Kommunen schlagen Alarm:Finanzloch bei den Krippen

Scharfe Kritik an der Familienpolitik: Kommunale Verbände schimpfen, der Bedarf an Betreuungsangeboten für kleine Kinder sei noch über Jahre nicht zu decken.

Von Thomas Öchsner

Es war ein Protest in ungewöhnlich scharfer Form, den die kommunalen Spitzenverbände vortrugen: Nach ihren Berechnungen sind die Ausbaupläne von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) äußerst fragwürdig. "Man verspricht etwas, was man nicht halten kann. Das produziert Politikverdrossenheit", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg.

Kinderkrippe, Kinder, DPA

Für die intensive Betreuung von Kleinkindern sehen kommunale Spitzenverbände schwarz.

(Foto: Foto: DPA)

Von der Leyen will von 2013 an etwa jedem dritten Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz garantieren. Die drei Verbände haben aber große Zweifel, dass das Ziel - 750.000 Plätze für Kleinkinder - erreicht wird. Das größte Problem sehen sie in der Finanzierung. Zwölf Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. Die tatsächlichen Kosten veranschlagen Städte, Kreise und Gemeinden eher bei bis zu 19 Milliarden Euro.

"Die Länder haben klebrige Hände"

Aber auch bei den zwölf Milliarden scheint es zu haken: Bund, Länder und Kommunen sollen jeweils vier Milliarden Euro zahlen, aber die Länder würden den Anteil des Bundes nicht komplett an die Kommunen weiterreichen. "Die Länder haben klebrige Hände", sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth. Roth (CDU) ist Oberbürgermeisterin in Frankfurt am Main.

Hinzu kommen zwei weitere Probleme: Es gibt zu wenig Erzieherinnen und Erzieher. Die Kommunen rechnen vor, dass 20.000 zusätzliche Fachkräfte nötig seien, um den Ansprüchen zu genügen. Von den Fachhochschulen gingen jährlich aber nur 8000 neu ausgebildete Erzieherinnen ab. Außerdem sehen die kommunalen Spitzenverbände beim Angebot eine riesige Lücke: Die Bundesregierung kalkuliert mit einem Betreuungsbedarf von 35 Prozent.

Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Städte- und Gemeindebundes wollen aber zwei Drittel der Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind, sobald es ein Jahr alt ist. Damit wären tatsächlich fast 1,4 Millionen Plätze und nicht 750.000 erforderlich. Trotzdem werde den Eltern von 2013 an ein Rechtsanspruch auf einen Platz garantiert. "Dann müssen aber auch die Zahlen stimmen", sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes Christian Schramm.

Klagewelle befürchtet

Er fürchtet, dass viele Eltern klagen werden. Auch Tagesmütter könnten nicht weiterhelfen, heißt es bei den drei Verbänden. Diese seien nur bei sechs Prozent aller Eltern wirklich willkommen, die Familienministerin wolle dagegen ein Drittel aller Plätze bei Tagesmüttern schaffen.

Das Familienministerium wies die Kritik zurück. Es gebe keine Hinweise darauf, "dass die Ausbaudynamik stagniert". Vielmehr seien die Investitionsmittel für Bauvorhaben, die die Länder bewilligen müssen, auch in diesem Jahr bereits restlos ausgeschöpft, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Was den Mangeln an Erzieherinnen und Erziehern angehe, müssten nicht nur Bund und Länder in deren Fort- und Weiterbildung investieren. Diese seien auch angemessen zu bezahlen. Hier sieht das Ministerium "einen Nachholbedarf".

Die von der Wirtschaftskrise hart getroffenen Städte, Kreise und Gemeinden warnten auch vor einem Finanzkollaps der Kommunen. Im kommenden Jahr drohe ihnen wegen sinkender Einnahmen bei der Gewerbesteuer und höherer Sozialausgaben ein Defizit von zehn Milliarden Euro, sagte Städtetagspräsidentin Roth.

Kommunen fordern neuen Modus

Die kommunalen Verbände fordern deshalb vom Bund, dass er sich stärker an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose beteiligt. Nach Angaben von Roth tragen die Kommunen bereits drei Viertel dieser Ausgaben in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro. 2010 sei mit einem dramatischen Anstieg um weitere zwei Milliarden Euro zu rechnen.

Die Kommunen verlangen deshalb einen neuen Berechnungsmodus: Die Höhe des Bundeszuschusses solle sich nach der Entwicklung der Ausgaben richten und nicht nach der Zahl der Bedarfsgemeinschaften, in der die jeweiligen Hartz-IV-Empfänger leben. Denn diese sei zuletzt zurückgegangen, während die tatsächlichen Kosten gestiegen sind.

Vorerst wird diese Forderung aber nicht erfüllt, im Gegenteil. Wegen der geringeren Zahl der Bedarfsgemeinschaften werde der Bund seinen Anteil an den Unterkunftskosten weiter senken, hieß es in Regierungskreisen. Bereits an diesem Mittwoch soll dies das Kabinett - bei seiner wohl letzten Sitzung in dieser Wahlperiode - auf Wunsch des Kanzleramtes beschließen.

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