Kommentar:Werte haben, Gesicht zeigen

Viele Manager vermitteln den Eindruck, als hätten Konzerne mit öffentlichen Debatten nichts zu tun. Ein Fehler.

Von Karl-Heinz Büschemann

Wo ist Matthias Müller? Warum ist von John Cryan nichts zu sehen? Wieso meldet sich Herbert Hainer nicht? Die Herren führen VW, die Deutsche Bank und Adidas. Die drei Dax-Chefs hätten gute Gründe, sich zu Wort zu melden. Die Öffentlichkeit wüsste gerne, was Müller zu der grässlichen VW-Dieselaffäre zu sagen hat. Cryan täte gut daran, persönlich zu erläutern, wie er sich die Zukunft der krisengeschüttelten Deutschen Bank vorstellt und Hainer täte seiner Firma einen Gefallen, wenn er erklären würde, dass die Drei-Streifen-Marke mit gekauften Fußball-Weltmeisterschaften und Fifa-Verfehleungen nichts zu tun hat. Sie tun es nicht. Sie sind nicht sichtbar.

Die Herren machen einen Fehler. Sie vermitteln den Eindruck, als hätten große Unternehmen mit den aufgeregten öffentlichen Debatten nichts zu tun, auch wenn sie die selbst verursacht haben. Peter Terium vom Energiekonzern RWE ist nicht zu vernehmen. Der leckt seine Wunden als Chef eines Konzerns, der auch durch die Energiewende in eine kritische Lage geraten ist. Das ist eine merkwürdige Haltung für ein Unternehmen, das inzwischen nach Hilfe vom Staat ruft.

Es steht nicht gut um das Miteinander in der Gesellschaft. Zwischen Unternehmen und Menschen liegt ein tiefer Graben. Die Wirtschaft, so sieht es aus, das ist die Welt des Profits, der Lüge und des Betrugs, in der Millionen von Autos mit falschen Abgasangaben verkauft werden. Die Gesellschaft, das ist der Bereich, der von der bösen Wirtschaft fremdbestimmt wird und der des Schutzes von Staat und Gesetzen bedarf. Die Kluft, dieses fehlende Verständnis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, wird in Krisen wie sie sich in diesen Tagen häufen, besonders deutlich. Dann staunt die Öffentlichkeit und das tief sitzende Vorurteil bekommt neue Nahrung, dass die Wirtschaft profitgierig und korrupt sei.

Konzernchefs ziehen sich leider gerne in ihre Vorstandsbüros zurück und überlassen die politische Überzeugungsarbeit ihren Lobbyisten und Öffentlichkeitsarbeitern. Dabei gibt es viele Themen, die so wichtig sind, dass sich das öffentliche Engagement der Chefs von selbst empfiehlt. Es geht um Reizfragen wie das Handelsabkommen mit den USA, das für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung ist. Warum sind die Manager-Gehälter so hoch? Wie lassen sich Aktionärsinteressen und die der Arbeitnehmer in Deckung bringen? Wer ist Schuld an der Finanzkrise? Wie sinnvoll ist es, Griechenland zu retten? Darüber reden die Chefs gern, aber nicht in der Öffentlichkeit.

Sie gehen auch kaum dorthin, wo heute zum großen Teil die Meinungsbildung stattfindet. Talkshows? Nein, danke, sagen fast alle. Zu groß sei das Risiko, im Studio von eloquenten Politikern an die Wand geredet zu werden. Das ist die Bankrotterklärung einer hochbezahlten Kaste, nur weil man als erfolgsverwöhnter Manager im TV auch einmal untergehen kann. Es geht auch anders. Nikolaus von Bomhard, der Chef der Münchener Rück, des einst wohl verschwiegensten deutschen Konzerns, weist auf die verheerenden Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik für Menschen und Wirtschaft hin. Das verdient Respekt und dient der politischen Debatte über die Altersversorgung der Bürger mehr als Worthülsen von Politikern.

Wer 100 000 Beschäftigte hat oder mehr, der darf sich nicht einfach wegducken

Die Chefs großer Unternehmen können sich nicht klein machen. Wer 100 000 Beschäftigte hat oder mehr und viele Milliarden Umsatz bewegt, kann sich nicht wegducken. Das vergessen viele der hochbezahlten Herren. Dabei geht es nur um einfache Dinge wie Glaubwürdigkeit und Verantwortung. Es geht nicht um Rechthaben oder darum, die Andersdenkenden donnernd zu überrollen. Wenn Unternehmer ihr Handeln erklären können, werden sie in der Öffentlichkeit selbst für unangenehme Entscheidungen wenigstens Respekt ernten, wenn es für Verständnis und Zustimmung nicht reicht. Je näher die Unternehmen den Menschen sind, das zeigt sich am besten bei mittelständischen Firmen, desto mehr Vertrauen genießen sie.

Es geht nur darum, ob sie für ihre Sache geradestehen. Unternehmen brauchen wahrnehmbare Gesichter, die nach außen für Verantwortung stehen. Das zahlt sich aus, wenn es mal schlecht läuft. Wer sich erst in einer Krise an die Öffentlichkeit wendet, kommt schon zu spät. Und wer es nicht einmal dann tut, hat überhaupt keine Chance, die Öffentlichkeit von der Richtigkeit des eigenen Handelns zu überzeugen.

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