Konjunktur:SPD-Spitze stellt Zukunft der "Wirtschaftsweisen" infrage

Berlin (dpa) - Die "Wirtschaftsweisen" geben der schwarz-roten Koalition eine gehörige Mitschuld an der Konjunkturschwäche in Deutschland. Die Regierung verpulvere viel Geld für das teure Rentenpaket, verunsichere die Wirtschaft mit dem Mindestlohn und werde nun von der Realität eingeholt.

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Berlin (dpa) - Die "Wirtschaftsweisen" geben der schwarz-roten Koalition eine gehörige Mitschuld an der Konjunkturschwäche in Deutschland. Die Regierung verpulvere viel Geld für das teure Rentenpaket, verunsichere die Wirtschaft mit dem Mindestlohn und werde nun von der Realität eingeholt.

Denn für 2015 erwarten die Top-Regierungsberater in ihrem neuen Jahresgutachten nur noch ein Wachstum von einem Prozent. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Kritik zurück. Die SPD warf den Professoren vor, mit platten Botschaften Stimmung machen zu wollen. Die Sozialdemokraten spielen nun mit dem Gedanken, ob man die "Wirtschaftsweisen" nicht abschaffen sollte.

Der Chef des Sachverständigenrates, Christoph Schmidt, ermahnte Union und SPD, den Konjunkturdämpfer zu nutzen, um ihre Wirtschaftspolitik zu überdenken. "Eine Aufbruchstimmung hat die Koalition jedenfalls nicht erzeugt", heißt es in dem gut 400 Seiten langen Gutachten mit dem Titel "Mehr Vertrauen in Marktprozesse".

Für 2014 senkten die Ökonomen ihre Prognose deutlich von 1,9 auf 1,2 Prozent. Auch weltweite Krisen wie der Russland-Ukraine-Konflikt und die schwache Lage im Euro-Raum belasteten derzeit die deutsche Wirtschaft, die dennoch unverändert robust sei.

Merkel erklärte, die Regierung werde sich mit Empfehlungen der Experten "konstruktiv" auseinandersetzen. In Anspielung auf die Vorhaltungen beim Mindestlohn, der erst 2015 eingeführt wird, meinte sie aber: "Es ist nicht ganz trivial zu verstehen, wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon eine konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann."

Schmidt konterte, die Koalition sollte den Mut haben, den bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde später abzusenken oder ganz wieder abzuschaffen, wenn so viele Jobs verloren gehen sollten wie befürchtet. Der gewerkschaftsnahe "Weise" Peter Bofinger teilt diese Einschätzung seiner Kollegen ausdrücklich nicht. Im Friseur-Handwerk habe die Lohnuntergrenze nicht zu Arbeitsplatz-Verlusten geführt.

Der Mindestlohn ist ein Prestige-Projekt von SPD und Gewerkschaften. Die SPD-Spitze attackierte die "Weisen" dementsprechend scharf und stellte indirekt die Existenzberechtigung des Rates, der seit über 50 Jahren die Regierung berät, infrage: "Ein solches Gutachten scheint mir in seiner ganzen Methodik nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein", meinte Generalsekretärin Yasmin Fahimi.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Professoren seien offensichtlich frustriert: "Niemand hört mehr auf die neoliberalen Vorschläge; und trotzdem haben wir Wirtschaftswachstum und positive Beschäftigungsentwicklung."

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell bezeichnete den Angriff der Experten auf den Mindestlohn als absurd: "Breit getretener Quark wird auch nicht besser." Der Mindestlohn werde den Konsum stärken.

Den Plan von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), mit einem neuen 10-Milliarden-Investitionsprogramm für mehr Wachstum zu sorgen, begrüßten die Weisen. Bofinger kritisierte aber Schäubles starres Festhalten an der "schwarzen Null" im Haushalt 2015. Der Staat sollte durchaus mehr Schulden machen, um zu investieren.

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