Kommentar:Vom Weg  abgekommen

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BMW war lange ein Vorbild der deutschen Wirtschaft. Jetzt haben die selbstbewussten Münchner zu kämpfen. Schaffen sie die Wende?

Von Caspar Busse

Fast 100 Milliarden Euro Umsatz, 130 000 Mitarbeiter weltweit und mehr als hundert Jahre Geschichte: BMW ist für viele gleichbedeutend mit einem weltweit agierenden, soliden und erfolgreichen Industriekonzern mit Sitz in Deutschland (wie sonst vielleicht noch Siemens oder Bayer). So nannte Juso-Chef Kevin Kühnert ausdrücklich den Münchner Autobauer mit dem weiß-blauen Logo, als er in der vergangenen Woche über eine mögliche Verstaatlichung von deutschen Industrieunternehmen sinnierte. Als "Vorzeigebeispiel der sozialen Marktwirtschaft" bezeichnete jetzt BMW-Chef Harald Krüger selbst sein Unternehmen.

Die Bayerischen Motoren-Werke sind also nicht irgendein Unternehmen, sondern eines, das unter sehr genauer Beobachtung steht. Aber das aktuelle Bild von BMW bietet Anlass zur Sorge. Die Aktionäre, die sich in der kommenden Woche zur Hauptversammlung treffen, sind mit Recht unzufrieden, die Dividende und der Aktienkurs sinken. Es muss gespart werden, und der Abstand zum ewigen Konkurrenten Mercedes wächst.

Es sind schwere Zeiten für das so selbstbewusste Unternehmen. Gerade erst hat BMW überraschend einen hohen Verlust im Autogeschäft verkündet, den ersten seit der Finanzkrise vor zehn Jahren. Die Vorhersagen wurden nach unten korrigiert, die Ertragskraft schwindet, gleichzeitig belasten die weltweiten Handelsauseinandersetzungen, die Autokonjunktur könnte abflauen. Der Brexit trifft die Münchner besonders, denn der Konzern hat mit Mini und Rolls-Royce gleich zwei Marken, die auf der Insel zu Hause sind. Und dann sind da noch die großen Umwälzungen in der Autoindustrie, in der sich alles ändert durch Elektromobilität und autonomes Fahren.

Ist BMW gut auf den Umbruch vorbereitet? Zweifel sind angebracht

Ist BMW darauf gut vorbereitet? Hat Vorstandschef Harald Krüger die Kraft, das Unternehmen in eine gute Zukunft zu führen? Zweifel daran sind durchaus angebracht. Die Strategie, die BMW verfolgt, erscheint zögerlich und halbherzig. So setzen die Münchner weiterhin auf verschiedene Antriebe, also auf herkömmliche Aggregate, auf Elektromotoren und auf Hybrid-Modelle. Damit sollen weiterhin alle Kunden bedient werden, BMW könnte sich jedoch verzetteln. Volkswagen dagegen investiert Milliarden in E-Fahrzeuge (allerdings mit ungewissem Ausgang). Tesla hat sich erfolgreich als hipper E-Autobauer etabliert (und macht Verluste), Volvo will Benzinmotoren bald ganz abschaffen. Toyota ist ein Pionier bei Hybrid-Fahrzeugen und glaubt auch an die Wasserstofftechnologie. Und BMW?

Die Entwicklung ist durchaus verwunderlich, denn BMW galt noch vor wenigen Jahren als Pionier bei Elektrofahrzeugen. Als erster der großen deutschen Autobauer präsentierten die Münchner mit dem i3 ein reines E-Auto, das zudem auf eine leichtere Bauweise setzte, und mit i8 einen Sportwagen mit Hybridantrieb. Früh setzte BMW auch auf effiziente und sparsamere Motoren. Doch den Vorsprung konnten sie nicht nutzen, inzwischen ziehen andere vorbei. Krüger ließ weiter große Limousinen und klotzige Geländefahrzeuge entwickeln, die natürlich noch immer für viel Gewinn sorgen. Die bestehende Modellpalette wurde nur zögerlich mit E-Motoren ausgestattet.

Dann hatte BMW auch noch Pech. Die Münchner waren zwar nach allem, was bisher bekannt ist, nicht wie Daimler, Volkswagen, Audi und Porsche in den Dieselskandal verstrickt, von Tricksereien wie bei der Konkurrenz ist bislang nichts bekannt. Doch trotzdem ist BMW gerade jetzt betroffen. Denn nun musste das Unternehmen eine Milliarden-Rückstellung wegen eines möglichen Bußgelds im EU-Kartellverfahren bilden. Dort wird den deutschen Autobauern vorgeworfen, illegale Absprachen bei Technologien zur Abgasreinigung getroffen zu haben. Daimler und VW haben rechtzeitig ausgepackt und können deshalb mit Strafmilderung rechnen. BMW dagegen steht als der Dumme da und setzt sich gegen die Vorwürfe zu Wehr. Gut für das Image ist das allerdings nicht.

Der Druck auf Krüger, der seit 2015 im Amt ist, steigt. Sein aktueller Vertrag läuft noch bis Mai 2020. Zur möglichen Verlängerung seiner Bestellung ist es derzeit seltsam still. Wird Krüger an der Konzernspitze bleiben? Es ist ja durchaus sympathisch, dass er nicht diese "Mir-kann-keiner-was"-Einstellung vieler Automanager hat und sich auch nicht gerne in der Öffentlichkeit produziert, sondern bescheiden und zurückhaltend gibt. Zu defensiv darf er in diesen schwierigen Zeiten aber nicht sein. Führungsschwäche kann er sich nicht leisten, das wäre verhängnisvoll.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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