Man muss nicht allzu viel Mitleid haben mit den früheren und aktuellen Chefs der Deutschen Bank, aber eines steht fest: Sie sind es, die am stärksten unter dem Verfall der eigenen Aktie leiden. Deren Kurs notierte zuletzt unter sechs Euro. Auf seinem Höhepunkt, im Jahr 2007, stand er einmal bei 91 Euro. Das bedeutet einen Verlust von 95 Prozent. Und da die Manager der Bank einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Gehalts in Aktien ausbezahlt bekommen, die sie erst nach Jahren verkaufen dürfen, wird der persönliche Schaden für die Ackermanns, Jains, Cryans und Sewings in die Millionen gehen.
Das wäre weiter nicht schlimm, schließlich haben sie den Schaden selbst verursacht. Schlimm aber ist der Schaden, den sie anderen Aktionären und der Aktienkultur in Deutschland zugefügt haben. Die Deutsche Bank war einmal das Aushängeschild der starken deutschen Wirtschaft. Noch vor wenigen Jahren gehörte ein stattlicher Anteil der Aktien in jedes Depot, das diese Wirtschaft abbilden sollte. Wenn ein Anleger nur ein Papier kaufen wollte, das Deutschland repräsentiert, dann war es jenes der Deutschen Bank. Und so liegen heute immer noch beträchtliche Anteile an der Bank in den Händen von Privatanlegern, die in den letzten Jahren zusehen mussten, wie ihnen die Altersvorsorge zwischen den Fingern zerrann.
Die menschliche Psyche spielt Anlegern einen Streich: Man investiert lieber in das Bekannte
So traurig dies für die Betroffenen ist, so sehr kann es eine Lehre sein für alle anderen. Die Lehre lautet: Traue niemals einer einzelnen Aktie. Wer hätte gedacht, dass sich die Deutsche Bank einmal so abkoppeln könnte von der Entwicklung der erfolgreichen deutschen Exportwirtschaft? Ihr Aktienkurs hat sich in zehn Jahren mehr als halbiert. In derselben Zeit hat sich der Deutsche Aktienindex mehr als verdoppelt.
Das ist der zweite Teil der Lehre: Dem gesamten Aktienmarkt kannst du vertrauen, zumindest auf lange Sicht. Über die Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass es in marktwirtschaftlich ausgerichteten Volkswirtschaften beständig aufwärts geht. Selbst große Rückschläge wie die beiden Weltkriege oder die Finanzkrise wurden überwunden. Der US-Aktienindex Dow Jones reicht über mehr als 100 Jahre zurück. Seine Entwicklung zeigt kontinuierlich nach oben, mit kleinen Dellen nach unten. Aktien schlagen auf lange Sicht alle anderen Anlageklassen. In Zeiten des Nullzinses gilt dies umso mehr.
Die Kunst für Anleger ist es deshalb, gerade bei der Altersvorsorge, langfristig in die Breite des Marktes zu investieren - und nicht in einzelne Unternehmen, die man zu kennen glaubt.
Die menschliche Psyche spielt Anlegern hier einen Streich: Man hält sich lieber an das Vertraute und Konkrete als an das Unbekannte und Anonyme. Unter Deutscher Bank, Volkswagen oder BMW kann sich jeder etwas vorstellen, nicht aber unter dem Index MSCI World All Countries, der 2500 Aktien aus allen Industrie- und Schwellenländern zusammenfasst. Umso größer ist die Versuchung, sein Geld in das Bekannte zu investieren, oft verbunden mit dem guten Gefühl: Was soll bei Deutscher Bank, Volkswagen oder BMW schon passieren, bei Konzernen, die über Jahrzehnte ihre Stärke bewiesen haben?
Genau das ist das falsche Gefühl, denn bei einem einzelnen Unternehmen kann immer etwas passieren, wie sich nicht nur bei der Deutschen Bank gezeigt hat. Die Aktie von VW leidet unter der Diesel-Krise, die Aktien von RWE und Eon unter dem Atomausstieg, die Aktie von Bayer unter der hochriskanten Übernahme des US-Konzerns Monsanto, die Volksaktie der Telekom dümpelt seit fast 20 Jahren vor sich hin. Wer zum falschen Zeitpunkt in diese Papiere eingestiegen ist, leidet unter Verlusten, die schwer aufzuholen sind.
Auch eine zu einseitige Konzentration auf eine Region ist ein Fehler. Deutsche Aktien haben in den vergangenen Jahren, auch wegen der genannten Krisen-Konzerne, bei Weitem nicht so gut abgeschnitten wie zum Beispiel amerikanische. Das liegt auch an der Struktur der Volkswirtschaften: Der Aufschwung der US-Börse wurde im Wesentlichen vom Boom von Technologie-Aktien wie Facebook, Amazon, Netflix oder Google getragen, für die es schon eine eigene Abkürzung gibt: FANG.
Für einen Privatanleger, der langfristig für das Alter vorsorgen will, wäre es aber genauso ein Fehler, nun einen Schwerpunkt auf solche Aktien zu legen. Denn morgen kann es schon mit dem Boom vorbei sein. Niemand weiß, ob Facebook, Amazon, Netflix und Google in zehn Jahren noch erfolgreich sein werden. Traue niemals einer einzelnen Aktie.