Es geht aufwärts in Deutschland – die Frage ist nur wieder einmal: Wann? Der scheidende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich am Donnerstag wohl letztmals um eine Antwort bemüht, die jedoch zweigeteilt ausfiel: Ja, so Habeck, das Bruttoinlandsprodukt werde 2026 wohl um ein Prozent zulegen, weil dann der neue Milliardentopf zur Sanierung der Infrastruktur und die weitgehende Freistellung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erste ökonomische Wirkung entfalten würden. Aber: Bis dahin werde es noch einmal schlechter laufen als gedacht. Statt mit einem Mini-Plus von 0,3 Prozent wie noch im Januar rechnet der Minister für 2025 nun mit einer abermaligen Nullnummer. Nach bereits zwei Rezessionsjahren in Folge wäre damit die längste Wirtschaftsflaute in der Geschichte der Bundesrepublik perfekt.
Schuld an dem abermaligen Rückschlag ist – wie sollte es dieser Tage anders sein – Donald Trump. Die aggressive Zollpolitik des US-Präsidenten habe die wirtschaftliche Unsicherheit weltweit erhöht und die Wachstumsaussichten getrübt, so Habeck. Gerade die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft sei betroffen, zumal sie ohnehin an einer schwachen Auslandsnachfrage und einer verringerten Wettbewerbsfähigkeit leide. „Die privaten Investitionen dürften vor diesem Hintergrund und angesichts etwas ungünstigerer Finanzierungsbedingungen erst einmal verhalten bleiben“, erklärte der Minister.
Trotz des Störfeuers aus Washington rechnet Habeck, Stand jetzt, aber mit keiner Weltwirtschaftskrise. In Deutschland sei es eher so, dass die Realeinkommen und die Sparguthaben vieler Bürgerinnen und Bürger zuletzt wieder gestiegen seien. Dies werde sich über kurz oder lang auch in einem höheren Konsum niederschlagen, zumal die Phase der innenpolitischen Unsicherheit nach dem Platzen der Ampelkoalition jetzt bald vorüber sei.
Obwohl er die von Union, SPD und Grünen beschlossene Lockerung der Schuldenbremse für richtig hält, warnte der Minister die künftige schwarz-rote Regierung davor, die Hände in den Schoß zu legen. „Geld allein löst noch kein Problem, hat Friedrich Merz immer gesagt – und damit hat er recht“, sagte Habeck mit Blick auf den mutmaßlich nächsten Bundeskanzler. Vielmehr habe die neue Regierung jede Menge Hausaufgaben zu erledigen, wenn sie den Trend zu immer niedrigeren Wachstumsraten umkehren wolle. Nötig seien strukturelle Reformen, etwa eine Ausweitung des Gesamtarbeitsvolumens, mehr Zuwanderung, schnellere Genehmigungsverfahren und bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten.
Deutschland muss unabhängiger von anderen Staaten werden
Immerhin: Entwarnung geben konnte Habeck an der Preisfront. Die Inflationsrate, die in den Vorjahren pandemie- und kriegsbedingt teils schwindelerregende Höhen erreicht hatte, dürfte sich 2025 und 2026 wieder bei Werten um zwei Prozent einpendeln. Allerdings bedeutet die Normalisierung nicht, dass etwa die Lebensmittelpreise wieder auf das Niveau früherer Jahre sinken werden. Sie schießen nur nicht noch weiter in die Höhe.
Habeck rief die künftige Regierung eindringlich dazu auf, noch mehr als bisher in die wirtschaftliche Sicherheit des Landes zu investieren. Die Entwicklungen in Russland, China und zuletzt den USA hätten gezeigt, dass sich Deutschland und Europa nicht auf das Wohlverhalten anderer verlassen könnten, sondern eigenständiger und unabhängiger werden müssten. So reiche es beispielsweise nicht, „russisches Gas gegen Donald-Trump-Gas einzutauschen“. Vielmehr brauche die Bundesrepublik in vielen Bereichen neue, zusätzliche Im- und Exportpartner in aller Welt. Dazu seien auch neue Handelsverträge nötig, die schnell geschlossen werden müssten, statt jahrelang mit einem Land wie Indien über Kriterien für die Hühnerhaltung zu streiten. Strategisch wichtige Waren müssten auch wieder in Europa selbst gefertigt werden, auch wenn das teurer sei als die Produktion im Ausland.
Die Vorstellung der Konjunkturprognose war mutmaßlich Habecks letzter großer Auftritt, bevor er die Geschäfte übernächste Woche an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aus den Reihen der CDU übergibt. Der Minister zog eine gemischte Bilanz seiner Amtszeit. Er selbst habe ja bereits Fehler eingestanden, etwa beim Heizungsgesetz, sagte er. Zudem habe die Ampelkoalition die Chance verpasst, die wirtschaftliche Entwicklung durch rechtzeitige Strukturreformen zu stärken. Positiv stimme ihn, dass die künftige Regierung, „wenn auch unter anderer Farbe“, nun eine Reihe von Projekten angehe, die er persönlich schon lange fordere. Ob er selbst dem Bundestag weiter angehören wird oder sich im Sommer zurückzieht, wie zuletzt spekuliert worden war, wollte Habeck erneut nicht sagen.