Süddeutsche Zeitung

Kontrolle der Bankenbranche:Im Netz der Justiz

500 Fahnder haben die Deutsche Bank wegen des Verdachts auf Steuerbetrug durchsucht - ausgerechnet jene Bank, die sich gerade erst einen Kulturwandel verordnet hat. Die Ermittlungen häufen sich in der Geldbranche, das Netz der Justiz zieht sich zu. Der Politik sollte das eine Mahnung sein, nun scharfe Regeln durchzusetzen.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Als die beiden neuen Chefs der Deutschen Bank im September ihre Strategie präsentierten, war kein Wort zu groß. Anshu Jain und Jürgen Fitschen versprachen einen "Kulturwandel". Die Geldhäuser hätten große Fehler gemacht, entschuldigten sie sich für die Finanzkrise. Banken müssten wieder in der Mitte der Gesellschaft ankommen, und dabei übernehme das größte deutsche Geldhaus, na klar: die Führung. Dann sagte Jürgen Fitschen im traditionsreichen Hermann-Josef-Abs-Saal in Frankfurt den bemerkenswerten Satz: "Wer zur Deutschen Bank kommen will, um schnell reich zu werden, gehört nicht dazu."

Am Mittwoch schwärmten 500 Fahnder bei der Deutschen Bank aus, weil einige Geschäftsleute schnell reich werden wollten - illegal. Sie griffen dafür zum Steuerbetrug mit Umweltzertifikaten. Die Banker verdächtigt man dabei, Teil eines kriminellen Systems gewesen zu sein und Straftaten vertuscht zu haben. Ins Visier der Ermittler gerät, wenn auch womöglich nur aus formalen Gründen, ein gewisser Jürgen Fitschen.

Richtig überraschen wird diese Meldung nur jene, die zuletzt keine Zeitung lasen. Andere Nachrichten zur Auswahl: Die Großbank HSBC zahlt zwei Milliarden Dollar Strafe wegen Geldwäsche für Drogenbosse und Schurkenstaaten. Mitarbeiter der deutschen HVB sollen den Staat bei Aktiengeschäften betrogen haben. Und der Deutsche Bundestag lädt Bankchef Anshu Jain vor, in Zusammenhang mit globalen Zinsmanipulationen - doch Jain lässt die Gelegenheit aus, in der Mitte der Gesellschaft für seine Lauterkeit zu werben. Er schickt einen Unterling.

Sind Banker böse? Dient das Reden vom "Kulturwandel" nur dazu, die Bürger einzuseifen, um weiter Gewinne zu maximieren und etwaige Risiken maximal dem Steuerzahler aufzuhalsen? So einfach ist es, wie meist im Leben, auch mit den Bankern nicht. Interessant ist, wie sich derzeit Ereignisse ballen, die über die Zukunft der Geldbranche entscheiden könnten - eine Zukunft, in der vieles anders sein muss als jetzt.

Nachdem die Finanzkrise die Steuerzahler Hunderte Milliarden gekostet hatte, forderten viele Strafen für die Bankzocker. Es geschah fast nichts, zum großen Frust vieler Menschen. Seit ein paar Monaten aber zieht sich das Netz der Justiz um die Geldbranche zu. Viele Strafen und Verfahren hängen mit den Geschäften zusammen, die zur Finanzkrise führten. Anderes ist neueren Datums, wie der Steuerbetrug mit Zertifikaten.

Deutsche Bank müsste beim "Kulturwandel" Führung übernehmen

Spannend ist, dass dieser Clash mit der Justiz just zu dem Zeitpunkt kommt, da Europa intensiv über eine Kontrolle der Banken debattiert. Eine zentrale Aufsicht soll Schieflagen verhindern, es gibt auch radikalere Ideen: Ein EU-Gremium will - genau wie Kanzlerkandidat Peer Steinbrück - Risikodeals vom normalen Geschäft trennen, damit bei der nächsten Krise nicht mehr die Steuerzahler bluten müssen, sondern die Spekulanten selbst.

Die Banken begehren gegen harte Regeln auf, doch gleichzeitig werden immer mehr anrüchige Praktiken bekannt. Wählern und Politikern könnte dies eine Warnung sein. Eine Warnung, sich nicht vom Gejammer der Banken beeindrucken zu lassen, sondern scharfe Regeln durchzusetzen. So wie nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre, als die Geldbranche an die Kette gelegt wurde - bis Ronald Reagan und Margaret Thatcher alles entfesselten. Die Begründung für den harten Kurs wäre, dass sich einer Branche nicht trauen lässt, die Kulturwandel predigt und dunkle Geschäfte praktiziert.

Vertrauen ist ein aufschlussreicher Begriff, weil es für das Finanzwesen zentral ist. Ein Autobauer baut Autos, eine Handyfirma Handys - und eine Bank lebt an sich vom Vertrauen ihrer Kunden. Davon, dass ihr Anleger Geld anvertrauen, und Firmen daran glauben, den passenden Kredit zu bekommen. Verdient eine Branche, die alle paar Tage derart in die Schlagzeilen gerät, dieses Vertrauen? Kaum. Offenbar glauben viele Banker, dass sie anders als früher keine Dienstleister, sondern die Kunden ihnen ausgeliefert sind. Bei der US-Bank Goldman Sachs nannte man die Klienten lange "Trottel", behauptet der Aussteiger Greg Smith.

Gerade aber dreht sich der Wind. Vielleicht sind Bürger und Politiker nicht mehr bereit, milde mit einer Branche umzugehen, die so offensiv gegen Gesetz und Moral verstößt. Wenn die Banker klug sind, nehmen sie den Kulturwandel ernst. Als größtes heimisches Geldhaus müsste die Deutsche Bank dabei tatsächlich die Führung übernehmen. Der Steuerbetrugsfall ist noch zu unklar, um über die beiden neuen Chefs zu urteilen. Doch klar ist: Sie haben einen Wandel versprochen. Und nun läuft ihre Zeit für Taten immer schneller ab.

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SZ vom 14.12.2012/fran
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