Sammeltaxi: Konkurrenz für die Bahn:Frankfurt - Köln für zwölf Euro

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Die Bahn ist für die meisten Nutzer von illegalen Mitfahrgelegenheiten keine Alternative - zu teuer. Die Zentralen funktionieren wie ein Sammeltaxi, nur an der Steuer vorbei. Das ist illegal, aber lukrativ.

M. Olbrisch

Mal heißt er Didi, manchmal auch Daniel. Nur die Handynummer ist immer die gleiche. Dutzende Menschen rufen sie jeden Tag an, wenn sie mal schnell und vor allem billig von A nach B wollen. Wer sich ein paar Stunden vorher meldet, bekommt sicher noch ein Plätzchen auf Didis Rückbank. Bis zu drei Mal täglich rollt sein Van von Düsseldorf nach Frankfurt - und auch wieder zurück. "Hallo?" brüllt er im Fünf-Minuten-Takt gegen den Fahrtlärm in sein Handy. "Wo wollen Sie fahren? Wie viel Uhr?" Zwölf Euro kostet eine Fahrt von Frankfurt am Main nach Köln bei ihm, meist sind alle sechs Plätze besetzt. Zum Vergleich: Bahnreisende zahlen für eine normale Fahrt im Intercity, der etwa genauso lange unterwegs ist wie Didis Opel, mehr als 40 Euro.

Hauptbahnhof Köln - es geht auch ohne Bahn. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Handynummer von Didi/Daniel steht in Portalen im Internet: 1,4 Millionen Menschen sind derzeit auf dem Portal Mitfahrgelegenheit.de registriert. Der größte Konkurrent Mitfahrzentrale.de verzeichnete bei der letzten Erhebung 2008 etwa 1,2 Millionen angemeldete Nutzer. Hier können Privatpersonen eintragen, wann und wohin sie mit dem Auto unterwegs sind - mögliche Mitfahrer können sich dann per Mail oder Telefon bei ihnen melden.

Eigentlich sind diese Portale für Menschen gedacht, die eine Fahrgemeinschaft suchen, um am Ende die Benzinkosten zu teilen. Didi und seine Kollegen aber sind Profis. Wer dreimal am Tag zwischen Frankfurt und Köln, zwischen Berlin und Hamburg, München und Stuttgart hin- und herfährt, tut das nicht, um dort Freunde zu besuchen. Die Zentralen funktionieren wie ein Sammeltaxi - nur an der Steuer vorbei. Das ist illegal, aber lukrativ.

Eine verschworene Gemeinschaft

Am Frankfurter Hauptbahnhof, "Treffpunkt vor McDonalds", kennt man sich. Die jungen Männer, meist mit geräumigen Siebensitzern auf Deutschlands Straßen unterwegs, sind eine verschworene Gemeinschaft. "Heute Morgen hab ich den auch schon gesehen", sagt ein junger Marokkaner über Didi. Er selbst war da auf dem Weg nach München, jetzt schichtet er wieder fremde Reisetaschen und Rucksäcke von Mitreisenden in den Kofferraum seines Autos. An Menschen, die das Spiel mitspielen, mangelt es nicht.

Die Mitfahrangebote sind deshalb so beliebt, weil es in Deutschland kein ausgebautes Fernbusnetz mit günstigen Verbindungen gibt. Denn das Personenbeförderungsgesetz von 1934 schützt die Bahn vor Konkurrenz auf vier Rädern. Linienverkehr jenseits der Schiene darf auf einer Strecke mit Zugangebot nur dann genehmigt werden, wenn dieser eine "wesentliche Verbesserung" des Angebots darstellt. De facto gibt es keine genehmigten Fernbus-Verbindungen - außer von westdeutschen Städten nach Berlin und zurück. Diese Ausnahme stammt noch aus Mauerzeiten. Fahrten mit dem Linienbus von Köln nach Berlin sind deswegen erlaubt. Von Köln nach Dortmund hingegen nicht.

