Süddeutsche Zeitung

Konkurrenz für Nespresso:Kampf um den Kaffee

Nestlé verdient mit seinem Kapselsystem Nespresso Milliarden. Kein Wunder, dass es immer mehr Nachahmer gibt. Jetzt steigt Aldi in das lukrative Geschäft ein. Das ist gut für die Verbraucher, aber schlecht für die Umwelt.

Von Stefan Weber

Zu den vielen Tricks, mit denen es John D. Rockefeller vom mittellosen Niemand zum einst reichsten Mann der Welt brachte, gehörte auch dieser: Ende des 19. Jahrhunderts verschenkte der US-amerikanische Unternehmer Öllampen an die Chinesen. Ein uneigennütziges Präsent war das natürlich nicht. Um die Leuchten zu betreiben, mussten die Beschenkten Rockefellers Öl kaufen. Dem Unternehmer sicherte das zusätzlichen Absatz und hohe Gewinne.

Die Idee des US-Milliardärs haben später viele Geschäftemacher kopiert. Die Anbieter elektrischer Zahnbürsten beispielsweise. Oder die von Nassrasierern, deren Klingen oft teurer sind als der Rasierer selbst. Ähnlich machen es Druckerhersteller: Zwei bis drei Patronen kosten schon mal so viel wie das ganze Gerät. Die derzeit erfolgreichsten Nachahmer des Rockefeller-Prinzips sind wohl die Verkäufer einer Maschine, an deren Erfolg vor einigen Jahren kaum einer geglaubt hätte: die des Kaffeekapsel-Automaten.

Den Markt geschaffen hat der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé mit seinen bunten Kapseln. Die gibt es in Läden, die Boutiquen heißen. Gelockt wurden die Kunden von Werbespots, in denen George Clooney die charmanteste Version seiner selbst und John Malkovich Gott spielt.

An dem Geschäft wollen auch andere verdienen

Offizielle Zahlen gibt es zwar nicht. Aber Branchenkenner sind sich einig: Das Geschäft mit den Kapseln, die das Unternehmen unter der Marke Nespresso vertreibt, ist äußerst lukrativ. Schon 2010 sollen die Einnahmen bei fast drei Milliarden Euro gelegen haben. In der billigsten Variante kosten die kleinen Dosen 35 Cent pro Stück. Bei sechs Gramm Kaffee, die in jeder Kapsel stecken, ergibt sich ein Kilo-Preis von knapp 60 Euro. Ein Kilo Kaffeebohnen kostet dagegen gerade mal zwischen acht und zehn Euro.

An dem Geschäft wollen angesichts solcher Margen auch andere verdienen. Von nächsten Mittwoch an (30. Oktober) wird Aldi Süd eigene Kapselkaffee-Maschinen verkaufen, für knapp 70 Euro. Dieser Preis bewegt sich im Durchschnitt der Konkurrenzangebote. Die Kapseln werden allerdings nur 19 Cent pro Stück kosten.

Aldi ist nicht der erste Nachahmer des Nespresso-Systems. Tchibo bietet ein eigenes Kapsel-System samt Maschinen an. Und Wettbewerber Lidl verkauft lediglich Portionsdöschen, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel sind. Angesichts der Vertriebskraft von Aldi ist aber damit zu rechnen, dass schon bald in weiteren Zehntausend Haushalten Kaffee auf Knopfdruck aus Kapseln zubereitet wird.

Schon nach dem Zweiten Weltkrieg hieß Kaffee zu trinken, sich wieder etwas leisten zu können, so sieht es zumindest der Chef des Deutschen Kaffeeverbands. Heute steht Kaffee für Genuss, und den wollen die Menschen sofort und möglichst exklusiv. Auch daher kommt der Erfolg der durchgestylten Nespresso-Läden. Aldi wird nun Exklusivität für alle anbieten.

Ein geschlossenes System mit eigenen Maschinen auf den Markt zu bringen umgeht zudem ein Problem: Die Kapseln des Discounters Lidl machten anfangs den Nespresso-Maschinen so große Schwierigkeiten, dass Lidl sie nach kurzer Zeit wieder vom Markt nehmen musste. Seit ein paar Wochen ist eine nachgebesserte Variante auf dem Markt.

Nestlé hätte das Geschäft natürlich weiterhin gern für sich allein. Die Verkaufszahlen für Maschinen und Kapseln legen Monat für Monat in zweistelligem Tempo zu. Nach Schätzung des Marktforschungsunternehmens Nielsen haben Kapselsysteme bereits einen Anteil von sieben Prozent am knapp vier Milliarden Euro großen deutschen Kaffeemarkt.

Warnhinweis "Nicht für Nespresso-Maschinen geeignet"

Pionier Nespresso witterte bei Lidl und anderen eine Verletzung seines Patents und hatte die Konkurrenten im Frühjahr per einstweiliger Verfügung verpflichten wollen, ihre deutlich billigeren Kapseln mit einem Warnhinweis zu versehen: "Nicht für Nespresso-Maschinen geeignet". Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Klagen ab.

Seitdem konkurrieren die Anbieter auf dem Kapselmarkt umso heftiger. Immer neue Wettbewerber steigen in das Geschäft ein. Mondelez (früher Kraft Foods) mischt mit Jacobs Kaffee mit, die Schweizer Migros-Tochter Delicia bietet Kapseln unter der Marke Café Royal an. Inzwischen betreibt Nestlé unter dem Label Dolce Gusto selbst ein zweites, günstigeres Kapselsystem.

Die Marktanteile im Kaffeegeschäft dürften sich jedenfalls weiter verschieben: Filterkaffee wird nach Einschätzung von Branchenkennern weiter Kaffeetrinker verlieren. Noch macht diese Zubereitung etwa die Hälfte des Marktes aus. Neben Kapseln werden auch ganze Bohnen weiter stark gefragt sein. Deren Absatz profitiert davon, dass sich immer mehr Menschen in Deutschland einen Kaffeevollautomaten anschaffen, der die Bohnen frisch mahlt. Auch Kaffee-Pads sind stark gefragt. Hier konkurrieren die Unternehmen aber bereits so stark, dass die Preise gefallen sind. Der Umsatz mit diesen Produkten ist im ersten Halbjahr 2013 um 2,6 Prozent abgesackt.

10.000 Tonnen Müll

Ein Aspekt ist dabei allerdings alles andere als exklusiv: der Abfall, der entsteht. Bereits im vergangenen Jahr landeten in Deutschland etwa 10.000 Tonnen Kapseln auf dem Müll. Die meisten Portionsdosen sind aus Plastik; oft sind sie noch einzeln in Folie eingepackt. Nespresso fertigt seine Hülsen aus Aluminium - was nach Angaben des Herstellers am besten geeignet ist, den Inhalt vor Sonnenlicht und Sauerstoff zu schützen.

Allerdings ist die Herstellung von Aluminium sehr energieintensiv. Bei der Gewinnung von etwa einem Kilogramm Aluminium aus Bauxit fällt ein Stromverbrauch von knapp 14 Kilowattstunden an. Aus einem Kilogramm Aluminium lassen sich etwa 1000 Kaffeekapseln formen. Zwar sind Produkte aus Aluminium gut recycelbar. Dafür müssen sie aber zunächst gesammelt werden.

In Deutschland gelten die Kapseln als Verpackung und können über die Gelbe Tonne entsorgt werden. In Ländern, in denen es solche Sammelprogramme nicht gibt oder die Hülsen nicht als Verpackung anerkannt sind, versucht Nestlé über ein eigenes System, möglichst viele Kapseln zurückzugewinnen. Schöne neue Kaffeewelt.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2013/mahu
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