Kommentar:Was der Staat fördern soll

Lesezeit: 3 min

Die einen wollen den Diesel steuerlich mehr begünstigen, die anderen wollen Jobs vor Robotern retten. In beiden Fällen ertönt laut der Ruf nach dem Staat. Allerdings gilt es, vom Diesel bis zur Digitalisierung die Dinge vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Von Marc Beise

Wen man so alles trifft in diesen Tagen im Zeichen des großen Buchstabens "D": Den überzeugten Automann beispielsweise, der unverdrossen an das Gute im Diesel glaubt und bitte, bitte gern einen Steuerbonus hätte für diese ausgefeilte Technik aus der deutschen Erfinderschmiede. Die Technik habe leider derzeit eine schlechte Presse wegen der Verfehlungen einzelner Manager. Aber nur weil Betrugssoftware installiert und enttarnt worden ist, muss ja nicht gleich die ganze Idee des Teufels sein, jetzt mal ehrlich. Ein bisschen Staatsgeld als Anreiz für verunsicherte Autokäufer, wird immer wieder treuherzig argumentiert, würde das Ganze doch wieder in die richtige Richtung lenken.

Oder man trifft Menschen, die die ganze Digitalisierungs-Leier nicht mehr hören können, die nicht an die Prophezeiung einer schönen neuen Welt glauben und schon gar nicht an fliegende Autos, dafür aber an Roboter in menschenleeren Fabriken, und die deshalb dringend eine Neuordnung des Sozialstaats fordern mit besonderem Augenmerk auf jene, die bei der technologischen Veränderung nicht mitkommen werden.

Mehr staatliche Fürsorge für den Diesel braucht es sicher nicht

In beiden Fällen ertönt laut der Ruf nach dem Staat, und das muss ja keine schlechte Idee sein, denn die Politik setzt Rahmenbedingungen und sie darf dafür, ja gewiss, auch mit Steuern steuern. Nur müssten dafür vom Diesel bis zur Digitalisierung die Dinge dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

Mehr staatliche Fürsorge für den Diesel braucht es nämlich gerade nicht, weil hier nicht die Zukunft gestaltet wird, sondern eine Technik von gestern alimentiert werden soll. Damit reicht es jetzt: Der Diesel hat seine Zeit gehabt, er hat - nicht zuletzt wegen der steuerlichen Begünstigung des Kraftstoffs selbst - Autofahrer und Autobauer und damit das ganze Land beglückt, und dabei allerdings die Umwelt nachhaltig geschädigt.

Allzulange hat die Industrie auf den Diesel gesetzt, zuletzt bezeichnenderweise zunehmend verzweifelt mit illegalen Methoden - während Wettbewerber in anderen Ländern längst neue Antriebswege wie das Elektro-Auto erprobt hatten. Wenn man also schon eine Debatte über Diesel-Subventionen führen will, dann doch eher dergestalt, dass man gleich ihre komplette Abschaffung fordert.

Dagegen brauchte es tatsächlich dringend eine staatliche Offensive in Sachen Digitalisierung - allerdings nicht, um sie zu verhindern oder sozial abzufedern, sondern zunächst einmal, um den technischen Fortschritt im Land überhaupt erst herbeizuzwingen. Es ist ja buchstäblich zum Haareraufen, wie wenig hier immer noch passiert. Zwar reden mittlerweile Politiker aller Parteien von der Digitalisierung, und im Koalitionsvertrag der neuen Regierung Merkel/Scholz ist sie vielfach erwähnt, trotzdem herrscht in der Politik ein merkwürdiger Attentismus, so als habe man noch Jahrzehnte Zeit, sich auf die neue Zeit vorzubereiten.

Zeit hat man aber angesichts der immer größeren Rechenkapazitäten gerade nicht, und in den Vereinigten Staaten, in China und in anderen Weltregionen wird heute schon die Zukunft der Wirtschaft vermessen. Wenn die Deutschen bei diesem Wettkampf mitmischen und die Schätze bergen wollen, die ihre Wissenschaftler traditionell hervorbringen (einige der klügsten Forscher für künstliche Intelligenz sind Deutsche, und einige arbeiten auch noch in Deutschland), dann muss der Staat ganz dringend ganz große Zeichen setzen.

Dabei geht es neben anderen Maßnahmen - mehr Breitband, weniger Bürokratie - vor allem um die Steuerpolitik. Es ist ja nicht so, dass kein Geld investiert würde. Gefühlt jeden Monat wird irgendwo ein neues Förderprojekt für Start-ups aufgelegt, und natürlich ist auch die staatliche Förderbank KfW mit dabei. Aber wenn der Staat fördert, dann ist das immer nur die zweitbeste Lösung. Dann schafft das keinen echten Markt mit all seiner kreativen Power, sondern nur wieder neue Bürokratie.

Allemal besser ist es, wenn der Staat nur anstupst, indem er etwa das Investieren von Geld in Start-ups steuerlich begünstigt. Es liegen viele private Milliarden Euro brach in Deutschland, die von ängstlichen oder vorsichtigen Eigentümern gar nicht investiert werden oder, wenn doch, vermeintlich sicher in Immobilien.

Mit steuerlicher Vergünstigung könnte der Staat ein Zeichen setzen, damit junge Gründer in Zukunft mehr Kapital zur Verfügung haben. Wenn dann am Ende auch deutsche Unternehmen beim digitalen Wettlauf vorn sind, rechnet sich das fürs ganze Land.

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: