Konsum:Das "Horrorszenario"

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Puma-Filiale in New York: Zuletzt machte der Sportartikelhersteller Millionenverluste. Jetzt sind die Lagerbestände hoch. (Foto: Vanessa Carvalho/imago)

Das Geschäft von Puma läuft seit Kurzem wieder besser. Doch was, wenn eine zweite Welle kommt?

Von Uwe Ritzer, Herzogenaurach

Das Jahr 2020 hat Björn Gulden bereits abgehakt, mehr oder weniger. "Es ist ein verlorenes Jahr", sagte er gleich drei Mal, als er am Mittwochvormittag Rückschau hielt auf die Geschäfte des Sportartikelherstellers Puma in den ersten sechs Monaten. Gewiss, inzwischen laufen sie in etwa wieder auf Vorjahresniveau und damit deutlich besser als beispielsweise im April, als Puma infolge der Corona-Pandemie nicht einmal mehr halb so viel Umsatz erwirtschaftete wie im April 2019. Die große Angst des Puma-Chefs Gulden aber bleibt: ein neuer, globaler Lockdown in den kommenden Monaten. "Das wäre ein Horrorszenario", sagt er.

Gulden, 55, geht es wie vielen Managern und Unternehmern in diesen pandemischen Zeiten. Sie haben keine Erfahrungswerte mit solchen Seuchenkrisen, sind geschockt und trauen sich dementsprechend auch keine Prognosen mehr zu. Nach 43,6 Millionen Euro operativem Verlust in den ersten sechs Monaten (im Vorjahr verdiente Puma im selben Zeitraum noch 222,8 Millionen Euro) und einem Umsatzeinbruch von 15,4 Prozent auf 2,13 Milliarden Euro wäre die Nummer drei der Sportartikelindustrie schon froh, das restliche Jahr einigermaßen zu überstehen.

Vor allem das zweite Quartal sei eine Katastrophe gewesen, sagte Gulden. Niemals habe er erwartet, dass ein Virus 85 Prozent des weltweiten Sport- und Modegeschäfts lahmlegen könnte. Die Monate April bis Juni, in denen die Puma-Geschäfte um fast ein Drittel einbrachen und knapp 115 Millionen Euro Verlust auflief, seien seine bisher schwierigsten gewesen, sagte Björn Gulden.

Puma rüstet auch die isländische Fußballnationalmannschaft aus - die gilt als Sympathieträger

Puma hat auf die Auswirkungen der Pandemie mit einer zweigeteilten Strategie reagiert. Einerseits kümmerte sich der Sportartikelhersteller mit Sitz in Herzogenaurach bei Nürnberg um die akute Bewältigung der Krise. Ein 900-Millionen-Euro Hilfskredit, davon 625 Millionen von der staatlichen KfW-Bank, garantiert erst einmal finanzielle Stabilität. Daneben wurde auf die Kostenbremse getreten. Ein großes Problem nach wie vor sind die vollen Lager. Ware im Gegenwert von 1,3 Milliarden Euro wartet auf den Abverkauf. Weil naturgemäß niemand Fußballschuhe kauft, wenn kein Fußball gespielt werden darf, oder Fantrikots, wenn nur noch Geisterspiele abgehalten werden und eine Europameisterschaft komplett abgesagt wird.

Geschäft ließ sich während der Pandemie bislang nur mit Laufschuhen, Gymnastik-, Yoga- oder anderen Ausrüstungen machen, Utensilien also für den Individualsport, der auch in Lockdown-Zeiten möglich ist. Teil zwei der Strategie sei es bei Puma aber auch gewesen, in die Zukunft zu investieren, sagt Gulden. Zum Beispiel in die planmäßige Entwicklung der Kollektionen für 2021, aber auch in neue Werbeträger wie das kanadische Model Winnie Harlow, Grammy-Award-Sieger J. Cole, Weitsprung-Weltmeister Tajay Gayle oder die isländische Fußball-Nationalmannschaft. Letztere rüstet Puma wohl kaum aus in der Hoffnung auf sportliche Erfolge; vielmehr erwiesen sich die Kicker von der Insel und ihr Anhang bei vergangenen Turnieren als Sympathieträger - davon soll auch ein wenig auf die Marke Puma abstrahlen.

Im Rest des Jahres hofft das Management auf eine Erholung der Sportartikelmärkte und darauf, 2021 wieder auf Wachstumskurs zu gelangen. "Vieles deutet darauf hin, dass Gesundheit und Sport noch wichtiger sein werden als vor der Krise", hofft Puma auf einen langfristigen Trend. Kurzfristig gehe es vor allem darum, dass das Unternehmen die Krise überlebe, sich erhole und wieder zu alter Stärke finde.

Doch keine Krise, die nicht auch Nutzen und neue Erkenntnisse bringt. Da sind vor allem die Möglichkeiten der Digitalisierung. Wie alle Sportartikelhersteller verkauft auch die Raubkatzen-Marke immer mehr Ware im Netz. Das eigene Online-Geschäft wuchs bei Puma im ersten Halbjahr um 70 Prozent auf 232 Millionen Euro. Und anstatt mit Hilfe von Produktmustern aus asiatischen Fabriken werden neue Schuhe und Shirts inzwischen komplett am Bildschirm entwickelt.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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