Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Es läuft noch

Die Wirtschaft der Euro-Zone legte im zweiten Quartal stärker zu als erwartet. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung. Die anhaltenden Handelskonflikte sorgen immer mehr für eine Eintrübung des internationalen Umfelds.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die Konjunktur in der Euro-Zone läuft besser als erwartet, und das liegt nicht zuletzt an der guten Lage in Deutschland, der größten Volkswirtschaft. Wie das Statistikamt Eurostat in Luxemburg auf Basis einer zweiten Schätzung mitteilte, lag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den 19 Euro-Staaten im zweiten Quartal um 0,4 Prozent über der Wirtschaftsleistung des Auftaktquartals. Damit wurde eine erste Schätzung nach oben revidiert. Ende Juli hatte Eurostat für die Monate April bis Juni nur eine Wachstumsrate von 0,3 Prozent gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum meldete Eurostat für das zweite Quartal einen BIP-Anstieg um 2,2 Prozent. Analysten hatten leicht niedrigere Werte vorhergesagt.

Deutschland schnitt im Frühjahr überdurchschnittlich gut ab. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden stieg das BIP gegenüber den ersten drei Monaten 2018 um 0,5 Prozent. Zum Jahresanfang war die Wirtschaft um 0,4 Prozent gewachsen und damit etwas stärker als zunächst berechnet. Ökonomen hatten eine leichte Belebung im Frühjahr erwartet, weil dämpfende Sonderfaktoren wie die Grippewelle Anfang des Jahres keine Rolle mehr spielten. Spanien und Italien verlangsamten hingegen ihr Wachstumstempo, während das Plus in Frankreich mit 0,2 Prozent gleich blieb. In den Vereinigten Staaten war das Wachstum im zweiten Quartal deutlich stärker: Es stieg um ein Prozent gegenüber dem Vorquartal und um 2,8 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode.

Getragen wurde die gute Konjunktur in Deutschland von April bis Juni unter anderem von der anhaltenden Konsumfreude der Verbraucher. Die Bundesbürger sind nach Angaben der GfK-Konsumforscher weiterhin in Kauflaune. Grund seien die historisch gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und Lohnzuwächse. Die Bürger rechnen der GfK zufolge mit höheren Einkommen und sind dementsprechend bereit, Geld für größere Anschaffungen auszugeben. "Dank der guten Arbeits- und Lohnentwicklung ist der private Konsum für die Konjunktur die zentrale Stütze", sagte der Ökonom Andreas Scheuerle von der Deka-Bank. Gerade in unruhigen Zeiten wie diesen, in denen Handelskonflikte, Sanktionen und Populisten eine Gefahr für die außenwirtschaftliche Entwicklung darstellten, sei dies beruhigend.

Die Konsumausgaben des Staates, zu denen unter anderem soziale Sachleistungen und Gehälter der Mitarbeiter zählen, stiegen ebenfalls. Und Unternehmen investierten etwas mehr in Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen als im ersten Quartal. Vom Außenhandel kamen dagegen keine Impulse; die Importe stiegen stärker als die Exporte.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erklärte, die guten Zahlen seien "keine Entwarnung". Die anhaltenden handelspolitischen Konflikte "sorgen immer mehr für eine Eintrübung des internationalen Umfelds", erklärte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Daher müsse die Wirtschaftspolitik alles tun, damit sich der Investitionsaufschwung verstärke, etwa durch eine Reform der Unternehmensteuer. Ähnlich äußerte sich der Außenhandelsverband BGA. Zwar sei der Konjunkturboom in Deutschland ein "Phänomen", die "Konflikte um uns herum nehmen zu, aber die Geschäfte trotzdem nicht ab", erklärte der Verband. Jedoch sei dies kein Grund, sich in Sicherheit zu wiegen, diese Entwicklung könne "abrupt abreißen, wenn Streitigkeiten und Handelskonflikte eskalieren". Die Firmen bräuchten Rückendeckung, etwa bei der Unternehmensbesteuerung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4093660
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.08.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.