Kommentar:Verschrotten

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Die EZB hat das italienische Institut Carige unter Zwangsverwaltung gesetzt. Wäre Carige ein Automobil, müsste man es verschrotten. Die staatliche Rettungspolitik ist gefährlich. Sie zehrt am Vertrauen der Verbraucher.

Von Markus Zydra

Banken besitzen in der Marktwirtschaft eine herausragende Funktion, denn sie versorgen die Wirtschaft mit Geld. Die Institute tragen dabei eine große Verantwortung, auch weil Sparer ihnen ihr Vermögen anvertrauen. Doch ein Bankensystem ist nur stabil, wenn seine Mitglieder gesund sind. Es ist wie bei der Essenszubereitung: Eine schlechte Zutat kann reichen, um das Mahl ungenießbar zu machen. Schwache Banken ohne zündende Geschäftsidee, die auf faulen Krediten sitzen, sind eine Gefahr für das Finanzsystem. Sie sollten vom Markt verschwinden.

Das betrifft beispielsweise die italienische Bank Carige. Das Institut hatte in der Vergangenheit schon Ärger mit den Strafverfolgungsbehörden, ein ehemaliger Vorstandschef musste ins Gefängnis und in der Bilanz türmen sich ruinöse Kreditforderungen, die niemals zurückbezahlt werden. In dieser Lage überrascht es nicht, dass die Finanzmärkte der traditionsreichen Bank aus Genua den Geldhahn abgedreht haben. Die Bankenaufsicht der EZB sah sich nun sogar genötigt, mit Carige erstmals eine beaufsichtigte Bank unter Zwangsverwaltung zu stellen.

Die staatliche Rettung ist gefährlich. Sie zehrt am Vertrauen der Verbraucher

Wäre Carige ein Automobil, man müsste es verschrotten. Doch die italienische Regierung möchte das nicht. Sie hat vergangene Woche einen finanziellen Rettungsschirm aufgespannt. Das Schicksal des Instituts ist ein Politikum, eine Million Sparer haben der Bank neun Milliarden Euro anvertraut. Die Regierung möchte Bilder von Kunden vermeiden, die vor den Bankautomaten Schlange stehen und nicht an ihr Geld kommen. Der italienische Steuerzahler muss bürgen, weil Bankmanager versagt haben.

Mit Gründung der Europäischen Bankenunion 2014 sollten diese nationalen Rettungsaktionen eigentlich aufhören. Nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise wollten EU-Politiker die Steuerzahler vor der Haftung schützen. Die neuen Regeln sehen vor, dass die Gläubiger der maroden Bank, also diejenigen, die dem Institut Kredit gegeben haben, bei einer Schieflage ihren Einsatz verlieren. Diese Gläubigerhaftung ist umstritten, denn sie könnte im Ernstfall eine Finanzkrise beschleunigen, etwa wenn eine Großbank pleitegeht und eine Haftungswelle bei anderen Banken auslöst, die dann selbst in Schwierigkeiten kommen.

Wer würde also haften bei der Pleite einer Bank wie Carige? Zum einen Spekulanten, Unternehmen und andere Banken. Die Großen. Aber zu den Gläubigern eines Kreditinstituts gehören eben auch die Sparer. Die Einlagen auf Sparkonten bis 100 000 Euro sind durch die staatlichen Sicherungssysteme geschützt, aber jeder weitere Euro kann im Ernstfall in die Haftungsmasse fließen. Viele Sparer, vor allem in Italien, haben Bankanleihen gezeichnet, deren Rückzahlung gefährdet wäre. Auch Pensionskassen und Versicherungen, wo Bürger vorsorgen, müssten haften, wenn sie Anleihen einer Pleite-Bank besitzen. Die neuen Regeln für den Umgang mit Kreditinstituten in Schieflage können also auch dem "normalen Bürger" Verluste bescheren. Das macht sie politisch so brisant und verstärkt das Schmachgefühl im betroffenen Land.

Deshalb gibt es in allen Staaten der Euro-Zone immer noch den starken Impuls der Regierenden, selbst todkranke Kreditinstitute aus dem eigenen Land vor dem Kollaps zu bewahren. Vornehmlich in Italien, weil der dortige Bankensektor besonders schlecht dasteht. Doch man darf sich nichts vormachen. Sollte in Deutschland eine politisch relevante Bank vor der Pleite stehen, würden Bund oder Länder wohl auch Finanzgarantien geben, sei es, um das Finanzsystem insgesamt zu stabilisieren, sei es, um einen Ansturm verängstigter Sparer an den Auszahlungsmaschinen der Bank zu verhindern.

Doch diese staatliche Rettungspolitik ist gefährlich. Eine schwache Bank in Italien schwächt nicht nur den italienischen Bankensektor, sondern zehrt auch am Vertrauen aller anderen Banken in der Euro-Zone. Finanziell klamme Banken müssen vom Markt verschwinden. Der Staat darf das nicht rauszögern. Das Regelwerk für eine geordnete Abwicklung ist da. Die zuständige Behörde kann marode Institute filetieren in überlebensfähige Teile, die verkauft werden, und den sterbenden Rest. Die Banken haben für diesen Ernstfall auch entsprechende Abwicklungspläne erarbeitet.

Viele Menschen hegen seit der Finanzkrise ein starkes Misstrauen gegenüber dem Bankensektor. Neues Vertrauen kann nur entstehen, wenn Europas Finanzsystem einen Neustart hinlegt - mit gesunden Banken, die eine Geschäftsidee haben und zu hohe Risiken meiden.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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