Konzern in Schieflage:Arcandor braucht eilig 437 Millionen Euro

Wettlauf gegen die Zeit: Die Essener Arcandor bittet die KfW um mehrere hundert Millionen Euro, die "sehr kurzfristig ausgezahlt" werden können.

Der angeschlagene Touristik- und Handelskonzern Arcandor hat bei der Bundesregierung einen Antrag auf einen Kredit aus der Rettungsbeihilfe über 437 Millionen Euro gestellt. Das teilte das Unternehmen am Freitag in Essen mit.

Karstadt, Demonstration, ddp

Demo für Karstadt: Die Mitarbeiter bangen um ihre Jobs und appellieren an den Staat - er soll helfen.

(Foto: Foto: ddp)

Der Kredit soll die notwendige Liquidität für die nächsten sechs Monate sichern. "Nach den Regularien der Rettungsbeihilfe kann dieser Kredit von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sehr kurzfristig genehmigt und auch ausgezahlt werden", heißt es in der Mitteilung.

Antrag auf Staatsbürgschaft läuft weiter

Parallel will Arcandor weiterhin mit dem Metro-Konzern über eine Zukunft für das Warenhausgeschäft verhandeln. "Die finanzielle Stabilisierung des Konzerns ist Voraussetzung dafür, in gemeinsamen Gesprächen mit der Metro AG ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Konzept zu erarbeiten und konstruktiv zu gestalten."

Unabhängig vom aktuellen Kreditantrag bemüht sich Arcandor beim Bund um eine Staatsbürgschaft in Höhe von 650 Millionen Euro. Dieser Antrag bleibe unberührt. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick betonte, Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hätten dem Unternehmen "in persönlichen Gesprächen die Hand gereicht und uns diese Lösung empfohlen".

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte zuvor unter Berufung auf Regierungskreise geschrieben, Bund und Länder seien bereit, die Übernahme von Arcandor-Teilen durch den Konkurrenten Metro mit einer Rettungsbeihilfe in Form von Bürgschaften über 450 Millionen Euro zu begleiten.

Bedingung sei aber, dass der Antragsteller sich von weiten Teilen seines profitablen Geschäftes und damit auch von Arbeitsplätzen trennt. Zu dem Paket gehörten auch weitere Kapitalmaßnahmen der Arcandor-Eigentümer, die darüber am Donnerstag mit der Bundesregierung verhandelt hätten.

Skeptische EU

Arcandor hat bereits eine Bürgschaft im Umfang von 650 Millionen Euro beim Deutschlandfonds der Bundesregierung beantragt. Allerdings hatte die EU und zuletzt auch immer stärker die Politik Skepsis angemeldet, ob der Konzern die Kriterien dafür erfüllt. Arcandor muss bis zum 12. Juni seine Finanzierung unter Dach und Fach bringen, sonst droht dem Unternehmen nach eigener Aussage die Insolvenz.

Metro-Finanzvorstand Thomas Unger sagte der Tageszeitung Die Welt, Metro sei bereit, von den 90 Karstadt-Häusern 60 zu übernehmen. Damit gebe der Konzern "dem weit überwiegenden Teil der Karstadt-Beschäftigten eine gesicherte Zukunft". Beide Seiten hätten inzwischen ein Spitzengespräch vereinbart, sagte ein Arcandor-Sprecher.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen hat sich gegenüber Staatshilfen für skeptisch gezeigt. "Der allgemeine Grundsatz lautet: Staatliche Hilfen können immer nur die Ausnahme sein, nicht die Regel. In der Marktwirtschaft ist eine privatwirtschaftliche Lösung ohne staatliches Eingreifen in jedem Fall besser", sagte der SPD-Politiker den Dortmunder Ruhr Nachrichten.

So müsse staatliche Beihilfe für Arcandor im normalen Verfahren abgewickelt werden, wurde der Kommissar zitiert. "Die Bundesregierung müsste ihre Hilfe in Brüssel melden und die Kommission müsste sie auf Rechtmäßigkeit prüfen."

Unterdessen berichtete die Tageszeitung Die Welt, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Arcandor bestätigte, dass das Unternehmen zu retten ist. "Nach unserer Auffassung ist das uns vorgelegte Konzept schlüssig und nachvollziehbar. Das Unternehmen ist unter dem im Konzept genanten Bedingungen sanierungsfähig", zitierte das Blatt aus dem Gutachten. Voraussetzung für eine dauerhafte Sanierung sei, dass das Unternehmen wie angekündigt die anstehende Finanzierung von 1,86 Milliarden Euro sicherstelle.

Die Lage des Arcandor-Konzerns ist dem Handelsblatt zufolge kritischer als angenommen. Ein Gutachten, das die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Bundesregierung angefertigt haben, bescheinige dem ehemals unter Karstadt-Quelle firmierenden Unternehmen nur noch geringe Überlebensfähigkeit, berichtet die Zeitung, der das Papier vorlag, am Freitag. "Von dem kreditgebenden Konsortium wurde uns für Arcandor eine Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von 20 Prozent mitgeteilt", heißt es demnach in dem Papier. Entsprechend hoch wäre im Fall einer Staatsbürgschaft die Gefahr, dass der Steuerzahler bereits in den ersten zwölf Monaten zur Kasse gebeten würde.

Anders als am Mittwoch von Arcandor-Finanzvorstand Rüdiger Günther dargestellt, besitze Arcandor offenbar keineswegs mehr ein Eigenkapital von rund 1,2 Milliarden Euro, berichtet die Zeitung weiter. Seit dem letzten Konzernabschluss im September 2008 habe sich der Bestand dem PwC-Gutachten zufolge auf 177 Millionen Euro verringert. Dem Konzern drohe damit neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung, sollte der Konsortialkredit bis zum 12. Juni nicht wunschgemäß verlängert werden.

Dem PwC-Papier zufolge rutschte der Betriebsgewinn (Ebit) von Oktober bis März auf minus 360 Millionen Euro. Unter dem Strich lag der Verlust bei 603 Millionen Euro nach einem Minus von 256 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Ein Arcandor-Sprecher wollte die Zahlen gegenüber der Zeitung nicht kommentieren. Sie sollen erst am 18. Juni veröffentlicht werden.

Eine Insolvenz von Arcandor würde sich auch auf das Geschäft der Deutschen Post auswirken. Ob das auch den Wegfall von Stellen bedeuten würde, wollte ein Sprecher der Post in Bonn eitag nicht sagen. "An solchen Spekulationen beteiligen wir uns nicht", sagte er.

Das Handelsblatt berichtete, 4000 Stellen seien in Gefahr. Die Post erbringe für Karstadt/Quelle umfangreiche Logistikdienstleistungen sowie Paket-und Briefzustellungen, sagte der Postsprecher. In diesen Bereichen seien insgesamt rund 4000 Mitarbeiter beschäftigt.

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