Konjunkturelle Entwicklung in Asien:Japan bangt vor Griechenland-Syndrom

Schon bald könnte Japan in eine ähnliche Krise wie Griechenland rutschen - davor warnte Japans ehemaliger Finanzminister Hirohisa Fujii. Das Land ist mit 220 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung verschuldet - und ein Ende der Misere ist nicht in Sicht.

Christoph Neidhart, Tokio

Japan könnte vielleicht schon morgen wie Griechenland in eine Schuldenkrise geraten. Davor hat Ex-Finanzminister Hirohisa Fujii jetzt gewarnt. Tokio sei auf diesen Fall nicht vorbereitet. Erst recht nicht, weil der starke Yen viele Politiker bisher in Sicherheit wiege - so schlimm könne es ja nicht sein. Dabei verschärfe die hohe Bewertung des Yen das Risiko eher, meint der 79-jährige Vorsitzende der Steuerkommission der regierenden Demokratischen Partei.

Japan's Finance Minister Hirohisa Fujii speaks during a news conference in Tokyo

Japans ehemaliger Finanzminister Hirohisa Fujii warnt: Bald schon könnte Japan in eine Schuldenkrise geraten.

(Foto: REUTERS)

Eine Währung sollte Stärke und Gesundheit der Volkswirtschaft widerspiegeln, deren Zahlungsmittel sie ist. Doch Japans Wirtschaft gibt dem Yen keinerlei Anlaß zum Höhenflug. Die Stärke erkläre sich aus der Schwäche des US-Dollar und des Euro, so Fujii. Internationale Investoren fliehen in den Yen, sie fürchten plötzliche Einbrüche in den USA und Europa. Damit treiben sie ihn in die Höhe. Das belastet Japans Exportwirtschaft, insbesondere die Elektronik- und Auto-Industrie, die von der Konkurrenz in Südkorea und Taiwan ohnehin bedrängt wird. Umso mehr, als der Won Südkoreas schwächelt und der kleinere Nachbar sowohl mit der EU als auch mit den USA ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. Japan dagegen verhandelt noch nicht einmal.

In den wichtigsten Märkten sind gleichwertige Autos und Elektronik aus Südkorea heute billiger als japanische. Die Stärke des Yen verringert auch die Profite der ausländischen Töchter japanischer Firmen, da sie in Yen umgerechnet werden. Da Japans Unternehmenssteuer zudem hoch ist, zögern viele Firmen, die Gewinne ihrer Töchter zu repatriieren. Diese Faktoren und die Tsunami-Katastrophe drücken auf die Steuereinnahmen, die Staatsausgaben dagegen sind seit der Katastrophe gestiegen.

Die Zentralbank in Tokio veröffentlichte jetzt ihren vierteljährlichen Tankan-Bericht zur Stimmung der Wirtschaft. Diese hat sich seit September deutlich verschlechtert: Schuld daran ist der starke Yen. Viele Unternehmer entschuldigen die Auslagerung von Herstellungsprozessen und teilweise auch Entwicklungsabteilungen nach Taiwan, China, Vietnam und Thailand mit der Stärke der heimischen Währung. Um diese Aushöhlung der Industrie zu bremsen, will Premier Yoshihiko Noda mit einem Nachtragsbudget jenen kleineren Firmen unter die Arme greifen, denen der starke Yen besonders zu schaffen macht. Doch das ist Symptombekämpfung.

Der japanische Staat ist mit 220 Prozent des Bruttosozialprodukts verschuldet, seit zwei Jahren nimmt er mehr Geld am Finanzmarkt auf, als er über Steuern einnimmt. Trotz minimaler Zinsen von unter einem Prozent geht fast ein Viertel der Staatseinnahmen in den Schuldendienst. Eigentlich kann es so nicht weitergehen. Doch Hoffnungen, dieser Misere mit einer wachsenden Wirtschaft zu entkommen, kann Japan sich nicht machen. Seine Bevölkerung schrumpft und altert, sie wird künftig weniger konsumieren, nicht mehr. Und die internationale Konkurrenz wird stärker.

Nippons größte Gefahr

Eigentlich bräuchte Japan daher einen schwachen Yen. Ex-Finanzminister Fujii meint, Japan hätte bereits vor 40 Jahren eine Mehrwertsteuer einführen und sukzessive anheben müssen. Stattdessen kam diese erst 1989; und steht bis heute bei vergleichsweise minimalen fünf Prozent. Angesichts der Globalisierung und den vielen Wegen, mit denen man Geld am Fiskus vorbeischmuggeln kann, oft sogar legal, halten japanische Ökonomen die Mehrwertsteuer anderen Abgaben für überlegen. Denn dann zahle man dort Steuern, wo man konsumiere - also auch dort, wo man lebt.

Die Skepsis der Japaner gegen mehr Steuern sei auch damit begründet gewesen, so Fujii, daß man der Regierung nicht noch mehr Geld in die Hand spielen wollte. Deshalb müsse das Gesetz definieren, wofür zusätzliche Einnahmen gebraucht werden dürfen: die Mehrwertsteuer etwa für die Finanzierung des japanischen Rentensystem.

Die größte Gefahr, so Fujii, geht allerdings nicht vom Yen aus, sondern von den Staatsanleihen. Das habe Europas Schuldenkrise deutlich gezeigt. Anders als Griechenland sei Tokio international kaum exponiert, heißt es dazu oft; 95 Prozent seiner Staatsschulden werden von Japanern gehalten, von Privaten, Institutionen und Banken. Diese spekulierten nicht gegen das eigene Land.

Das mag stimmen, es hat aber auch eine Kehrseite. Sollte es dennoch zur Krise und also zu einem Preissturz der Staatsanleihen kommen und damit zu einer plötzlichen Zinserhöhung wie im südlichen Europa, dann würde sich der Schaden auf Japan konzentrieren. Er würde all jene Japaner treffen, die Gläubiger des eigenen Staates sind. Und das sind sehr viele. Bei einer Zinssenkung sinken die Kurse der Staatsanleihen. Das würde vielen Japanern Verluste bescheren. Zugleich würden steigende Zinsen, Hausbesitzer und Firmen mit Hypothekenschulden in Schwierigkeiten bringen und schließlich auch die Banken. Derweil müsste der Staat dann noch mehr Geld für den Schuldendienst aufwenden.

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