Wachstumsprognose:Die Wirtschaftslage in der Welt ist nicht mehr ganz so düster

Wachstumsprognose: IWF-Chefin Kristalina Georgiewa rückt mit dem neuen Bericht ein wenig von den zuvor recht düsteren Prophezeiungen ab.

IWF-Chefin Kristalina Georgiewa rückt mit dem neuen Bericht ein wenig von den zuvor recht düsteren Prophezeiungen ab.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Der Internationale Währungsfonds hebt seine Wachstumsprognosen für viele Länder leicht an - warnt aber davor, in Euphorie zu verfallen.

Von Claus Hulverscheidt

Vorsichtiger Optimismus ja, allgemeine Entwarnung nein: Zu diesem Fazit kommt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem neuen vierteljährlichen Weltwirtschaftsausblick, den der IWF in Singapur vorgestellt hat. Anders als in den vorangegangenen Quartalen hätten sich die globalen Konjunkturaussichten diesmal nicht weiter verschlechtert, erklärte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas in einer parallel verbreiteten schriftlichen Stellungnahme. "Das ist eine gute Nachricht, aber noch nicht genug. Der Weg hin zu einer vollständigen Erholung mit nachhaltigem Wachstum, stabilen Preisen und Fortschritt für alle beginnt gerade erst."

Mit dem neuen Bericht rücken der Fonds und seine Chefin Kristalina Georgiewa ein wenig von ihren recht düsteren Prophezeiungen ab, die den Herbst des vergangenen Jahres geprägt hatten. Zwar bleiben die Washingtoner Experten bei ihrer Prognose, dass sich die zehn größten Volkswirtschaften der Welt mit Ausnahme Japans in diesem Jahr unisono auf einen deutlichen Wachstumseinbruch einstellen müssen. Von einer nennenswerten Rezession aber kann ihrer Einschätzung nach nur noch in Großbritannien die Rede sein: Dort dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 0,6 Prozent schrumpfen. In allen anderen Ländern hätten sich die Arbeitsmärkte, die Konsumausgaben der privaten Haushalte und die Investitionen der Unternehmen trotz Ukraine-Krieg, Inflation und Pandemie als überraschend robust erwiesen, so die Ökonomen. Als Konsequenz hoben sie ihre Prognose für das Weltwirtschaftswachstum in diesem Jahr von zuletzt 2,7 auf 2,9 Prozent an. Für 2024 erwarten sie ein Plus von 3,1 Prozent.

Hauptwachstumstreiber allerdings werden nicht etwa die westlichen Industriestaaten sein, sondern vor allem die Schwellenländer Asiens. Das gilt insbesondere für die Republik Indien, die das Corona-geplagte Nachbarland China als Konjunkturlokomotive abgelöst hat. Für 2023 sagt der IWF der Regierung in Delhi ein BIP-Plus von 6,1 Prozent voraus, für 2024 dann ein Plus von 6,8 Prozent. Von solchen Werten sind die Staaten des Westens weit entfernt: Am stärksten dürfte das Wachstum noch in den USA und Kanada ausfallen. Der Fonds prognostiziert für die Länder in beiden Jahren Zuwachsraten zwischen 1,2 und 1,5 Prozent.

Deutschland ist unter den großen EU-Ländern Wachstumsschlusslicht

In der Euro-Zone hingegen macht sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter besonders stark bemerkbar. Unter den großen Mitgliedsländern kann allein Spanien in diesem Jahr mit einem BIP-Anstieg von knapp über einem Prozent rechnen, in den übrigen Staaten steht eine Null vor dem Komma. Schlusslicht ist die Bundesrepublik, für die der IWF jetzt mit Zuwachsraten von 0,1 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr rechnet. Immerhin: Damit würde der bisher für 2023 vorausgesagte Rückgang der Wirtschaftsleistung knapp vermieden.

Das ändert allerdings nichts daran, dass Deutschland - zumindest statistisch gesehen - derzeit in einer "milden Winterrezession" steckt, wie es das Münchener Ifo-Institut am Montag unter Verweis auf die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts ausdrückte. Demnach ist das BIP im Schlussquartal 2022 um 0,2 Prozent gesunken. Setzt sich die leichte Schrumpfkur in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres fort, wovon viele Experten ausgehen, müsste man nach gängiger Definition von einer Rezession sprechen - auch wenn die Auswirkungen etwa auf den Arbeitsmarkt, den Konsum oder die Firmengewinne für viele Menschen kaum spürbar wären.

Dass der Rückgang zwischen Oktober und Dezember nicht noch größer ausfiel, führte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser auf den überraschend kräftigen Anstieg der Kfz-Zulassungszahlen zum Jahresende zurück. Offenbar hätten viele Bürger angesichts sinkender staatlicher Förderprämien noch rasch ein Hybrid- oder Elektroauto geordert - mit Folgen für den Jahresauftakt 2023: "Für das laufende Quartal dürfte es bei den Autokäufen zu einem kräftigen Rückpralleffekt kommen, da die vorgezogenen Käufe nun wegfallen", so Wollmershäuser. Er rechnet deshalb erst für den weiteren Jahresverlauf mit einer Konjunkturerholung, weil dann "die Inflationsraten spürbar sinken und die Einkommen kräftig steigen werden".

Auch der Währungsfonds geht davon aus, dass die schlimmsten Auswüchse der Preisentwicklung überwunden sind. Dass auf den Finanzmärkten längst auf ein Ende der inflationsbedingten Leitzinserhöhungen und gar eine baldige Lockerung der Geldpolitik gewettet wird, hält Chefökonom Gourinchas aber offenkundig für eine erneute Fehlkalkulation der Aktien- und Anleihehändler: Die jüngsten Preisdaten machten zwar Mut, der Kampf gegen die Inflation sei aber "noch lange nicht gewonnen", so der Volkswirt. "Deshalb müssen die Notenbanken ihre Bemühungen fortsetzen."

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