Konflikt zwischen Europa und China:Gefahren eines Handelskrieges

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Container im Hafen von Nantong: Die Gefahr eines Handelskriegs mit China wächst. (Foto: REUTERS)

Protektionismus und Handelsabkommen haben das gleiche Ziel: Andere Länder bewusst auszuschließen. Deshalb ist es höchst gefährlich, China bei den Gesprächen über Freihandelszonen auszugrenzen.

Ein Kommentar von Ulrich Schäfer

Ein Krieg beginnt meist mit Worten, mit offenen oder versteckten Drohungen. Manchmal beginnt er auch mit kleineren Scharmützeln, einer Grenzüberschreitung hier, einem Vergeltungsschlag dort, worauf ein mehr oder minder langer Waffengang folgt. Auch ein Handelskrieg entwickelt sich ähnlich. So besehen befindet sich der Konflikt zwischen Europa und China, der sich in diesen Tagen entfaltet, in einer kritischen Phase: Die Zeit der Drohungen und Scharmützel dauert schon eine Weile, zuletzt wurde der Ton auf beiden Seiten verschärft, bald könnten erste Vergeltungsschläge folgen.

Wie dieser Handelskrieg um Solar- und Mobilfunkprodukte, um Porzellan, Keramik und Stahlrohre ausgeht, dürfte wegweisend sein für die Zukunft der Weltwirtschaft - und für die Frage, ob die Idee des freien Welthandels weiterlebt. Denn im sechsten Jahr der globalen Finanz- und Schuldenkrise wächst in immer mehr Staaten die Neigung, die eigene Wirtschaft abzuschotten und sich zu wehren gegen angebliche oder tatsächliche unfaire Praktiken anderer Nationen. Eskaliert nun der Konflikt zwischen Europa und China, dem größten Wirtschaftsraum und der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt, wird dies jene bestärken, die für mehr Protektionismus sind.

Die schleichende Abkehr vom Freihandel, diesem Kernstück der Globalisierung, ist seit drei, vier Jahren zu beobachten, und sie wird gern kaschiert mit schönen Worten: So versprechen die G-20-Staaten, also die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, auf jedem Gipfeltreffen, dass sie entschieden gegen Protektionismus vorgehen wollen. Aber zwischen den Gipfeln haben sie seit 2008 Hunderte neue Handelsbeschränkungen eingeführt.

Inder, Russen, Chinesen, Amerikaner oder Europäer: Sie alle erhöhen Zölle. Und oft reicht es auch, die Einfuhr- oder Zulassungsregeln für bestimmte Produkte zu verschärfen, um heimische Unternehmen zu schützen. Zugleich sind alle Versuche gescheitert, die Verhandlungen für ein neues Welthandelsabkommen, begonnen 2001 in Doha, endlich zum Abschluss zu bringen. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer.

Handel mit Waren bringt Wohlstandsgewinne für alle

Die Zweifel am freien Handel werden zudem befördert durch wachsende Zweifel am Kapitalismus schlechthin, durch einen Ruf nach weniger Markt und einem stärkeren Staat. Dieser Ruf ist auch richtig, wenn es um die Finanzindustrie geht, welche die Welt an den Abgrund getrieben hat. Völlig widersinnig wäre es jedoch, mit dem zügellosen Gebaren von Banken und Fonds auch die Abkehr vom globalen Warenaustausch zu begründen. Denn anders als der Handel mit manchen Derivaten bringt der Handel mit Waren, wenn er nach vernünftigen Standards abläuft, auf Dauer Wohlstandsgewinne für alle: für jene, die die Waren produzieren, und für jene, die von günstigeren oder besseren Waren profitieren - sei es Obst aus Afrika, ein Smartphone aus Südkorea oder Software aus dem Silicon Valley.

Doch stattdessen macht sich ein teils offener, teils versteckter Protektionismus breit, der oft seltsame Blüten treibt. In Argentinien zum Beispiel verlangte die Regierung im vergangenen Jahr, dass deutsche Autobauer für jeden Dollar, den sie durch den Verkauf von Autos verdienen, heimische Produkte kaufen - so sollte die argentinische Wirtschaft angekurbelt werden. Porsche musste deshalb im Gegenzug für jeden Sportwagen ein paar Tausend Flaschen Wein ausführen. Der Konflikt zwischen China und Europa mutet da vergleichsweise profan an. Er läuft, wie einst im Merkantilismus, nach dem simplen Prinzip ab, den angedrohten Zoll des einen durch den angedrohten Gegenzoll des anderen zu kontern.

Dieser Schlagabtausch vollzieht sich zu einer Zeit, in der die Verhandlungen über zwei neue globale Handelsblöcke beginnen, und an beiden ist China nicht beteiligt: weder an der Transpazifischen Partnerschaft, über die USA, Japan und weitere Anrainerstaaten reden, noch an der Transatlantischen Freihandelszone, über die Amerikaner und Europäer vom Sommer an verhandeln werden. Solche regionalen Handelsblöcke kommen immer mehr in Mode, seit in der Welthandelsrunde nichts vorangeht. Mehr als 550 regionale Abkommen gibt es mittlerweile, und vordergründig dienen sie auch dazu, für einen freieren Handel zu sorgen; letztlich aber haben sie auch zum Ziel, andere Länder ganz bewusst auszuschließen.

China dürfte sich auf den Konflikt mit Europa auch deshalb einlassen, weil es bei den Gesprächen über diese beiden Freihandelszonen ausgegrenzt wird. Das macht den jetzigen Handelskrieg so gefährlich. Besser wäre es, die Volksrepublik einzubinden - und den Konflikt zu beenden, ehe er richtig begonnen hat.

© SZ vom 21.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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