Konzentration im Handel:Der letzte Hypermarkt

Skandale, Managementfehler, Sargnägel - die Gründe für das Aus von Real. Jahrelang hat Real andere Märkte aufge­kauft. Jetzt ist die Firma selbst dran.

Von Michael Kläsgen

Rückblickend kann man sich das kaum vorstellen, aber Real beteiligte sich mal aktiv an dem Einzelhandelsspiel "Fressen und gefressen werden". Die Marke Real entstand 1992 aus der Fusion von Divi, Basar, Continent, Esbella und Real-Kauf - Ketten, an die sich heute kaum noch jemand erinnert. Später kamen noch Massa, Massa-Mobil, Meister, BLV, Huma und Suma hinzu. Das waren keine Sanierungsfälle, sondern über Jahrzehnte regional erfolgreiche Verbrauchermärkte. 1998 schluckte Real dann noch 94 Allkauf-Märkte und 20 SB-Warenhäuser der süddeutschen Kriegbaum-Gruppe. Doch jetzt ist Schluss, Real wird selber gefressen.

Real trägt damit zur unfassbar rasanten Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel bei. Nach der letzten Berechnung des Kartellamts dominieren Aldi, Lidl, Edeka und Rewe 85 Prozent des Marktes. Hinzurechnen muss man noch die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann und jetzt die SB-Warenhäuser von Real. Die Dominanz der großen vier dürfte die 90 Prozent bald erreicht oder überschritten haben.

SB-Warenhäuser - allein der Name. Sogar Olaf Koch, Chef der Real-Konzernmutter Metro, vermied ihn. Zu unspezifisch, zu unverständlich. Woanders heißen sie hypermarkets oder hypermarchés. Hyper steht für noch größer als super, und das im Wortsinn. Real-Märkte sind teils mehr als 10 000 Quadratmeter groß, ein durchschnittlicher Discounter von Aldi oder Lidl ist um ein Vielfaches kleiner. Im Real kann man sich verlaufen, will man aber nicht.

"Einmal hin, alles drin", lautet der Slogan. Bei Real gibt's nicht nur Lebensmittel, sondern auch Scheibenwischer, Skischuhe und T-Shirts. Und das meist in einem Ambiente der Siebzigerjahre, weil seit Jahrzehnten nicht mehr in die Filialen investiert wurde. Einer, der es wissen muss, sagt: "Real hätte man schon vor zehn Jahren verkaufen müssen." Jetzt will den Laden keiner mehr oder höchstens geschenkt.

Zwischen den großen vier hat kaum ein anderer Platz. Selbst der US-Konzern Walmart zog wieder von dannen. Niedrige Margen, niedrige Gehälter, niedrige Einkaufs- und Verkaufspreise und ein fein ziseliertes Warenwirtschaftssystem, das sind die Zutaten des deutschen Lebensmitteleinzelhandels. Wer da nur in einem Punkt nicht mithalten kann, ist draußen. Siehe Real. Allein die Gehälter waren - im Branchenvergleich - zu hoch.

Da half auch kein Kostensenkungsprogramm mehr, und auch nicht der Verkauf der Märkte in Polen, Rumänien und der Türkei. Hinzu kamen Skandale und Skandälchen: um verdorbenes Hackfleisch und die Werbekampagne "Besorg's dir doch einfach". Weil die auch noch viel Geld kostete, flogen die Geschäftsführer. Real kam seit 2000 aus dem Krisenmodus nicht mehr heraus. Das wahllos zusammengekaufte Filialnetz war zu heterogen, um profitabel zu sein. Konkurrenten wie Globus, Kaufland und Hit schlugen mit aggressiven Rabatten dann Woche für Woche einen Sargnagel nach dem anderen ein. Dabei haben auch sie Schwierigkeiten. Real geht es heute so schlecht, dass die Kette nur noch die Bilanz von Metro belastet. Kein Wunder, dass Koch den anderen Real jetzt zum Fraß vorwirft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: