das eine gute Nachricht, für die Versicherer weniger. Denn schon jetzt gibt es viele Anbieter, die sich einen harten Wettbewerb um die Kunden liefern. Das drückt die Preise nach unten. Und Buffett ist nicht der einzige neue Anbieter. Auch die Generali will in Deutschland wieder Deckungen für Unternehmen anbieten, nachdem sie sich vor Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. "Es gab schon vor dem Eintritt neuer Anbieter viel Kapazität im Markt", sagt Christopher Lohmann, der bei der Allianz-Industrieversicherungstochter AGCS für das Geschäft in Zentral- und Osteuropa verantwortlich ist. "Der Wettbewerb bei den Preisen wird schärfer", sagt er. Eine Folge: "Die Nachfrage nach längerfristigen, also mehrjährigen Verträgen hat deutlich zugenommen."

Unternehmen wissen heute besser über ihre Risiken Bescheid als früher

Die Kampfansage von Warren Buffett an die Konkurrenz wird eines der großen Themen sein für die fast 700 Branchenexperten, die sich diese Woche bei dem Branchentreff GVNW-Symposium (Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft) in München treffen.

Die Preise für Industrieversicherungen sind zwar generell niedrig, davon können aber nicht alle Unternehmen profitieren. Insbesondere Branchen, in denen es häufig zu hohen Schäden kommt, sind bei den meisten Anbietern nicht beliebt. Vor allem Fleischproduzenten haben zuletzt hohe Millionenschäden für die Versicherer verursacht: Anfang 2015 und im März 2016 brannten zwei Schlachtbetriebe von Wiesenhof ab, im Februar 2016 zerstörte ein Feuer einen Betrieb des Konkurrenten Westfleisch.

Die Industrieversicherer stehen vor großen Umwälzungen. Ihre Kunden verändern sich in einem enormen Tempo. Das Schlagwort, das die Wirtschaft derzeit bewegt, heißt Industrie 4.0. Fabriken sind zunehmend vernetzt, Funkchips an Werkstücken stehen in Verbindung mit den Produktionsmaschinen, die Lagerhaltung ist automatisiert. Das verändert auch das Verhältnis von Industrie und Versicherern.

In der digitalen Fabrik gibt es andere Risiken als in der herkömmlichen Produktion. Versicherungen gegen Feuer-, Haftpflicht- oder Transportschäden werden auch in Zukunft gebraucht werden. Aber wenn intelligente Produktionsanlagen dank ihrer Sensoren frühzeitig vor Problemen warnen, wird es langfristig auch weniger Maschinenschäden geben. Das heißt: Auch weniger Geschäft für die Versicherer. Die Unternehmen wissen heute besser über ihre Risiken Bescheid als früher. Deswegen sind sie auch anspruchsvoller geworden, was ihren Versicherungsschutz angeht.

Lange haben die Industrieversicherer aber auch ihre Kunden an der Einschätzung festgehalten, dass sich der digitale Wandel anders als bei Privatkunden in ihrem Geschäft nicht so stark auswirken wird. Zu wichtig seien der persönliche Kontakt und das in langen Jahren gewachsene Vertrauen zwischen den Parteien. Diese Einschätzung hat ausgedient. "Unsere Kunden verändern sich schnell", sagt Allianz-Manager Lohmann. "Deshalb ist es wichtig, individuell auf Kundenwünsche eingehen zu können."

Die Digitalisierung der Wirtschaft bringt auch ganz neue Risiken mit sich. So sind moderne Fabriken fast komplett vernetzt. Das macht sie angreifbar. Hacker können sich Zugang verschaffen und die Produktion lahmlegen. Hohe Ausfallkosten für das betroffene Unternehmen wären die Folge. Die Versicherer bieten schon seit einigen Jahren sogenannte Cyber-Deckungen gegen solche Risiken an. Aber die Industrie war lange zögerlich. "Mittlerweile ist der Knoten aber geplatzt", sagt Hartmuth Kremer-Jensen, Geschäftsführer beim Industrieversicherungsmakler Aon. Die Zahl der Abschlüsse sei mittlerweile stark gestiegen, sagt er. Viele Unternehmen prüfen, ob sie eine Cyber-Police kaufen sollen. Ein Grund dafür ist die Angriffswelle mit dem Verschlüsselungstrojaner Locky Anfang des Jahres. Die Schadsoftware verschlüsselte alle Daten auf betroffenen Rechnern. Nur gegen eine Lösegeldzahlung wollten die Täter sie wieder freigeben.

Für die Versicherer ist das neue Geschäftsfeld ein Hoffnungsträger. Sie setzen darauf, dass der Markt für Cyber-Policen in den kommenden Jahren stark wachsen wird. Das Vorbild sind die USA: Dort haben die Anbieter laut einer Berechnung der Ratingagentur Fitch im vergangenen Jahr bereits Prämien von einer Milliarde Dollar (0,9 Milliarden Euro) eingenommen.

Die Nachfrage nach Versicherungen gegen Terrorschäden steigt

Auch Allianz-Manager Lohmann beobachtet eine gestiegene Nachfrage bei den Kunden nach den Policen. Der Versicherer hat weltweit bislang einen zweistelligen Millionenbetrag an Prämien eingenommen. "Wir sind sehr froh, dass wir vor drei Jahren in den Bereich investiert haben", sagt er.

Ein weiteres Wachstumsfeld für die Allianz sind Deckungen gegen Terrorrisiken. "Bei den Terrorversicherungen haben wir in den vergangenen zwölf Monaten fast noch einen größeren Sprung als bei Cyber-Deckungen gemerkt", so Zentral- und Osteuropachef Lohmann. Vor allem Deckungen, die bei einem Ausfall von Veranstaltungen einspringen und die Folgekosten übernehmen, seien begehrt.

In Deutschland läuft ein Großteil der Absicherungen gegen Terrorschäden über den Spezialversicherer Extremus, der 16 Anbietern gehört, darunter auch Allianz, Generali und Munich Re. Der Staat beteiligt sich mit einer Garantie an der Deckung möglicher Milliardenschäden.

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