Konkurrenz für deutsche Lebensmittelgeschäfte:Essen ist fertig

Der deutsche Lebensmittelmarkt ist umkämpft wie kein zweiter in Europa. Nun will ein Konzern aus Amsterdam Rewe und Co. das Fürchten lehren, in dem er vor allem Fertigessen "to go" verkauft. Eine ehemalige Schlecker-Filiale in Aachen macht den Anfang.

Stefan Weber

Ein kleines Ladenlokal, etwa 80 Quadratmeter, in der Aachener Petersstraße, direkt gegenüber dem Busbahnhof: Hier verkaufte bis vor ein paar Wochen Schlecker Shampoos, Babywindeln und Zahnbürsten.

'Albert Heijn to go' kommt nach Deutschland

"Albert Heijn to go" nennen die Niederländer ihren ersten Laden auf deutschem Boden - in Anlehnung an den Namen der Supermarktkette, mit der sie in ihrer Heimat (siehe Foto) Marktführer sind: Albert Heijn.

(Foto: dpa)

Inzwischen ist der Drogeriefilialist Geschichte. Der neue Nutzer der Immobilie öffnet an diesem Mittwoch, und der gesamte deutsche Lebensmittelhandel wird sehr aufmerksam hinschauen. Denn das Lädchen in der Aachener Innenstadt dürfte dafür sorgen, dass bald noch mehr Bewegung in den ohnehin stark umkämpften Markt mit Lebensmitteln kommt.

Der niederländische Handelskonzern Ahold wagt den Sprung über die Grenze und verkauft in der ehemaligen Schlecker-Filiale Dinge, bei denen vor allem Schüler, Studenten, Pendler und eilige Büromenschen gerne zugreifen: frische Salate, mundgerecht geschnittenes Obst, Sandwiches, warme Suppen, Pasta und natürlich Kaffee und Cappuccino.

"Convenience" nennen Fachleute diese Produkte zum bequemen sofortigen Verzehr. Und weil immer mehr Menschen in Zeitnot sind oder keine Lust haben, sich ihre Brotzeit selber zusammenzustellen, sagen Branchenkenner Händlern eine gute Zukunft voraus, die ihr Angebot darauf abstellen.

Bäckereien werden zu Gastronomiebetrieben

Das Gerangel um die Gunst der Liebhaber des Unterwegs-Verzehrs ist schon jetzt riesengroß: Früher teilten sich Imbissbuden und Fast-Food-Anbieter das Geschäft. Inzwischen gibt es weitere Mitbewerber. Bäckereien und Fleischereien wandeln sich zu Gastronomiebetrieben, Tankstellen verkaufen belegte Brötchen und Salate, Kioske locken mit Snacks gegen den kleinen Hunger.

Das Geschäft mit Convenience-Produkten ist längst ein Milliarden-Markt. Das genaue Volumen lässt sich nur schätzen. Fachleute beziffern es auf etwa 23 Milliarden Euro; das sind immerhin knapp zehn Prozent der gesamten Summe, die in Deutschland jedes Jahr für Nahrungs- und Genussmittel ausgegeben wird. Eine Nische, könnte man meinen. Aber die Nische wächst, während der gesamte Lebensmitteleinzelhandel eher stagniert. Das macht das Geschäft mit Produkten für den schnellen und bequemen Verzehr so interessant.

"Albert Heijn to go" nennen die Niederländer ihren ersten Laden auf deutschem Boden - in Anlehnung an den Namen der Supermarktkette, mit der sie in ihrer Heimat Marktführer sind: Albert Heijn. Der Handelskonzern aus Amsterdam, mit einem Umsatz von 30 Milliarden Euro einer der Branchen-Schwergewichte in Europa, hat Erfahrungen im Convenience-Geschäft. In den Niederlanden betreibt Ahold bereits mehr als 50 "To-go"-Läden; die erste Filiale eröffnete bereits vor zehn Jahren.

Aachen soll der Auftakt zu einem sehr breiten Auftritt in Deutschland sein. Ein zweiter Laden soll schon bald in Essen folgen. In den nächsten zwölf Monaten soll mindestens ein gutes Dutzend weiterer Filialen dazukommen. Weiter lässt sich Ahold nicht in die Karten schauen. Nur so viel: Bis 2016 sind in den Niederlanden, Belgien und Deutschland 150 Neueröffnungen geplant. Die Niederländer sind der erste Lebensmittelhändler, der den Markt für die schnelle Mahlzeit mit einem eigenen Ladenkonzept erobern will.

