Konflikt um Zölle:Showdown im Weißen Haus

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Beim G-20-Gipfel in Hamburg begegneten sich Juncker und Trump noch recht freundlich. (Foto: picture alliance / Bernd von Jut)
  • Jean-Claude Juncker möchte im letzten Moment noch US-Zölle für Autos aus Europa verhindern.
  • Trump stört hingegen, dass amerikanische Fahrzeuge bei der Einfuhr in Deutschland oder Frankreich mit zehn Prozent verzollt werden müssen, während umgekehrt meist nur 2,5 Prozent fällig werden.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Claus Hulverscheidt, New York

Zumindest am Anfang lief noch alles nach Plan. Mit nur 14 Minuten Verspätung hob am Dienstagmittag Flug UA 951 in Brüssel ab und nahm Kurs auf Washington. An Bord saß der Mann, der in den USA von höchster Stelle als "brutaler Killer" eingestuft worden ist: Jean-Claude Juncker, der Chef der Europäischen Kommission.

US-Präsident Donald Trump soll den von seiner äußeren Erscheinung her eher wenig furchteinflößenden Luxemburger gleich mehrfach so genannt haben. Die Tatsache, dass der "Killer" zum Showdown im Weißen Haus mit dem Linien- statt mit dem Regierungsflugzeug anreiste, erhöht aus Sicht Trumps wohl nur die Rätselhaftigkeit jenes Gebildes namens Europäische Union, das er jüngst zum "Feind" seine Landes erklärt hat.

Fast schon schicksalhafte Bedeutung kommt der Begegnung Trumps und Junckers an diesem Mittwoch zu - jedenfalls gemessen an den Erwartungen, die daran geknüpft sind. "Auf nach Washington", twitterte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kurz vor Abflug, "reise mit Juncker, treffen Donald Trump, um die Handelsbeziehungen zu diskutieren und zu versuchen, die Situation zu deeskalieren".

Ziel ist nicht weniger, als zu verhindern, dass die laufenden Handelsscharmützel in einen echten Handelskrieg münden. Trump stört vor allem, dass amerikanische Autos bei der Einfuhr in Deutschland oder Frankreich mit zehn Prozent verzollt werden müssen, während umgekehrt meist nur 2,5 Prozent fällig werden. Das Ergebnis ist ein Defizit von fast 15 Milliarden Euro allein im US-Autohandel mit Deutschland.

Juncker muss auf Wünsche der Mitgliedsstaaten Rücksicht nehmen

Das ist der Moment, in dem interessant wird, was Trump mit dem "brutalen Killer" eigentlich gemeint hat. Es sei wohl als Kompliment zu verstehen, aber er sei sich da nicht so sicher, gab Juncker selbst zu Protokoll. Tatsächlich, so ist in Washington zu hören, hat der US-Präsident bei früheren Treffen durchaus Respekt für den gewieften 63-Jährigen entwickelt, der oft redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sich nicht ums Protokoll schert und die Interessen der EU auch mal mit derben Sprüchen vertritt. So etwas imponiert Trump.

Auf Juncker lastet nun also die Hoffnung, sein Talent im Umgang mit selbstverliebten Staatenlenkern könne Trump doch noch davon abbringen, Strafzölle auf Pkw-Importe aus der EU zu verhängen. Solche Zölle träfen vor allem die deutsche Autoindustrie massiv. Anders als der US-Präsident muss Juncker aber Rücksichten nehmen. Zwar ist die Kommission für den Außenhandel zuständig, aber Juncker kann Trump nicht weiter entgegenkommen, als es die Mitgliedsstaaten für vertretbar halten. Vor dem Abflug telefonierte er unter anderem noch einmal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem Österreicher Sebastian Kurz, dessen Land gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

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Sie wolle sich künftig auf ihre Arbeit im Weißen Haus konzentrieren, sagt die Tochter des US-Präsidenten. Kritiker hatten ihr vorgeworfen, Politik und geschäftliche Interessen zu vermischen.

Frechheit allein wird nicht reichen, um Trump vom Verzicht auf die zusätzlichen Zölle von bis zu 25 Prozent zu überzeugen. Im Weißen Haus erwartet man vielmehr ein weitreichendes Angebot, ja eine Art Demutsgeste der Europäer, die es dem US-Präsidenten erlauben würde, sich in dem Konflikt zum Sieger zu erklären und mit großer Geste auf sämtliche Strafmaßnahmen zu verzichten.

Ein solch weitreichendes Angebot könnte etwa sein, dass die EU für einige Jahre auf sämtliche Autozölle verzichtet, um Zeit für die Ausarbeitung eines umfassenderen Handelsabkommens mit den USA zu schaffen. Eine solche einseitige Abrüstung jedoch haben mehrere europäische Spitzenpolitiker bereits abgelehnt. So erklärte der französische Finanzminister Bruno Le Maire wiederholt, nicht die EU müsse ihre Zölle vor Gesprächsbeginn zurücknehmen, sondern Trump seine Drohungen. Man werde "nicht mit einer Pistole an der Schläfe verhandeln".

Zölle könnten die Preise um Tausende Dollar nach oben treiben

Erschwert wird die Sache noch dadurch, dass es auch in den USA selbst sehr unterschiedliche Ansichten über das weitere Vorgehen gibt. Trump und sein Handelsberater Peter Navarro glauben dem Vernehmen nach, dass die Einführung von Pkw-Zöllen in umkämpften Auto-Staaten wie Michigan und Ohio bei den Kongresswahlen im Herbst ein Gewinnerthema wären.

Fast alle anderen Beteiligten, darunter Vertreter der US-Autobranche, der betroffenen Bundesstaaten, ja sogar Hardliner wie der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer, warnen dagegen vor möglichen wirtschaftlichen Verwerfungen und dem Zorn der Wähler.

Nach Schätzung des Auto-Forschungszentrums CAR würden die geplanten Zölle die Pkw-Verkaufspreise in den USA um bis zu 7000 Dollar pro Wagen in die Höhe treiben. Das könnte die Nachfrage erheblich dämpfen und bis zu 715 000 Arbeitsplätze gefährden. Betroffen wären demnach auch die rein amerikanischen Hersteller, da sie viele Komponenten im Ausland einkaufen.

Trumps Spiel ist deshalb riskant - auch für ihn persönlich. Vor allem im Senat nämlich ist längst aufgefallen, dass der Regierungschef die Verhängung von Zöllen stets mit angeblichen Gefahren für die nationale Sicherheit begründet.

Bei solchen Gefahren hat der Präsident die Macht, ohne Mitwirkung des Kongresses Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Viele Senatoren halten Trumps Argumentation jedoch für vorgeschoben. "Das ist ein Missbrauch der präsidialen Autorität", sagte der republikanische Senator Bob Corker, der Trumps Befugnisse mithilfe einer parteiübergreifenden Initiative beschneiden will.

Der Präsident selbst jedoch gibt sich wie immer unbeeindruckt. Alle Staaten, die beim Thema Handel bisher unfair mit den USA umgesprungen seien, würden nun in Washington vorstellig und bettelten um ein Gespräch, schrieb er am Dienstag in seinem morgendlichen Twitter-Rundumschlag. Die USA, so der Duktus der Kanonade, seien für die Welt nicht länger "das Sparschwein, das man schlachten kann". Sorgen manchen muss sich nach Trumps Ansicht dennoch niemand, schließlich ist er es, der sich der Sache annimmt: "Alles wird großartig werden."

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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