Konjunktur:Wirtschaft am Wendepunkt

Der Tiefpunkt ist erreicht: Die deutschen Unternehmen schauen wieder mit Zuversicht in die Zukunft. Zum Sorgenkind wird der Konsum - weil die Arbeitslosigkeit steigt.

Thomas Öchsner, Berlin

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Trendwende: Erstmals seit zwei Jahren zeigen die Unternehmen wieder mehr Zuversicht. Dies geht aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) unter mehr als 20.000 Firmen hervor. Danach hat die Wirtschaftsflaute in Teilen der Industrie den Tiefpunkt erreicht.

Konjunktur, Containerterminal Hamburg, dpa

Containerterminal am Hamburger Hafen: Die deutschen Firmen sind wieder zuversichtlicher.

(Foto: Foto: dpa)

Trotz der derzeit düsteren Lage versuchte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des DIHK, am Dienstag Optimismus zu verbreiten. Der "kollektive Fall nach unten" sei gebremst. "Endlich besteht die Chance, dass die Wirtschaft sich aus ihrer Schockstarre löst. Die Wirtschaft hat den Wendepunkt vor Augen", sagte er in Berlin. Er warnte aber zugleich vor zu viel Euphorie: "Wir laufen hier nicht herum und sagen: Der Aufschwung ist da." Der Weg nach oben werde holprig verlaufen.

Seine Zuversicht schöpft Wansleben aus ein paar Daten der Umfrage, die eine zunehmend bessere Stimmung signalisieren. So haben sich nach zwei Jahren Pessimismus die Erwartungen der Unternehmen an das zukünftige Geschäft aufgehellt. Jede siebte Firma rechnet laut der DIHK-Erhebung damit, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verbessert. Zu Jahresanfang war nur jedes zehnte Unternehmen so optimistisch gewesen. Gerade in der Industrie hätten die Hoffnungen zugenommen, sie sind erstmals wieder deutlich positiver als die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage.

ZEW-Barometer legt zu

Nach den Worten des DIHK-Hauptgeschäftsführers zeigen sich vor allem exportorientierte Industriebetriebe nach den heftigen Rückschlägen bei den Ausfuhren etwas zuversichtlicher: Vor allem in China und anderen asiatischen Staaten, Brasilien, aber auch in einigen EU-Staaten mehren sich die Anzeichen für eine größere Nachfrage nach deutschen Produkten.

In Branchen, die vom privaten Konsum profitieren, wie der Einzelhandel, die Freizeitwirtschaft oder das Gastgewerbe, hätten sich die Perspektiven dagegen nicht verbessert. Weil die Unternehmen in diesen Wirtschaftszweigen mit höheren Arbeitslosenzahlen in den nächsten Monaten kalkulierten, würden hier auch die Geschäftserwartungen sinken, sagte Wansleben. Am wenigsten beeinträchtigt von der Wirtschaftskrise fühlen sich nach der DIHK-Umfrage die Gesundheitswirtschaft, die Pharmaindustrie und die Energieversorger.

Auch das Konjunkturbarometer des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) lässt auf eine Trendwende hoffen. Es legte im Juni zum achten Mal in Folge zu. Erstmals seit September 2008 wurde auch die aktuelle Lage nicht mehr so düster beurteilt. Das ZEW befragt monatlich knapp 300 professionelle Anleger und Analysten nach ihrer Bewertung der wirtschaftlichen Situation. "Die Einschätzungen der Experten deuten darauf hin, dass die Abwärtsdynamik in diesen Wochen zum Stillstand kommt, und sie sehen Erholungstendenzen zum Ende des Jahres", sagte der Präsident des ZEW, Wolfgang Franz. Dieser vorsichtige Optimismus sollte "nicht durch übermäßig pessimistische Mutmaßungen bereits im Keim erstickt werden", warnte der Wirtschaftsweise.

Unternehmen geben weniger aus

Trotz dieser ersten positiven Signale rechnet der Dachverband der Industrie- und Handelskammern damit, dass die Unternehmen ihre Investitionen in den nächsten Monaten weiter verringern werden, wenn auch nicht mehr so stark wie noch zu Jahresbeginn. Die Ausgaben der Firmen lägen aber immer noch auf dem Niveau des Rezessionsjahres 2003.

Auch die Zahl der Beschäftigten wird weiter sinken. Für 2009 erwartet der DIHK durchschnittlich 3,7 Millionen Arbeitslose. Dies wäre ein Zuwachs von 400.000 im Vergleich zum Vorjahr. Zum Jahresende könnte die Zahl der Erwerbslosen auf vier Millionen anziehen. "Die wieder etwas besseren Erwartungen und das nach wie vor vorhandene Bemühen der Unternehmen, ihre Fachkräfte zu halten, stützen die Beschäftigungspläne", heißt es in der Auswertung der Umfrage.

Der DIHK geht für 2009 von einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 6,0 Prozent aus. Der Verband bewegt sich damit auf dem Niveau der Regierungsprognose. Die Kammerorganisation hatte bereits am Wochenende davor gewarnt, dass Unternehmen immer größere Schwierigkeiten haben, an Kredite heranzukommen. Wansleben sagte: "Es gibt für einzelne Unternehmen eine Kreditklemme, vor allem, wenn sie unter stark wegbrechenden Umsätzen leiden."

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