Süddeutsche Zeitung

Konto-Kündigung:Finanzagentur verunsichert Hunderttausende Anleger

Das Schreiben verunsichert viele Empfänger: In einem Brief droht die Finanzagentur des Bundes Hunderttausenden Anlegern damit, ihr Konto bei der Agentur zur kündigen. Begründung: Es entspreche nicht dem Geldwäschegesetz. Viele Kontoinhaber reagieren empört - und müssen jetzt handeln.

Andreas Jalsovec

Die Betreffzeile über dem Schreiben klingt alles andere als freundlich, eher wie eine Anklage: "Umsetzung der Anforderungen des Geldwäschegesetzes" steht da in Großbuchstaben. Darauf folgt die Drohung, das eigene Konto werde "bei weiterhin unzureichender Mitwirkung" zum 31. Januar gekündigt. Absender des Briefs ist keine gewöhnliche Bank, sondern die Finanzagentur der Bundesrepublik. Die in Frankfurt ansässige Einrichtung verschickt das Papier derzeit an Hunderttausende Privatanleger. Viele sind deshalb verunsichert und empört. Bei der Hotline der Agentur laufen seit Wochen die Telefone heiß.

Die Finanzagentur erledigt die Kapitalmarktgeschäfte des Bundes. Privatanleger, die Bundeswertpapiere kaufen, können dort ein sogenanntes Schuldbuchkonto für ihre Schatzbriefe oder Bundesanleihen eröffnen. Es ist kostenlos und war lange Zeit ziemlich einfach zu bekommen. Anleger mussten weder ihre Staatsangehörigkeit noch ihren Geburtsort angeben. Seit April letzten Jahres jedoch ist das anders. Seitdem gilt auch für die Finanzagentur das Geldwäschegesetz. Es war nach den Terroranschlägen vom 11. September eingeführt worden und schreibt unter anderem vor, dass Anleger nachweisen, wo sie geboren sind und aus welchem Land sie stammen.

Genau diese Angaben fehlten jedoch bei den Inhabern von rund 420.000 der insgesamt 450.000 Konten, die Privatanleger bei der Finanzagentur haben. Seit August versucht die Bundeseinrichtung daher, die Daten einzusammeln. Sie fordert dazu von den Kunden eine beglaubigte Kopie des Personalausweises. Die Kosten dafür tragen die Anleger.

Ob es nur daran liegt, dass die Aktion bislang nur mäßigem Erfolg hatte - wer weiß. Nach der ersten Aufforderung jedenfalls "kamen lediglich 100 000 Schreiben in der von uns geforderten Form zurück", sagt ein Sprecher. Mittlerweile sind es einige mehr. Bei rund 160 000 Konten fehlen die Daten aber noch immer. Insgesamt betroffen sind daher nach Angaben der Finanzagentur rund 300 000 Personen, denn es gibt neben den Inhabern beispielsweise auch Bevollmächtigte für die Konten.

Sie alle bekommen derzeit die Kündigungsandrohung - und machen ihrem Ärger darüber im Internet oder am Telefon Luft. Die Hotline der Finanzagentur ist dauerbesetzt. Wer dennoch durchkommt, wird auf Band um Geduld gebeten. "Ich habe das Gefühl", schreibt ein Nutzer in einem Internet-Forum, "dass es sich um Comedy handelt - aber um sehr makabere." Ein anderer beschwert sich darüber, dass die Agentur hartnäckig von seinem Sohn, auf den ein Konto läuft, die beglaubigte Kopie des Ausweises verlangt, obwohl "13-jährige Kinder in Deutschland keinen Personalausweis besitzen müssen". "Als Kunde", schlussfolgert ein anderer Betroffener, müsse man "zunehmend Zweifel an der Professionalität des Geldinstituts bekommen".

Verbraucherschützer bemängeln zumindest die Vorgehensweise der Agentur. "Es ist eine Frage des Stils", meint Hermann-Josef Tenhagen, Finanzexperte bei der Stiftung Warentest. Drohgebärden, wie sie in dem Brief zum Ausdruck kommen, seien im Umgang mit Kunden "immer schwierig".

Bei der Finanzagentur beruft man sich dagegen auf das Gesetz. "Wir haben dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen umgesetzt werden", betont der Sprecher. Und die sähen eben die Kündigung zum 31. Januar vor, wenn der Kunde bis dahin seine Identität nicht nachweist. Das sei zwar grundsätzlich auch mit dem sonst bei Banken gängigen Postident-Verfahren möglich. Dabei legt der Kontoinhaber bei einer Postfiliale seinen Ausweis vor. Die Post bestätigt dann die Identität. Für die Kunden wäre das sogar umsonst. Die Kosten dafür blieben jedoch bei der Finanzagentur hängen.

Um das zu vermeiden, lässt die Agentur stattdessen die Anleger eine beglaubigte Kopie vorlegen. Sie kostet bei der Gemeinde- oder Stadtverwaltung um die fünf Euro, beim Notar sind es etwa zehn Euro. Auch Pfarrämter öffentlich-rechtlich organisierter Kirchen können die Ausweiskopie mit einer Beglaubigung absegnen. Verbraucherschützer Tenhagen rät den Kunden dazu, in den sauren Apfel zu beißen und "das einfach zu machen. Es hat ja keinen Sinn, sich bockbeinig zu stellen".

Tatsächlich ist eine Konten-Kündigung für Anleger zumindest unkomfortabel. Denn danach werden auf dem Konto lediglich Aufträge ausgeführt, die der Abwicklung dienen. Man kann die dort eingetragenen Wertpapiere dann nur noch bis zur Fälligkeit stehen lassen, sie vorzeitig zurückgeben oder verkaufen. Neue zu kaufen oder alte umzutauschen, ist nicht mehr möglich.

Die Papiere lassen sich aber auf ein anderes Depot übertragen, etwa bei der eigenen Hausbank. Auf diesem Weg können sich Anleger auch jetzt schon die Kosten für den beglaubigten Ausweis sparen. Sie müssen dazu ein neues Konto bei der Finanzagentur eröffnen - per kostenlosem Postident-Verfahren. Auf dieses neue Konto übertragen sie die Papiere von der Hausbank wieder zurück. Das alte Konto bei der Agentur ist dann hinfällig - und mit ihm die Ausweiskopie.

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SZ vom 03.01.2012/beitz/hgn
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