Steuern:Entlastet den Durchschnittsverdiener

Da können die Wirtschaftsforscher noch so leidenschaftlich für eine Steuersenkung werben, mit dieser großen Koalition wird es keine geben - und mit diesem Finanzminister auch nicht. Ein großer Fehler.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Da können die Wirtschaftsforscher noch so leidenschaftlich für eine Steuersenkung werben, mit dieser großen Koalition wird es keine geben. Dabei würde eine solche Reform die Wirtschaftskraft des Landes dauerhaft stärken. Sie könnte das Steuersystem gerechter machen, die Belastungen fairer verteilen. Und dennoch werden sich Union und SPD nicht dazu durchringen können. Denn in keinem anderen Sachbereich blockiert sich das aktuelle Regierungsbündnis so nachhaltig und verbissen wie in der Steuerpolitik.

Das liegt an allen Beteiligten. In der SPD setzen sich erst langsam und noch längst nicht überall zwei Erkenntnisse durch. Zum einen kam die Forderung nach Steuererhöhungen im Wahlkampf nicht gut an. Zum anderen waren höhere Steuern ökonomisch gar nicht notwendig. Angesichts der monatlich steigenden Einnahmerekorde von Bund, Ländern und Gemeinden sind zu niedrige Steuereinnahmen derzeit jedenfalls nun wirklich nicht das Problem.

Die Politik der großen Koalition ist falsch und kurzsichtig

Die CSU vertritt seit Anbeginn die Position: keine Steuererhöhung, um keinen Preis. Und sie dehnt die Definition einer Steuererhöhung weit aus. So ist jeder Subventionsabbau nach ihrem Verständnis eine Steuererhöhung. Und als Steuererhöhung lehnte sie es ebenfalls ab, den Soli in die Einkommensteuer zu integrieren, obwohl am Ende keiner mehr gezahlt hätte. Begründung: Es könne zwar sein, dass die Belastung gleich bleibe, aber die Steuersätze würden ja steigen.

Die CDU ist zwischen diesen beiden Polen hin und her gerissen und versucht sich damit herauszureden, dass sie den Bürgern im Laufe der Legislaturperiode einen Plan zum Abbau der kalten Progression vorstellen will. Hinzu kommt: Mit Wolfgang Schäuble stellt die Partei einen Finanzminister, der sich für Steuerpolitik nicht besonders interessiert.

Nein, diese Koalition wird keine Steuern senken. Doch das ist falsch und kurzsichtig. Denn ein solches Vorhaben ist nicht nur dringend notwendig, sondern auch opportun. Solange die Wirtschaft noch gut läuft und die Steuereinnahmen stetig steigen, würde sich eine günstige Gelegenheit bieten, für eine Entlastung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu sorgen. Ganz so, wie es die Wirtschaftsforscher vorschlagen.

Diese Einkommensgruppen werden im derzeitigen Steuerrecht benachteiligt und das liegt am unregelmäßigen Verlauf der Steuerkurve. Diese steigt nämlich gleich nach dem Grundfreibetrag stark an und verläuft erst nach der Marke von 24 Prozent wieder flacher. Für diesen Knick, der auch Mittelstandsbauch genannt wird, müssen alle zahlen, die Durchschnittsverdiener jedoch werden von ihm überproportional belastet.

Gerecht wäre es, den Knick zu entfernen und den Mittelstandsbauch einfach abzusaugen. Doch das ist ohne zusätzliche Einnahmen nicht zu schaffen. Da hilft auch die schwarze Null im Bundeshaushalt nicht. Eine derart große und nicht gegenfinanzierte Steuersenkung würde an den Ländern scheitern. Nicht an Bayern vielleicht, aber an fast allen andern. Sie können es sich nicht leisten, denn die Schuldenbremse zwingt sie derzeit zu einem harten Sparkurs. Bremen und das Saarland werden es beispielsweise auch ohne zusätzliche Mindereinnahmen nicht schaffen, bis 2019 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Im Gegenzug sollte also der Spitzensteuersatz angehoben werden - von derzeit 42 Prozent auf dann 49 Prozent. Der Spitzensteuersatz würde dann seinem Namen wieder einigermaßen gerecht, weil er nicht mehr schon bei gut 50 000 Euro ansetzen würde wie derzeit, sondern bei etwa 70 000 Euro. Weil der Abbau des Mittelstandsbauchs so umfangreich wirken würde, stiege die Belastung erst ab einem Jahresbrutto von 95 000 Euro an. Verheiratete mit zwei Kindern würden - je nach Entlastung durch das Ehegattensplitting - erst ab einem Einkommen von 120 000 Euro belastet. Wer aber zu den wirklichen Spitzenverdienern gehört, müsste mit einer zusätzlichen Belastung rechnen. Bei einem Jahreseinkommen von 250 000 Euro wären etwa 11 000 Euro an zusätzlichen Steuern fällig.

Dann wäre das Volumen der Steuersenkung mit gut 25 Milliarden Euro noch zu groß, um es auf einen Schlag schultern zu können. Das heißt aber nicht, dass sie nicht grundsätzlich in Angriff genommen werden könnte. Schritt für Schritt könnten die Verantwortlichen in Bund und Ländern erproben, wie viel sie sich leisten können und wie dies unter Umständen gegenfinanziert werden könnte. Dafür könnte man Steuersubventionen kappen oder die Erbschaftsteuer moderat erhöhen, die ja alleine den Ländern zusteht.

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