Die Bahn ist für die meisten Nutzer der illegalen Mitfahrgelegenheiten keine Alternative. Zu teuer. Zum Fahrplanwechsel im Dezember wurden die Fahrpreise im Nahverkehr wieder erhöht. Im Fernverkehr bleiben sie immerhin zum ersten Mal seit neun Jahren konstant.Trotzdem geht die Bahn gegen unliebsame Konkurrenz rabiat vor: Drei Studenten aus Offenbach gründeten die Busmitfahrzentrale Deinbus, die Reisebus-Fahrten für kleines Geld durch ganz Deutschland organisiert. Die Deutsche Bahn will das Start-Up jetzt per Unterlassungsklage stoppen. Derzeit streiten die Parteien vor Gericht.

Dabei folgen die Gründer von Deinbus.de einer ähnlichen Idee wie die Mitfahrportale: Menschen mit dem gleichen Fahrtziel schließen sich zusammen, Deinbus.de organisiert den passenden Bus, ist also nur Vermittler, nicht Veranstalter der Reise. Den Fahrplan machen die Kunden, "Gruppenreise" titulieren sie die Fahrten offiziell. Die Bahn erkennt darin trotzdem einen Linienverkehr. Noch ist nicht entschieden, wie die Sache für die drei Studenten ausgeht. Unterstützung bekommen sie von allen Seiten - fast Zehntausend stärken den Unternehmensgründern allein auf der Internetseite Facebook den Rücken. Scheitert das Projekt, dürfte das den PKW-Mitfahrportalen neuen Auftrieb geben. "Wir wachsen jedes Jahr zwischen 30 und 40 Prozent", sagt Michael Reinicke, Mitgründer von Mitfahrgelegenheit.de. Die Nutzer sind längst nicht nur klamme Studenten, die sich das Geld für ein Zugticket sparen wollen. "Das geht durch alle Altersklassen", sagt er. Vom Geschäftsmann, der die langen Fahrten zum nächsten Termin nicht allein zurücklegen will, über Urlaubsreisende bis hin zu Pendlern, die jeden Tag in fremde Fahrzeuge steigen. Sogar ins benachbarte Ausland kann man auf diese Weise fahren.

Reinicke ist es wichtig, dass die Fahrer ausschließlich die entstandenen Kosten untereinander aufteilen. "Niemand soll damit Geld verdienen", betont er. Beim Großteil der Nutzer sei das auch so. Dass es immer wieder schwarze Schafe wie Didi gibt, die diese Grundregel nicht beachten, ist Reinicke bewusst. "Wenn wir Wind davon bekommen, dass einer die Sache kommerziell betreibt, wird sein Profil sofort gesperrt", versichert er. Es gibt auch eine Schwarze Liste, wo die Nutzer Regelverstöße melden können. Die Portalbetreiber würden zudem die Behörden einschalten.

Dass seine Einnahmequelle jederzeit versiegen kann, hat Didi im Hinterkopf. Die Angst aufzufliegen fährt mit. "Letztens hat einer mein Nummernschild fotografiert", erzählt er auf der Autobahn. Der Mitfahrer habe sich geärgert, es sei eng im Auto gewesen, er musste seine Reisetasche auf den Schoß nehmen. "Unfair", findet Didi dessen Verhalten. Ärger gebe es jedoch immer mal wieder. Gerät er morgens im Berufsverkehr in den Stau, kann das seinen ganzen Tagesplan über den Haufen werfen. Zudem sagt er meist immer einer Person mehr zu, als er Plätze frei hat. "Leute kommen oft einfach nicht und sagen auch nicht ab - dann habe ich einen Platz frei, das lohnt sich nicht." Wenn doch alle vollzählig sind, müsse halt einer da bleiben. Mütter müssten in solch einer Situation einfach ein Kind auf den Schoß nehmen. Natürlich protestierten die Mitfahrer dann, räumt er ein. "Bringt denen aber nix", sagt er. "Sollen sie doch mit der Bahn fahren." Am Ende steigen alle ein.

© SZ vom 27.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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