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Konzept zum Fernverkehr:Die Bahn lässt sich was einfallen

Statt sich im Kleinklein zu verlieren, dreht die Bahn diesmal das große Rad - und könnte endlich erreichen, dass mehr Menschen den Zug nehmen. Klar, das kostet viel Geld. Und einen ganz bestimmten Fehler darf der Konzern jetzt nicht machen.

Kommentar von Daniela Kuhr

Die Bahn will ihr Netz endlich wieder ausweiten

Kostenlose Reservierungen, eine neue Drei-Monats-Bahncard, freies WLan für alle - das sind ja alles schöne Ideen von der Bahn, aber glaubt das Unternehmen wirklich, damit die Weichen für den Fernverkehr der Zukunft zu stellen? Den Eindruck musste man haben, als am Dienstagnachmittag die ersten Details des neuen Fernverkehrskonzept bekannt wurden. Doch zum Glück stellt sich jetzt heraus: Es waren wirklich nur Details. In Wahrheit hat sich der Vorstand des Konzerns sehr viel mehr einfallen lassen.

Anders als bei der Reform vor gut zwölf Jahren, als man das Preissystem auf den Kopf stellte und die Bahncard 50 abschaffte, hat der Vorstand diesmal offenbar beschlossen, sich nicht im Kleinklein zu verlieren. Stattdessen dreht er das ganz große Rad, und zwar genau genommen: zurück.

Sind in der Vergangenheit immer mehr mittelgroße Städte vom Fernverkehr abgehängt worden, so will die Bahn das Netz jetzt endlich wieder ausweiten. Und zwar schrittweise bis zum Jahr 2030 um 25 Prozent. Fünf Millionen Einwohner sollen so neu an den Fernverkehr angebunden werden. Das bedeutet, dass wieder deutlich mehr Menschen verreisen können, ohne umsteigen zu müssen.

Auf stark befahrenen Strecken sollen ICE-Züge in Zukunft sogar halbstündlich fahren, statt wie bisher nur stündlich. Ein verpasster Anschluss ist dann längst nicht mehr so ärgerlich, schließlich kommt der nächste Zug sehr viel schneller.

Enttäuschte Bahnfahrer wissen ganz schnell wohin - zum Fernbus

Solche Verbesserungen können tatsächlich spürbar dazu beitragen, dass Bahnfahren attraktiver wird - und sich wieder mehr Menschen für den Zug entscheiden. Das wäre nicht nur für die Bahn gut, sondern auch für die Umwelt. Schließlich ist ein gut ausgelasteter Zug das umweltfreundlichste Transportmittel überhaupt.

Allerdings hat die Sache einen entscheidenden Haken. Sie kostet viel Geld. Man braucht nicht nur mehr Züge, auch das Streckennetz muss so beschaffen sein, dass es genug Kapazität für die zusätzlichen Züge besitzt. Bei diesem Punkt ist allerdings auch der Bund gefragt, der immer wieder vorgibt, mehr Verkehr auf die Schiene verlagern zu wollen.

Wie wichtig ihm dieses Ziel tatsächlich ist, muss er dann beweisen. Einen Fehler jedenfalls darf die Bahn keinesfalls begehen: jetzt kräftig die Preise zu erhöhen - und das neue Konzept als Ausrede dafür zu benutzen. Sollte sie das tun, wüssten nur noch mehr Bahnfahrer ganz genau, wohin sie sich wenden: zur nächsten Fernbusstation.

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