Erinnerungen ans Wal-Mart-Fiasko

Rewe, die Nummer zwei unter den Lebensmittelverkäufern in Deutschland hinter Edeka, testet zwar in Köln und Düsseldorf seit Längerem ein ähnliches Format ("Rewe to go"). Aber noch hat die Gruppe nicht entschieden, ob das Konzept weiter ausgerollt wird. Schließlich bieten auch die kleinen Supermärkte, die Rewe seit geraumer Zeit verstärkt in deutschen Innenstädten eröffnet, einiges für Kunden mit wenig Zeit und großem Hunger. Immerhin hatte Rewe-Chef Alain Caparros vor einiger Zeit aber schon einmal angedeutet, dass bundesweit 100 solcher Shops sinnvoll sein könnten.

'Albert Heijn to go' kommt nach Deutschland

"Albert Heijn" kommt nach Deutschland und will in einer ehemaligen Schlecker-Filiale in Aachen Dinge verkaufen, bei denen vor allem Schüler, Studenten, Pendler und eilige Büromenschen gerne zugreifen - frische Salate, mundgerecht geschnittenes Obst, Sandwiches, warme Suppen, Pasta und natürlich Kaffee und Cappuccino.

(Foto: dpa)

Große Pläne im Geschäft mit dem Unterwegs-Verzehr hat auch der Schweizer Händler Valora. Die Eidgenossen hatten in diesem Frühjahr von der in Frechen nahe Köln beheimateten Lekkerland-Gruppe 1300 Kioske übernommen und sind nun bundesweit die Nummer eins auf diesem Markt. Statt Tabakwaren und Zeitungen wollen sie in ihren nun insgesamt knapp 1700 Läden künftig verstärkt auch Snacks und Getränke anbieten.

Mittelfristig soll Convenience-Food bis zu einem Fünftel zum Umsatz der Kioske beisteuern. Aktuell sind es weniger als fünf Prozent. Der Vorteil von Valora: Ihre Kioske befinden sich meist in stark frequentierten Lagen. Denn das "To-go"-Konzept hat nur Aussicht auf Erfolg an Standorten, an denen täglich viele Menschen vorbeikommen: Einkaufsstraßen, Bahnhöfe, Flughäfen, U-Bahn-Stationen, Straßenbahn-Haltestellen. Immobilien in solchen Lagen sind begehrt.

Makler rechnen damit, dass der Wettbewerb um gute Adressen weiter zunehmen wird, sobald Ahold seine Expansion vorantreibt und eventuell Rewe im Geschäft mit dem Unterwegs-Verzehr Gas gibt. Ahold geht mit dem Schritt ins Nachbarland kein kleines Risiko ein. Schließlich sind schon mehrere ausländische Handelsunternehmen in Deutschland gescheitert. Die französische Supermarktkette Intermarché beispielsweise. Oder der belgische Einzelhändler Delhaize.

Ein Konzept, das es noch nicht gibt

Schmerzhaft war das "Abenteuer Deutschland" vor allem für den weltweit größten Händler, die US-amerikanische Kette Wal-Mart. Acht Jahre versuchten die Amerikaner Aldi, Lidl, Edeka, Rewe und Real Konkurrenz zu machen ,erwirtschafteten aber nur riesige Verluste. Mitte 2006 zog sich Wal-Mart dann entnervt zurück und verkaufte seine 85 Märkte an den Rivalen Metro.

Der deutsche Lebensmittelmarkt ist umkämpft wie kein zweiter in Europa. Die Renditen liegen im sehr niedrigen einstelligen Bereich. Grund dafür ist die starke Position der Discounter. Etwa 45 Prozent des Geschäfts mit Lebensmitteln läuft über die Kassen von Aldi, Lidl & Co. Allerdings ist das jahrelange Wachstum der Billiganbieter zuletzt ins Stocken geraten. Ihre Umsätze stiegen nur noch dort, wo sie neue Läden eröffneten.

Dagegen eroberten Supermärkte Terrain zurück, indem sie ihre Filialen aufhübschten und ihr Sortiment attraktiver gestalteten. Bei Ahold fürchtet man die Konkurrenz nicht: "Albert Heijn to go" sei ein Konzept, das es in dieser Form in Deutschland noch nicht gebe, wird betont.

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